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Georg 88
08.08. - Wir haben die ersten zwanzig Schweinepriester erschossen. Es ist ein Unding, dass diese Leute frei herumlaufen. Noch brechen wir Gesetze, aber bald wird die Bekämpfung der Plage zum Staatsziel. Martha hat das auch den Kindern erklärt. Gestern schon gab sie mir den Namen einer Kindergärtnerin.
10.08. - Den ganzen Tag wacklige Telefonverbindungen. So erfuhr ich nichts von dem geplanten Abendessen. Martha ist sauer. Die Presse berichtet vom Hottentottenaufstand als stünde das Weltende bevor. Dabei ist es nur ihre Welt, die zu Ende geht. Sie hat sich erschöpft.
15.08. - Es hat sich gelohnt, auf Schauprozesse gegen Regierung und Parlament zu verzichten. Einige haben wir noch, die wir auf öffentliche Schuldbekenntnisse vorbereiten. Die müssen reichen. Größere Sorge bereitet mir der Verfall der Sitten, die Nachbarn erzählten von Plünderungen. Am Wochenende werde ich die Hütte besser sichern. Die Vorräte sollten auch ergänzt werden.
17.08. - Allmählich drängt es mich doch, die heilige Lehre zu erfahren, um das Werk fortsetzen zu können. Martha sah einen Schweinepriester in unserer Straße und hat gleich geschossen. Peterle hat einen Schock davon und weint den ganzen Abend "Auto, Auto". In einem anderen Kindergarten soll es sogar noch Modelle geben.
21.08. - Ich bin Chefankläger für die gesamte Automobilbranche. Dr. Göttmann hat mich persönlich angerufen. Zum Glück war Martha dabei - sie glaubt mir manches nicht und wird immer abweisender. Dafür viel Spaß mit Marieken.
22.08 - In manchen Gegenden haben Banden die Macht an sich gerissen. Leitungen können nicht mehr repariert werden, Verhaftungen werden verhindert. Von Hungersnot ist allerdings nichts zu spüren: die Supermärkte verkaufen ihre Hamstervorräte an verderblichen Waren zu Schleuderpreisen. Roderichs ziehen weg - endlich.
23.08. - Dr. Göttmann hat die Bombardierung der Aufstandsgebiete befohlen und ist am Abend zurückgetreten. Ein schwerer Fall des Einsatzes von Verbrennungsmotoren; ich möchte da nicht Ankläger sein.
24.08. - Die Ereignisse überstürzen sich. Morgens ein Typhusfall im Kindergarten. Peterle wäre beinahe interniert worden. Martha hat gleich Lebenssoldaten mitgenommen. Sie ist eine sehr resolute Frau. Unmittelbar darauf eine E-Mail von Hartmeier. Vor zwölf ist es dann amtlich. Martha hat mich seit Monaten das erste Mal geküsst. Heil Georg! scherzte sie und kuschelte sich an mich. Peterle ist immer noch verstört wegen des Geballers. Ich werde den Frühzug nach Hannover nehmen. Vielleicht bin ich lange weg.
29.08. - Peterle krank. Ich muss nach Heidelberg, fahre aber ungern, da dort gerade heute Göttmann exekutiert wird. Lanken soll die Reiseroute im Netz publizieren. Wenn die Geleise entlang nur genügend Leute jubeln, kann es ein Erfolg werden. In Heidelberg unbedingt Socken wechseln!
07.09. - Natürlich, war es voreilig von Martha, Peterle mitzunehmen. Aber Typhus ist ja nun nicht so wild. Andererseits hat die Anklage Recht: Wir haben um persönlichen Vorteils willen Mittel des Staates eingesetzt. Ich bedauere das sehr und will damit auch kein Beispiel geben. Man muss seine Verantwortung einlösen. Der Vernehmungsoffizier hat ein altes Foto mit Motorrad ausgegraben. Ich hätte mich nicht vordrängen sollen.