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Nachdichtungen

Pierre Louys

Wiegenlied der Mnasidika

Mein Kind, wenn ich auch wenig Jahre älter bin als du, lieb ich dich dennoch nicht wie eine Liebste, sondern wie wenn ich dich aus meinem schmerzenden Leib geboren hätte.

Wenn du, auf meinen Knien ausgestreckt, deine zerbrechlichen Arme um mich schlingst, mit spitzem Mund nach meinen Brüsten suchst und langsam und mit zuckenden Lippen saugst:

Dann träume ich wie damals, ich hätte wirklich diesen weichen Mund gestillt, dieses zarte feuchte Gefäß von der Farbe des Purpurs, darin geheimnisvoll das Glück der Bilitis beschlossen liegt...

Schlafe! Ich wiege dich mit einer Hand auf meinen Knien, die sich heben und senken. Schlaf ein! Ich werde dir die kleinen eintönigen Lieder singen, mit denen man die Neugebornen in den Schlaf singt.