hor.de | Gedichtsammlung | Maria Luise Weissmann
Wilhelm von Schramm
Ansprache bei der Bestattung Maria Luise Weissmanns
am 11. November 1929
Du hast uns still und sehr früh und unerwartet verlassen, liebe Maria Luise. Es war nicht Deine Art Dich im Leben hervorzudrängen - auch den Schritt in die Schattenreiche des Todes hast Du so leise getan, wie Du das Leise immer geliebt hast. Noch vor wenigen Tagen sprachst Du mit Deinen Freunden und niemand, niemand ahnte damals, daß Du uns alle so schnell verlassen müßtest. Nur kaum dreißig Jahre bist Du geworden und hast nur ein Alter erreicht, in dem für die anderen erst das rechte Leben beginnen soll. Aber früher und rascher hattest Du schon das Ziel dieses Lebens erreicht. Du warst Dein Leben lang eine Leidende, denn der Wille des Schicksals hatte Dich mit der empfindlichsten Seele, dem zartesten Körper ausgestattet - und doch schien uns Dein Leiden ein stärkeres, zusammengefaßteres Leben zu sein, ein Mitleiden auch mit aller Kreatur. Früh hast Du die letzten Folgen daraus gezogen! Früh hast Du abgeschüttelt, was Dir als Last, als Beschränkung und grobe Materie erscheinen mußte - Denn Du warst eine Freie und Edle und dürstetest nach der Vollkommenheit.
Du hast eine schmerzliche, jähe, schwere Trauer zurückgelassen; bei den Deinen, Deinem Gatten, Eltern und Schwester am meisten, bei allen Deinen Freunden und Vertrauten. Es ist eine Leere um sie entstanden, die nach Dir niemand füllen wird. Denn Dein Wesen war nicht das Wesen, dem wir alle Tage begegnen können. Dich hatte ein höherer Sinn, ein starkes Gefühl, eine wahre Bega. bung ausgezeichnet. Die reinen und hohen Kräfte, denen Du Mittler warst, die Du um uns und zu unserem Guten und Besten zum Leben und Wirken brachtest, haben kein irdisches Werkzeug mehr. Du bist zu anderen Dingen und höheren Wesen hinübergegangen, die Dir, die mit unirdischen Augen sehen konnte, oft schon auf dieser Ebene begegneten. Der Tod hat uns vieles entrissen an freundschaftlichem Umgang, an Liebe, an klarer, menschlicher Geistigkeit - aber er hat ein helles und deutliches Bild, ein lebendiges Werk, das Du selber warst, in unserer Seele zurückgelassen. Dein Name steht nahe und klar und eingebrannt unserem Herzen.
Du hast schon in Zeiten der Jugend, liebe Maria Luise, in diesen und jenen Reichen gelebt. Es gibt für Dich und für uns mit Dir keine Grenze zwischen Leben und Tod. Du bist unserem gegenwärtigen Leben schmerzlich entrissen, aber Du hast für uns jetzt nicht aufgehört zu bestehen. Du lebst für Dich weiter und lebst in unseren Gedanken, in unserer Liebe, in unserer Erinnerung. Auch Du warst in Deinem Sinn eine Gläubige. Die ewige Kraft und der unzerstörbare Odem haben Dich angerührt - und darum warst Du die Dichterin. Der Einige und Allmächtige wird Dir Vollendung schenken. Seine Gnade hat schon auf der Erde Deine Seele erhellt, sein Licht Deinen Geist klar gemacht. Deine Tage mit Freundschaft, Verehrung und Liebe ausgezeichnet. Dieses Wissen macht uns die Abschiedsstunde nicht dunkel; hell ist sie unter dem irdischen Schleier der Tränen. Dein sanfter Tod kann keine Zerstörung gewesen sein. Die Gnade, die Dich im Leben führte und aus Deinen Gedichten wirkte, wird Dich zu schönerem, höherem Wirken geleiten. Sie wird Dich Leidende zu den reineren Freuden heben.
Wir nehmen Abschied von Dir, liebe Luise. Wir danken Dir und wir trauern um Dich. Wir versprechen Dir eine lebenslange, helle Erinnerung. Wir empfehlen Dich, Deine Seele Christus. Wir denken jetzt in einem stillen Gebet Deiner wie aller sterblichen Kreatur, der der Schöpfer, der Ewige, gnädig sein möge.
Der Schriftsteller Wilhelm von Schramm führte 1919/20 in München die "Bücherkiste" als Vertretung für den wegen seiner Teilnahme an der Räterepublik inhaftierten Heinrich F.S.Bachmair. Schramm war der Cousin von Maria Luise Weissmann.