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Immer noch endet die 'Kostenloskutur'
Es ist wahr: das Internet wird geschäftstüchtig. All die feinen kostenlosen Angebote sind verschwunden. Nicht alle, aber viele. Und täglich gibt es weniger. Was fand der beigeisterte Homepagebastler nicht alles gratis für sein Hobby: schier jeder, der etwas entdeckt, gestaltet oder gebastelt hatte, stellte es Späteren gerne zur Verfügung. Gar mancher Programmierer oder Designer gelangte zu bescheidenem Ruhm, weil so viele seine Werke gerne nutzten.
Das ist vorbei. Nachrichten werden kostenpflichtig und aus den netten Perlskripten, die es Surfern ermöglichten auf Websites Notizen zu hinterlassen, Beschimpfungen, Suchanfragen oder Selbstdarstellung, sind längst kommerzielle Datenbankvermarkter geworden, Auktionshäuser, Partnervermittlungen usw. Noch immer sieht man das kostenlose Zeug von früher überall im Web. Nur das "Kostenlos" verschwindet. Es gilt heute als peinlich. Dass man erfolgreich verkauft, ist die coolere Story.
Soweit ist das allen bekannt und an den Börsen festigen sich die Preise der Internetfirmen allmählich wieder. Aber für die Netzpioniere ist dies das Ende. Niemand hindert sie, so weiter zu machen wie bisher - aber das ist sinnlos geworden. Man verteilt auch keine selbstgebastelten Spielzeuge gratis in Kaufhäusern und Supermärkten. Man würde überdies hinausgeworfen. Im Web wird man nicht gefunden: die Suche nach der Website einer lokalen Punkband erstickt in Listen von Tausenden von Musikversendern, die eine CD von ihnen im Katalog führen. Die Suche nach harten Informationen scheitert an der unendlichen Zahl von Buchrezensionen zum Thema.
Und so gehen sie. Machen ihren Job als Serveradministrator als Job und forschen in ihrer Freizeit nach amerikanischen Ikonenmalern oder gründen Bürgerinitiativen gegen Mobilfunkantennen. Oder sie haben bloß das Hobby gewechselt und hatten beruflich nie mit dem Netz zu tun. Für sie ist die Frage, was nach dem Internet kommt, aktuell geworden und jeder hat seine eigene Antwort.
Internet, das ist heute eine Branche, da arbeitet man wie bei einer Versicherung oder einem Pharmahersteller und kauft ein, was man braucht. Homeshopping, Zeitschriften-Abo, Reisebuchung und -auskunft. Eine Erweiterung von Fernsehen, Fax, Telefon und Automaten. Da gibt's Geld oder kostet was, da spielt man nicht. (Der Chat unter Freunden braucht nun einen Unkostenbeitrag und blendet etwas Reklame ein.) Tja dann.
Dann bleibt noch das Usenet, bleiben einige alte MUDs, bleibt die geschäftige Gelegenheitsnutzung. Was war das schön, Gleichgesinnte gefunden zu haben, mit zigtausend Kilometern entfernten Geistesverwandten gemeinsam zu tüfteln (ich weiß das zu schätzen, wohnte ich doch bis vor kurzem auf dem Land). Funktionieren tut das immer noch, aber die Beziehungen haben 'sich' professionalisiert.
Die heute 'im Internet' (das heißt, ist aber nicht so: man bleibt daheim und 'verbringt' Zeit) selber machen, tun es wie die Touristen auf der Galeere im Asterix-Heft: Selbstruderurlaub. So ist auch das 'interaktive Fernsehen' ("Ruf mich an!"). Das Internet ist Teil der schier allumfassenden Medienwelt, die das wirkliche Leben (das, das nach Schweiß und Pisse riecht, existenzielle Nöte kennt und Mühe) zunehmend ersetzt. Es ist ein wenig mehr Kommunikations- denn Konsummedium, das ist sein Gutes. Doch auch die Kommunikation wird heute konsumiert und mancher 'telefoniert mobil' mit dem Menschen, der ohnehin neben ihm geht. Leider lässt die Spaßgesellschaft (fun fun fun) es nicht zu, die Lust, die eigene Arbeit auch noch zu bezahlen, für gemeinnützige Zwecke anzuzapfen, da ist sie immun. Wie in der Kunst die Zweckfreiheit so herrscht in der 'Freizeitkultur' das Sinnfreiheitsgebot.
Wer es ernst meint, der macht sich verdächtig. Was am Lagerfeuer möglich ist, kann in den Einkaufspassagen gefährlich sein. Wer das Internet kennt, passt da auf. Man war ja nicht zufällig dabei. Das Netz war keine Alternative zu Modesound aus den Lautsprechern von Kaufhausfahrstühlen, Talkshows mit Fußpilzopfern oder werbedurchsetzten Werbeshows für Autos oder Bücher. Heute ist es für die meisten neben E-Mail und Chat genau das. Das was man nicht will. Und jetzt gar noch von Oma mit Computerspielern, die ihre Zeit für Daddeln und Ballern verwenden, in einen Topf geworfen zu werden ist zu viel. Netizens raus in die Natur. Da trifft man sie dann am Lagerfeuer.
Traurige Sancho Pansas (Don Quixote ist schon tot und Denkmal) sind die, die in kleinen Gruppen oder als Einzelkämpfer aus dem Netz einen Beruf gemacht haben. Die können nun schlecht zurück und regen sich mächtig über die Miesmacher auf, die nicht mehr dabei sein wollen. Sie sitzen mit am Lagerfeuer und erzählen von den alten Argumenten, wider die sowieso keiner streitet. Dass eine ihr Notebook mitgebracht hat, gilt zwar noch nicht als peinlich, war aber eine blöde Idee. Es geht kaputt.