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Maria Luise Weissmann
Biografie / Der Verlag Heinrich F.S. Bachmair
Heinrich F.S. Bachmair
Mein Verlag
hat mit noch weniger als dem bekannten einen Schreibtisch und dem einen Papierkorb eines großen Verlegers angefangen: In einer Studentenbude des Berliner Ostens - Memeler Straße 80, zweiter Stock, bei Frau Sowinsky - vereinbarte ich am 20. Oktober 1911 mit meinem Freunde Johannes R. Becher, der gleich mir die Berliner Universität besuchte, die Herausgabe seiner Kleist-Hymne "Der Ringende". Im Frühjahr darauf erschienen weitere Bücher, und im Herbst übersiedelten wir nach München (Kurfürstenstraße 39/IV), wo der sechzehnseitige Katalog "Das erste Jahr" erschien und bereits ein rundes Dutzend Autoren verzeichnete.
Das Jahr 1913 brachte die Gründung zweier Zeitschriften: "Die Neue Kunst" und das Zehnpfennigblatt "Revolution" sowie den Umzug nach der Horscheltstraße 4. Mit der Uraufführung des Schauspiels "Die Welle" von Franz Blei trat der Verlag zum erstenmal unmittelbar vor das literarisch interessierte München. Der erste Weltkrieg war die große Cäsur.
Da die Firma Heinrich F.S. Bachmair vorübergehend in andere Hände (die allerhand Unfug damit anstellten) geraten war, entstand 1919 der Verlag Bachmair & Co., den ich mit meinem Freunde Leo Scherpenbach führte. Der erste Versband von Oskar Maria Graf und die kleine Literaturzeitschrift "Die Bücherkiste" waren die bemerkenswertesten Veröffentlichungen jener Zeit. Mein Freund wollte wieder in seine rheinische Heimat zurückkehren, deshalb übernahm ich 1922 den Verlag allein und zeichnete von nun an wieder mit meinem eigenen Namen. Unter wechselndem Domizil hielt ich den Verlag in kleinem Rahmen, der unter anderem auch die ersten Gedichte von Maria Luise Weissmann umschloß. Nach dem frühen Tod der Dichterin (7.11.29) gab ich ihren gesamten Nachlaß heraus. Im übrigen beschränkte ich mich vornehmlich auf bibliophile Ausgaben in kleiner Auflage , denen auch die Zeitschrift "Der Bücherhirt" zuzuzählen ist. Doch darf die 'Entdeckung' von Lina Staab nicht unerwähnt bleiben.
Von 1933 an wurde meine Lust, Bücher zu verlegen, geringer, war ich doch durch Autoren wie Becher, Leonhard Frank, Graf, Alfred Günther, Else Lasker-Schüler, Karl Otten, A.E. Rutra, Alfred Wolfenstein und andere 'suspekt' geworden. Immerhin konnte ich das nachgelassene, etwa zwei Drittel der "Commedia" umfassende Fragment einer meisterlichen Dante-Übersetzung von Hans Deinhardt in einem schönen zweifarbigen Druck herausbringen.
Umfangreiche bibliophile Pläne, die im Sommer 1939 kurz vor ihrer Verwirklichung standen, vernichtete der neue Krieg, der mir bald das Papier und schließlich auch die Arbeitsmöglichkeit entzog.
Zu Beginn dieses Jahres erteilte die Nachrichtenkontrolle der amerikanischen Militärregierung mir die Lizenz zur Weiterführung meines Verlags, und ich habe nicht gezögert, im 57. Lebensjahr noch einmal ganz von vorn anzufangen, ebenso räumlich beschränkt und - mit Johannes R. Becher, wie vor fünfunddreißig Jahren.
aus: "Fünfunddreißig Jahre Heinrich F.S. Bachmair. 1911-1946".
Starnberg am See 1946