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Internetkunst ist Fernsehen von unten
Der Berieselung mit Massenware wird der Spaß am Individuellen, am Eigenen entgegengesetzt. Unmittelbar: Internetnutzung verschlingt Fernsehzeit.
Kunst im Internet ist alles, das sich um künstlerischen Ausdruck bemüht - vom Exhibitionismus der privateren Homepage bis zum professionellen MultiMediAdventure. Kunst bringt den Kitt der digitalen Netzlandschaft. Zwischen den Softwaredownloads, Produktinformationen, Pornoversorgern und Wissenschaftsdiskursen das, was Welt gibt. Das wir erkennen.
Wer dazu neigt, zu bilden, bildet auch im Internet, wer musiziert, tut's hier für die Netzgemeinde, wer schreibt, schließt seine elektronische Schreibmaschine ans globale Postsystem an. Und wer von allem ein bisschen kann, der kann's auch hier. Hier?
Das Internet ist nur ein Weg, beliebige Rechnersystem zu verknüpfen. Dank rührigen ISPs, der eindrucksvollen Primitivität des World Wide Web, der schlichten Pragmatik des elektrischen Briefverkehrs ist das Netz ein Geschenk ans Volk. Das Volk hat 'ja' gesagt und begonnen einzuziehen. Es wird tapeziert, getischlert und möbelgerückt.
Der professionalisierte Kunstmarkt, die etablierten Pushmedien und das wichtigtuende Feuilleton sind entsetzt. Wo bleibt die Qualität? Wie können die Standards unserer Berufsstände gewahrt werden? Wer soll uns bezahlen?
Kommt schon, gar nicht, niemand. Fernsehen von unten ist keine kleine Nettigkeit. Es ist eine Kampfansage an die Senderiesen. Internetliteratur ist nichts als der Sieg des Creative Writing über das literarische Kränzchen. Und Kunst für alle heißt eben nicht Staatsgalerie und Nobelauktion.
Aber aber - das braucht doch Kritik! rufen die Kritiker. Warum nicht? Wer hindert euch anzufangen? Verlage, sagen die Verleger, bewahren den Leser vor dem Stuss. Wohlan: bewahrt, bietet Orientierung, ändert eure Geschäftstätigkeit.
Es kommen die Journalisten und sagen: gut recherchierte Nachrichten sind unverzichtbar. Recht habt ihr. Kommt und berichtet. Wer soll das denn, fragt ihr, bezahlen? Na was? Wer's will. Händler seid ihr - verkauft!
Dann wieder heißt es, das Netz sei doch für die Wissenschaften da. Gewiss, es ist, fasst euch an den Händen. Oder für den Versandhandel - wer hindert euch?
Mein Hund, mein Garten, mein Job, mein Lied, das Wetter. Ja ja ja.
Wir sind nicht abgeneigt, alles in Frage zu stellen. Wir wollen die kleinen Datenpakete sichtbar machen und schauen, welche Ordnung es hat. Wir wollen unsere Monitore mit Kritzeleien fremder Menschen verziert sehen und wir wollen dabei sein.
Aber wir wollen nicht hören, wie's sein soll. Die uns sagen: mehr Videospiel, mehr Verträge, mehr Literatur, mehr Reportage, mehr Radio - die sollen nicht fordern, die sollen's tun. So, wie der, der's gemacht hat, sein Produkt, ob Info, Spiel, Ware oder Kunst, hat haben wollen, so ist's gut.
Und wenn wir uns dabei Pappnasen aufsetzen und Fantasienamen wählen - warum nicht? Es gibt keinen Grund so oder so sich zu geben.
Wer lieber nur zuschaut, der kann ja vor seinem Fernseher sitzenbleiben.
Das macht nichts.