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Nachdichtungen

Pierre Louys

Das namenlose Grab

Mnasidika nahm mich bei der Hand und führte mich zur Stadt hinaus bis auf ein kleines ödes Feld, wo eine Marmorsäule stand. "Hier liegt die Freundin meiner Mutter," sagte sie zu mir.

Ich fühlte Schauer mich überrinnen und ohne meine Hand zu lösen, neigte ich mich auf ihre Schulter, um die vier Zeilen zu lesen, die zwischen der gehöhlten Schale und der Schlange eingemeißelt standen:

"Nicht der Tod war es, der mich hinwegnahm, sondern die Nymphen der Quellen. Die Erde ist leicht und ich ruhe hier mit den Haaren der Xantho. Möge sie allein mich beweinen. Meinen Namen nenne ich nicht."

Wir blieben lange in Betrachtung stehen, aber wir haben kein Opfer dargebracht. Denn wie sollte man aus dem Schattengedränge des Hades die namenlose Seele rufen?