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Sidonia Hedwig Zäunemann

Die von denen Faunen gepeitschte Laster

    » Vorrede 1739

Auf einmahl reget sich der fast erstickte Trieb;
Das, was ich sonst gescheut, gewinn ich jetzo lieb;
Das, was ich bloß aus Furcht, es möchte nicht gelingen,
Bißher zurück gesetzt, das will ich jetzo singen.

Caliope! dein Rohr, dein sanftes Sayten-Spiel,
Das mich bezaubert hielt, und Göttern wohlgefiel,
Mag dort im Winkel ruhn: ein Satyr läßt sich spühren.
Der soll an deiner statt mich auf den Pindus führen.
Ihr Götter! die ihr sonst so graß und heßlich seyd;
Vor deren Gegenwart das Frauen-Volck sich scheut,
Und schüchtern lauft und flieht, als ob ein Mörder käme,
Der ihnen mit Gewalt Kranz, Schmuck und Leben nähme,
Ihr seyd jetzt meine Lust und liebstes Augenmerk.
Hier habt ihr meine Hand, kommt! führt mich auf den Berg,
Wo Phöbus und sein Volk im Lorbeer-Walde tanzen.
Kommt! lasset mich durch euch mein Glück bey ihnen pflanzen,
Sezt eure Füsse nett, und laßt mich heute sehn,
Ob ihr so künstlich springt, wie ehemahls geschehn.
Spielt nur so gut ihr könnt, auf Pfeiffen oder Flöthen.
Ihr dürft, weil ihr schon roth, euch nicht dabey erröhten.
Auf! macht mir eine Lust! und auch dem Musen-Fürst;
Und singt der Welt zu Trutz, die schon die Zähne knirst.

Au! Weh! was seh ich dort? Mein Wahn hat nicht gelogen,
Ein grau Gewitter kömmt mit Blitz und Knall gezogen.
Die Luft verfinstert sich, die Sonne büßt den Schein,
Die Erde den Gesang der Luft-Sirenen ein.
Das Vieh lauft hin und her, es schreyt, es bebt, es zittert,
Es suchet Zweig und Schutz, dieweils so grausam wittert.
Die Erde bebt und kracht, die Berge wancken fast,
Und machen sich zum Fall mit ihrer Pracht gefaßt.
Die Donner rollen fort, und brüllen aus dermasen,
Als wolten sie der Welt zum Untergange blasen.
Nun borst die Wolk entzwey, und läßt auf einmahl loß,
Was sie mit harten Zwang bißher in ihren Schooß
Und Leib getragen hat; wodurch es leyder! kommen,
Daß Donner, Blitz und Furcht den Erdkreiß eingenommen.
Was aber fällt denn wohl aus Wolk und Luft herab?
Wie? ists ein güldner Thau den dorten Hammon gab?
Sinds Fische, die sich hier in dieser Fluth bewegen?
Es ist ja, wie mich dünkt, kein schlecht, gemeiner Regen.
Solls Ungeziefer seyn, das Feld und Wald vergift,
Und Schaden und Verderb auf Berg und Wiesen stift?

So ists: jedoch weit mehr: es ist ein Menschen-Regen.
Komm Pluto! komm und sieh! o welch ein schöner Seegen!
Empfande Jupiter Angst, Schmerzen, Quaal und Noth,
Als seine Stirn erhitzt, und als ein Feuer roth,
Und aufgeblasen war, eh Pallas raus gesprungen;
Was Wunder, wenn dieß Heer die Wolke so gedrungen,
Und ihr so grosse Quaal und Unruh hat gemacht,
Biß sie durch Knall und Blitz dieß Unheil fort gebracht.
Wer muß ihr Anherr seyn? wie sind sie denn gestaltet?
Wie der, so Phrygien bey güldner Zeit verwaltet.
Nicht anders; Midas muß ihr Aelter-Vater seyn.
An Ohren sieht mans ja; die Werke stimmen ein.
Ein Volk, das an Verstand den schwachen Kindern gleichet,
An Boßheit aber kaum dem Teufel selber weichet.
Dieß Volk bedeckt die Welt; der Bart womit es prangt,
Zeigt gnug, wie viel es schon an Kraft und Stärk erlangt.
Ja Kräfte in der Faust; nicht aber im Gehirne,
Mit Runzeln wächst zugleich die Boßheit in der Stirne.

Steig alter Midas! steig! aus deiner schwarzen Gruft,
Hör! wie dein edles Volk so sehnlich nach dir ruft,
Vernimm wie treu es dich auch nach dem Tode liebet,
Und deinen weisen Spruch noch täglich von sich giebet.
Sieh! wie sich dein Geschlecht so wunderbar vermehrt,
Wie hoch es dich erhebt, wie sehr es dich verehrt.
Dieß dein erhitztes Volk verbietet den Poeten,
Daß sie auf ihren Rohr und nettgestimmten Flöthen
Nichts singen, das nach Kunst und Sitten-Lehre schmeckt,
Und wie Apollo dort der Götter Gunst erweckt.
Die Warheit will man nicht in ihren Schriften dulden,
Man straft und richtet sie ohn billiges Verschulden.
O wundert euch mit mir! daß viel so sinnreich sind,
Und in den Schöppen-Stuhl der Advocaten Wind
Und ihren Spötter-Kiel, den Gegner zu beschimpfen,
Die Fehler der Persohn, das Mund- und Nase-Rümpfen,
Gang, Kleidung, Jugend-Lust, und was dergleichen mehr,
Mit ganz gelassenen und fröhlichen Gehör,
Und lächlender Gestalt so klug vertragen können.
Sie leiden ohne Scheu daß zwey zusammen rennen;
Und wenn auch der Client aus Wehmuth und Verdruß,
Wohl zwanzig Bogen mehr als sonsten zahlen muß.
Dieß ist noch nicht genug; es wundere sich ein jeder,
Wenn das erhitzte Blut auf Schulen und Catheder
Sich unbescheiden zankt, und von dem Hauptzweck geht,
Aus Neid und Tadelsucht den Gegner beisend schmäht,
So hört man munter zu, und läßt sich unbekümmert.
Schreibt aber ein Poet, wie sich die Welt verschlimmert,
Und wie das Laster wächst, so sieht man scheel darzu,
Und läßt aus tollen Neid dem Dichter keine Ruh.
Ob Orthodoxen schon sich auf den Schau-Platz stellen,
Und durch den scharfen Kiel die Feinde glücklich fällen,
Wie mancher Philosoph, wie mancher Moralist,
In dem ein reines Feur, Verstand und Weißheit ist,
Hat von der Sitten-Kunst satyrisch gnug geschrieben,
Und dennoch sind sie stets in Ruh und Fried geblieben.
In Prosa fluchet man der Sitten-Lehre nicht;
Die arme Poesie wird ohn Verhör gericht.
Ein Redner, ein Poet steht in gelehrten Orden,
Und beyde sind schon längst zu Moralisten worden.
Ein jeder ehrt und liebt die Regeln der Natur;
Ein jeder folget ja der Tugend Licht und Spuhr,
Und zeigt die Laster-Bahn, und sucht der Welt zu nützen.
Allein der Dichter kan fast niemahls ruhig sitzen.

Zu dieser tollen Art und frecher Seltenheit,
Giebt der belebte Reim wohl nicht Gelegenheit;
Nein, sondern die Vernunft ist noch nicht ausgeheitert,
Weil sich der Weißheit Licht in ihnen nicht erweitert,
Weil sie die Tugend nie in ihrem Glanz erkannt;
Weil sie die meiste Zeit auf Trug und List verwandt;
Weil ihres Vaters Geist auf ihnen zweyfach lieget,
Ich meine, Midas Sinn, der sie so hoch vergnüget;
Ja seines Hauptes Schmuck, den sie zugleich geerbt,
Hat dieses Volkes Geist verfinstert und verderbt.
Da nun so Herz als Sinn und Ohr und Mund verdorben,
Und Tugend und Vernunft in ihrer Brust erstorben,
Was Wunder? daß dieß Volk Satyren haßt und scheut,
Und deiner Sitten-Lehr mit Fluch und Grimme dräut.
O! daß doch Knall und Blitz dieß Volck herab gesendet,
Das Klugheit und Vernunft in Dichter-Schriften schändet!

Wo ist die alte Zeit, in der die Dichtungs-Kunst,
Von grossen Königen, mit hoher Huld und Gunst
Und Preiß belohnet ward? Die Tage sind verschwunden,
Da man auch Dichter noch am Kayser-Tisch gefunden.
Augustus blieb ein Held der alle Welt bezwang,
Obgleich Virgilius an seiner Tafel sang.
Ward auch die Majestät durch diese That verletzet?
Weil er die Dichterkunst vor andern hoch geschätzet.
Des Nero Grausamkeit löscht doch den Ruhm nicht aus,
Daß er in seiner Brust ein würdig Musen-Haus
Bey seinen Thron erbaut. O! käm die Zeit zurücke,
Da Barbarossens Hof, so Gnaden-volle Blicke
Den Dichtern zugewandt! die von der Helden Schweiß,
Von ihren Löwen-Muth, Geschicklichkeit und Fleiß,
Wenn sie vor Staat und Reich, so treu sie nur vermochten,
Gerahten und gesorgt, mit Arm und Schwerd gefochten,
Gesungen und erzehlt: damit die neue Welt
Davon ein Beyspiel nähm, der kein Poet gefällt.
Wo bleibt jetzt Carolus der Eilfte der Franzosen?
Der selbst durch diese Kunst mit schönen Ehren-Rosen
Die Dichter überstimmt. Alfondus Kron und Macht,
Der England Seegen gab, erhebet ihre Pracht,
Und singt und spielet selbst. Wär Carl1 noch jetzt auf Erden,
So würd auf seinen Wink manch Lied gesungen werden.
Ihr nahmt der Dichter Glück und Preiß mit euch ins Grab.
Bey eures Scepters Rest liegt unser Ehren-Stab
Vergraben und verdeckt. O! könntet ihr erwachen,
Und uns, wie Reich und Volk beglückt und herrlich machen!
Wo sind die Damen hin die Barbaros gekannt,
Die man mit Fug und Recht der Fürsten Zier genannt?
Verehrte nicht ihr Ohr geschickte Helden Lieder?
In welchen der Poet des Tapfern Herculs Brüder,
(Die Prinzen, die im Feld ein blutges Leder-Kleid,
Ein todt gehaunes Roß, und Wahlstadt nicht gescheut;
Die Fürsten, die ihr Volk mit Billigkeit regieret,
Und mit Gerechtigkeit und Huld den Stab geführet,)
Der Ewigkeit geweyht, zum Beyspiel vorgestellt,
Und angepriesen hat. O! möchtet ihr die Welt
Mit eurer dunkeln Gruft, ihr Damen! jetzt vertauschen,
An manches Fürsten Hof und Prinzens Kammer lauschen!
Ihr würdet Wunder sehn, wie man der Dichtkunst spott,
Und ihr Gedächtniß fast aus Geist und Seele rott.
Wo fragen Damen jetzt nach alter Prinzen Thaten,
Ob auch ihr Regiment, und Feldzug wohl gerathen?
Homerus Helden-Lied weicht jetzt dem schnöden Reim
In dem Secundens Kiel der Liebe Honigseim
Natürlich abgemahlt. Banisens Flucht und Lieben
Ergötzt jetzt mehr als das, was Seneca geschrieben.

So giengs vor Zeiten nicht. Witz und Geschickligkeit
War damahls wie man weiß, der Dame schönstes Kleid
Und gröster Ehren-Schmuck; Tholusa läßt uns lesen,
Wie edel ihr Verstand, und Urtheils-Kraft gewesen.
Der Aquitaner Volk war, wie gesagt, auf Ehr
Und Ruhm und Glanz bedacht; und suchte nichts so sehr,
Als sich durch Tapferkeit und Weißheit aufzuschwingen,
Und in die Ewigkeit vor andern einzudringen.

Die Alleredelsten und Grösten an Vernunft,
Verbanden sich daher und schlossen eine Zunft,
Worbey der Vorsatz war, die Thaten ihrer Helden
In Liedern schöner Art der Ewigkeit zu melden.
Wer sich von ihren Volk auch sonst hervor gethan;
Wer im Turnier gesiegt und auf der Ehren-Bahn
Den höchsten Preiß erkämpft; dem pflegten sie in Schriften
Ein Denckmaal seines Ruhms auf gleiche Art zu stiften.
Ja wer sich um das Reich und Volk verdient gemacht,
Wer vor des Landes Ruh, der Bürger Wohl gewacht,
Dem suchte ihre Hand in herrlichen Gedichten
Ein köstlich Ehren-Maal und Lob-Lied aufzurichten.
Ein jeder dieser Zunft versuchte voll Bemühn,
Durch ein geschicktes Lied den Preiß an sich zu ziehn,
Warum? sie wehlten sich, (wer möchte nicht gewinnen?)
Das holde Frauenvolk zu ihren Richterinnen.
Da war der Damen Geist mit Weißheit ausgeschmückt;
Da ward der Preiß durch sie dem Würdigsten geschickt,
Der sich in Kunst und Fleiß vor andern angegriffen,
Und am geschicktesten auf Blat und Rohr gepfiffen.
Der Damen kluger Geist sah reif- und weißlich ein
Daß Dichter rechter Art nicht blose Schwätzer seyn;
Ihr Sinn forscht weiter nach, und straft mit Witz die Laster,
Erhebt die Tugenden, und zeigt wie man aufs Pflaster
Des Wohlstands treten soll; wie man die Seele nehrt,
Und sich durch Wissenschaft und Fleiß vom Pöbel kehrt;
Wie man das höchste Gut der Seelen-Ruh erlanget,
Und durch den Ehren-Kranz am Sternen-Himmel pranget;
Wie man, wenn andre hier im Welt-Getöse sind,
Dort in der Einsamkeit die gröste Anmuth findt.

Wer kan uns wohl anjetzt viel kluge Damen nennen,
Die von der Poesie ein Urtheil fällen können?
Ach leyder! ist bekant, daß man jetzt wenig findt,
Die von so hohen Geist, als wohl von Herkunft sind.
Warum? Die Zärtlichkeit läßt sich zu nichts mehr zwingen;
Was thun die Hände mehr als daß sie Knötgen schlingen.
Die Feder wird gewiß, so leicht nicht angesetzt;
Wenn nicht ein Liebes-Brief zuvor das Aug ergötzt,
Den Geist entzündet hat; wer wolte sonst was schreiben;
Man kan sich schon die Zeit auf andre Art vertreiben.
Ein lustig Karten-Spiel vergnügt die Brust weit mehr,
Als wenn man Tag und Nacht in Büchern fleißig wär;
Ja steht auch dieß nicht an, das Müthgen abzukühlen,
So läßt man nur im Bret und auf der Dame spielen.
O! solten wir den Preiß jetzt von den Damen sehn,
Wie würd es doch so kahl um Sieg und Vorzug stehn?

Zwar kan ein Dichter noch zuweilen dieß geniessen,
Daß Augen voller Gnad auf seine Blätter schiessen;
Allein er nehme sich mit seinen Kiel in acht,
Denn wer nicht schmeicheln kan, wird billig ausgelacht.
Der Lea must er nur die schönsten Augen geben,
Und Ahitophels Rath als Jethro Spruch erheben.
Er tadle Nathans Wort, daß er so frey geredt,
Und seinem Könige voll Glanz und Majestät
Nichts nachgesehen hat. Wo wird nach Bürger Sitten,
Der grossen Fürsten Lust und Handlung zugeschnitten?
Dem Ahab leg er ja die klügste Einsicht bey,
Daß nichts als Billigkeit in seinem Urtheil sey;
Die Flecken such er fein mit Farben zu bestreichen,
Und eine Jesabel der Sara zu vergleichen.
Er schmücke alles schön, und was ein Joab schaft,
Das nenn er fromm und treu, gerecht und tugendhaft.
Er darf sich nicht darbey gewissenhaft geberden,
Vielweniger beschämt vor einer Lüge werden.
Hüllt er dieß alles nun in nette Kleidung ein,
So kan das Wiedergelt ein Gnaden-Blickgen seyn.
Doch nur allein vors Blat; sonst hat er nichts zu hoffen.
Zwey Menschen steht ein Weg zu gleichen Schicksaal offen;
Doch suchen sie umsonst: Ein Dichter und Chymist,
Weil einer so ein Narr als wie der andre ist.

Die Dichtkunst bleibt nicht nur ein Stief-Kind stets vom Glücke,
Ihr Lohn find noch darzu der Mißgunst Feuer-Blicke,
Absonderlich wenn sich das Frauen-Volk bemüht,
Und nach der Musen Art die Sayten künstlich zieht.
Da sieht man Haß und Neid sich auf den Schau-Platz stellen;
Sie borgen von dem Hund das ungezähmte Bellen;
Sie knirschen mit dem Mund wenn unsre Lorbeer blühn,
Und suchen uns den Ruhm durch Lästern zu entziehn.
Der Ehre stoltzes Schif wird als vom Wind bestürmet,
Mit giftgen Schaum umringt, von Wellen aufgethürmet,
Um seinen schnellen Lauf nur Einhalt bald zu thun.
Ihr Toben läßt sie nicht bey unsern Siegen ruhn.
Der Neid, das Ungeheur das sich doch selber quälen
Und endlich fressen muß, wohnt in so vielen Seelen,
Die toben wider uns, wenn irgend unser Geist,
Ein Philosophisches und Dichter-Feuer weist.
Ihr dummer Hochmuth meint, wir dürften mehr nicht lesen,
Als nur wer Ismael und Moses Weib gewesen,
Wie dort Rebeccens Hand mit Isaacs Baarte scherzt,
Wie Hiob allen Hohn von seiner Frau verschmerzt.
Des Salomonis Spruch und Syrachs Sitten-Leben
Wär uns; nur Seneca und Plato nicht gegeben.
Blieb uns Sanct Paulus nur bekannt und offenbar,
So wär es schon genug: Uns gienge Pallas Schaar
Und Phöbus gar nichts an. Wir hätten gnug zu singen,
Die zarten Kindergen in Schlaf und Ruh zu bringen.
Zwirn, Nadel, Flachs und Garn, die Küche und der Heerd
Wär nur vor uns bestimmt; nicht aber Kiel und Schwerd.
Der Männer Eigenthum sey Feder, Buch und Waffen;
Nur ihnen wär allein ein Löwen-Herz erschaffen.
Gar recht! ihr brüllt zu Haus so arg als Löw und Bär.
Wie feurig, wie ergrimmt lauft ihr oft hin und her?
Ihr meint die Tapferkeit sey euch nur angebohren.
Ihr habt so manchem Glaß, o That! den Tod geschworen.
Ihr nennet euch beherzt; ihr kämpftet ritterlich;
Ich widerspreche nicht, denn dieses zeiget sich
Im Krieg, wo Cypripor der Venus Feldherr worden.
Ihr sagt: Die Wissenschaft wär nur dem Männer-Orden
Vom Schöpfer zugedacht: Ihr müstet nur allein
Beherrscher über Buch, und Kunst und Federn seyn.

Was vor ein toller Wurm hat euren Kopf durchfressen,
Daß ihr euch nur allein dieß Recht sucht beyzumessen?
Der Schöpfer hat uns ja mit gleichen Geist bedacht,
Und gleiche Seelen-Kraft und Triebe beygebracht.
Wie solten wir denn nun dieß theure Pfand und Gaben
Um euren Eigensinn zu folgen, gar vergraben?
So wahr Minerva lebt! so soll es nicht geschehn,
Daß wir auf euer Wort der Musen Dienst verschmähn.
Jemehr die Mißgunst raßt, und wider uns sich setzet;
Jemehr der Neid auf uns ergrimmt die Zähne wetzet;
Jemehr das Mannes-Volk aus toller Eifersucht
Auf unsre Wissenschaft, Kunst, Fleiß und Feder flucht,
Jemehr soll unser Geist das Chor der Musen lieben,
Jemehr wird untersucht, je mehr wird aufgeschrieben.
Wir sind dem Palm-Baum gleich, der sich gen Himmel schwingt,
Jemehr man Druck und Last auf seine Zweige bringt.

Ein kluges Weibes-Bild das auf was hohes sinnet,
Buch, Kiel und Rohr ergreift, und Phöbum lieb gewinnet.
Der Warheit Grund erforscht; den Geist in Schriften übt,
Stellt bey dem ersten Kuß, den ihr Apollo giebt,
Sich gleich die Eifersucht, die Mißgunst und das Schmähen
Der dummen Männer für. Wer dieses nicht will sehen,
Wer dieß nicht leiden kan, der lege nur bey Zeit,
Die Lust zur Wissenschaft, Buch, Kiel und Rohr beyseit.
Der Haß wird gleich erweckt so bald die Flöthen klingen,
Und wir nach Musen Art mit unsern Lippen singen.
Wie oftmals hab ich nicht aus Unmuth und Verdruß,
Weil man so viel Geplärr und Narrheit hören muß,
Manch schönes Tage-Werck in tausend Stück zerrissen,
Und Phöbens Lauten-Spiel in Winkel hingeschmissen.
Nur neulich nahm mich noch der feste Vorsatz ein,
Ein Feind der Poesie biß in die Gruft zu seyn.
Allein der jähe Schluß ward bald zurück getrieben;
Wie könt ich das verschmähn, was kluge Leute lieben?
Man schweige gänzlich still; man tadle Midas Sohn,
Man lobe Mavors Kind, man findet gleichen Lohn.
Man mag die Tugend schön; die Laster heßlich schelten,
Der Danck ist einerley; wir müssens doch entgelten.
Wer Tugend und Vernunft an allen Menschen liebt;
Die Weißheit ehrt und schätzt, der Warheit Beyfall giebt,
Sieht niemahls scheel dazu, wenn man Satyrisch dichtet,
Und auf die üble Zucht die schärfste Hechel richtet.
Ist jemand Nabals Art, an Geld und Boßheit reich,
Der bleibet doch verstockt es gilt ihm alles gleich.
Kan ich die Narren nicht durch sanfte Lieder rühren,
Ey! so versuch ichs jetzt durch beissende Satyren!
Der Vorsatz ist gefaßt, die Flöthe ist gestimmt;
Was frag ich nach dem Neid, der sich schon windt und krümt.
Ich singe von der Welt und von verderbten Sitten:
Mein Satyr hat sich schon ein neues Rohr geschnitten.

            * * *

Da noch die Erde stund; die Sonn im Cirkel lief;
Da man den tapfersten zum Regiment berief;
Da Helden aus der Schlacht durch ihre Kunst im Siegen,
Den höchsten Fürsten-Stuhl, und Königs-Thron bestiegen;
Da man den Adel nicht nach sechzehn Ahnen maß,
Und den nur adlich hieß der Tugenden besaß,
Der sich nur durch sich selbst Glanz, Ehr und Ruhm erworben
Dem Vaterland zu Nutz gelebt und auch gestorben.
Da man den Würdigsten zum Landes-Vater nahm,
Ob er schon nicht vom Blut gekrönter Prinzen kam;
Da man aus Liebe nur zu solcher Zeit die Bräute,
Nicht aber nach Geburt und Tonnen Goldes freyte;
Da mancher Fürst im Thor und im Gerichte saß,
Die Klagen selbst vernahm, und erst das Urtheil laß
Eh er es unterschrieb; da Fürsten das genossen,
Was sie durch Fleiß gezeugt, und durch die Faust geschossen;
Da eine Gasterey aus Honig, Wein und Bier,
Aus einem guten Kalb, nebst einem fetten Stier
Und Kuchenwerck bestund; da man noch Fürsten Frauen
Bey ihrer Mägde Fleiß und Arbeit konte schauen;
Da man wie Jacob dort wohl ganzer vierzehn Jahr
Um eine Braut gedient, die schön und häußlich war.
Da man mit Eyden nicht als wie mit Blumen spielte;
Und was man zugesagt, bey Treu und Glauben hielte;
Da noch die Tapferkeit in Thiere Häute kroch,
Und man im Felde nicht nach Mehl und Biesam roch;
Da man ein schlechtes Kleid statt seidner Stofe führte,
Und ein gestickter Rock nur Königs-Kinder zierte,
Da war noch gute Zeit; da blühte Volk und Staat;
Da fand der Landmann Trost; da fand der Bürger Rath,
Und jeder Schutz und Recht; da dürfte man nicht klagen,
Daß die Gerechtigkeit zu Grabe sey getragen.
Kein Reicher ward geprest, kein Landmann arm gemacht,
Die Waysen wurden nicht um Geld und Guth gebracht.
Da gieng die Redlichkeit durchaus in vollem Schwange?
Weil Mein und Dein noch nicht die nächsten Freunde drange.
Da ward der Eltern Schweiß nicht freventlich verpraßt;
Verschwendung war so sehr als wie der Geitz verhaßt;
Da pflegte man sich noch in reine Keuschheits-Seiden,
Und nicht in Wollusts-Schmuck und Hoffart einzukleiden.
Ein jeder hatte sich nach seinem Stand geschmückt.

Da aber nach der Zeit der Thier-Kreiß sich verrückt,
Und ein Copernicus den Erd-Ball umgedrehet,
Daß nun derselbe lauft, die Sonne stille stehet;
So hält die Tugend auch im Lauf gar öfters ein,
Es scheint der Menschen Thun ganz umgekehrt zu seyn.
Jetzt zeigt die Demuth nicht die schönen alten Proben.
Die Sitten sind verderbt, wer will die Zeiten loben?

            * * *

Der Seelen Wandelung wird niemand Glauben geben.
Warum? Wir wissen jetzt von einem andern Leben.
Inzwischen sieht man doch daß Ahabs schnöder Geist,
Mit samt der Jesabel sich noch auf Erden weist.
Ich dächt, es sässe ja dort am Regierungs-Ruder
So mancher ungerecht und böser Ahabs Bruder,
Der nach des Nächsten Haus, Gut, Feld und Garten tracht,
Und täglich sorgt und sinnt, wie er es klüglich macht,
Daß er durch armen Schweiß mit einem Schein der Rechte
Sein Haus noch grösser bau, sein Gut verstärken möchte.
Hier dürst er geitziglich nach einem Reben-Berg;
Dort nach dem schönen Stück von Feld und Gartenwerk.
Hier macht er auch so gar nach Hunden, Vieh und Pferden
Die eigennützigsten und gräulichsten Geberden.
Da fällt ihm wiederum der Vögel Stimm und Zier,
Hier Flinten und Gewehr zum Augenmerke für.
Kurz, was er hört und sieht, das will und muß er haben,
Und solt er sichtbarlich damit zur Hölle traben.
Sein Geitz und Eigennutz, sein Neid, Stolz und Betrug
Macht den verruchten Geist durch krumme Ränke klug;
Doch weil ein böser Geist die Einsamkeit verfluchet,
Und sieben Stärkre noch zur treuen Freundschaft suchet.
So wehlt er sich zum Trost, zum Rath und Hülf-Gesell
Der Tugend Mörderin, die freche Jesabel.
Da muß die Themis fort; das Recht wird unterdrücket,
Und auf des Nächsten Halß der Boßheit Schwerd gezücket;
Da wird des Bürgers Gut um Spott-Geld feil gemacht;
Da heists: verkaufs doch dem, der Strafe, Recht und Macht
In seinen Händen hat; er kan euch wieder schaden,
O! setzt euch doch vielmehr bey ihm in Gunst und Gnaden.
Spricht denn der arme Mann: Der Reiche hat sein Brod,
Dieß aber dienet mir zu meiner Leibes-Noth;
Dieß ist das einzige, woran ich mich erfreue;
Sein Haus ist groß genug zur Wohnung, Stall und Streue.
Mein Häusgen ist zwar schlecht, doch liegt es mir bequem,
Weil ich von diesem Ort die meiste Nahrung nehm,
Drum ist es mir nicht feil. Da lodert denn das Feuer
Aus seiner Asch herfür; da tobt das Ungeheuer,
Da raßt die Höllen-Brut, und saget ohne Scheu:
Daß dieß ein troziger und böser Bürger sey.
Da kränkt, da drückt man ihn; daß er sich soll vergehen,
Da sucht man Sylb und Wort mit Vorsatz zu verdrehen.
Da bürdet man ihm auf, er hab der Obrigkeit
Geflucht, und ihr mit Gott und seinem Zorn gedräut.
Da heists, man straf ihn nur an Leib und Gut und Ehre,
Und wenns auch wider Gott und alle Rechte wäre.
Die Warheit wird verlacht, die Unschuld ausgehöhnt,
Und die Gerechtigkeit mit Schimpf und Spott gekrönt.
Das Evangelium mag hin und her gebiethen,
So sucht doch Jesabel und Ahab fort zu wüthen.
Da wird der arme Mann mit List, Gewalt und Macht
Um Haus und Feld und Vieh, und was er hat, gebracht.

Heist dieß das Richter-Amt an Gottes statt verwalten?
Heist diß den Unterthan bey Freyheit zu erhalten?
Es sollen Väter seyn, durch die sich jeder nehrt;
Ja Räuber, deren Wuth der Armen Schweiß verzehrt.

Wenn edle Geister sich durch Pulver oder Schriften,
Durch Großmuth, Fleiß und Witz ein ewig Denkmaal stiften:
So wünscht ihr auch ein Maal damit man von euch spricht.
Doch weil euch Geist, Vernunft und Trieb darzu gebricht,
Weil euch der Weg zu schwer; so tragen Ahabs Hände
Des Nahmens schnöden Ruf biß an der Erden Ende.
O Ruf! O Nahmens-Maal! das zwar nicht untersinkt;
Das aber nur nach Schand und nach der Hölle stinkt.
O Ruf! der euch ein Maal, ein Brandmaal ins Gewissen
Und Schandfleck ins Gesicht geritzet und gebissen.
So tobt, so raßt die Welt, so stirbet die Vernunft;
So lebt die Laster-Brut; so blüht der Thoren Zunft.

            * * *

Ach! die Gerechtigkeit steht in verhaßten Orden,
Und ist jetzt leider! fast zur Exulantin worden.
Die Boßheit und der Geitz, der Laster schnaubend Heer
Treib sie aus ihrem Reich; und klagt sie noch so sehr,
So sind die Ohren taub. Mit ihren frommen Minen,
Muß sie der tollen Welt zum Hohn-Gelächter dienen.
Wie jämmerlich siehts doch um ihr geheiligt Haus,
Um ihren Richterstuhl und Schwerd und Wage aus.

Den Brief, den der Prophet am Himmel sahe fliegen,
Nach welchem Diebstahl, Mord, und Meineid und Betrügen
Vor from gesprochen ward, der ist anjetzt das Geld,
Wodurch man Frömmigkeit und alles Recht erhält.
Geld hat schon hier und da die Oberhand genommen;
Nur durch der Berge Mark kan man zum Rechte kommen;
Durchbrich das Mauerwerk und stiehl wie Nickel List.
Wenn du nur reich an Raub und alten Thalern bist,
So fürchte dich nur nicht vor Bande, Strick und Ketten,
Geld kan vom Staupenschlag, ja gar vom Galgen retten.
Und bist du wieder loß, so stiehl behertzt aufs neu,
Gedencke, daß dieß Gut vor böse Richter sey.
Allein hast du kein Geld die Richter zu verblenden,
Und deinem Advocat ein Wildpret zuzusenden;
So halte Ruth und Strick nur Hals und Rücken hin,
Und wär dein Diebstahl auch vom schlechtesten Gewinn;
Hast du gleich Joabs Schwerd auf Abners Brust gezücket
Und deinen Gegenpart in Plutons Reich geschicket,
So geh und stelle nur verlangte Caution,
Gieb denen Richtern Geld, so kömst du bald davon.
Hast du die Eh befleckt, den Glaubiger betrogen;
Dem Nachbar Wieß und Feld durch Falschheit abgelogen;
Des Nächsten Unschulds-Kleid und guten Ruf verletzt,
Und der Beträngten Pfand, das man bey dir versetzt,
Mit List an dich gebracht: So darfst du nicht verzagen,
Man mag dich noch so sehr in dem Gericht verklagen.
Bemühe dich nur bald um einen Advocat,
Der ein Gewissen so wie Priester-Ermel hat,
Den Hader, Eigennutz und Zank so hoch vergnüget,
Als einen Kriegesmann der was zu plündern krieget,
Und dessen Herz voll Trotz, das Haupt voll arger List,
Die Seele voll Betrug, und frecher Boßheit ist,
Der sieben Zeilen nur auf eine Seite schreibet,
Und seine Schriften stets auf zwanzig Bogen treibet.
Der so viel Kosten macht als der Proceß begehrt,
Und ihn so boßhaft dreht, daß er viel Jahre wehrt.
Dem füll die krumme Hand mit Ophirs güldnen Schätzen,
So wird er bald das Recht der Gegen-Part verletzen;
Nimm selbst den Advocat von deinem Gegner ein;
Schenk ihm ein Stück zum Kleid, ein stark und fettes Schwein;
Ein Faß voll Rebensaft, und andre schöne Sachen,
So wirst du ihn schon mild, und dir gewogen machen.
Geh auch zum Richter hin, und fülle ihm die Hand
Mit wilden Männern an, mit Gold aus Ungerland.
Und weigert er sich ja; so gieb es seinem Weibe,
Bring ihr ein Stück Damast und Sammtes Zeug zum Leibe,
Band, Spitzen, Leinewand, und Peltz zum Unterkleid,
Füll Stall und Küche aus; so kriegst du immer Zeit.
Der Advocat hälts auf, der Richter wirds verziehen,
Dein Gegner mag sich gleich auch noch so sehr bemühen
Den letzten Spruch zu sehn. Ja wenn er sich beschwehrt,
Des Zahlens müde wird, und endlich Recht begehrt,
Da heists: Ihr habt kein Recht: Wer Geld giebt der gewinnet.
Des Frommen Angesicht, das voller Thränen rinnet,
Wird jetzt nicht mehr geacht; der Witwen Klag-Geschrey,
Der Waysen heisses Flehn steht man durchs Recht nicht bey.

Verfluchte Gottesfurcht! verdammtes Christen-Leben!
Heist dieß dem Recht sein Recht nach Gottes Vorschrift geben?
O! sollen dieses wohl der Armen Väter seyn?
O! möchte nicht das Recht zu Gott um Rache schreyn?
Bey Heyden wird man kaum dergleichen That und Sünden,
So wenig Gottesfurcht, als unter Christen finden.

O groser Samuel! bleib ja in deiner Gruft,
Steh nicht von Todten auf; komm nicht in deutsche Luft.
Man würde sonst dein Amt und richterlich Verwalten
Vor dumm, vor abgeschmackt, vor kahl und thörigt halten.
Du hast ja, wie bekannt zu Israel gesagt:
Kommt her! Wer wieder mich und meinen Richtstab klagt!
Kommt! sagt mir, ob ich euch in meinem Amt betrogen?
Ob ich Geschenk geliebt; das Gut an mich gezogen?
Wem ich das Recht gebeugt, der zeuge wider mich!
O! diese Reden sind anjetzt zu lächerlich:
Der Hochmuth wächst und steigt, der Geitz hat zugenommen.
Wie würde man denn sonst zu solchen Reichthum kommen?

O! gieng der Heyland jetzt von neuen auf die Welt,
Und spräch: Wer unter euch nichts von Geschenken hält,
Und davon freyer ist als dort die Pharisäer
Von Sünd und Ehebruch, der komm und trete näher,
Ihr andern weicht von mir! wie viele würden fliehn,
Und sich beschämt und stumm mit Furcht zurücke ziehn.

Solt Alexander jetzt wie ehemals geschehen,
In ganz verstellter Tracht auf manches Richthaus gehen,2
Er träffe warlich nicht dergleichen Männer an,
Die also handelten wie jener Mund gethan,
Die Richter würden nicht den Schatz zurücke weisen,
Da sie ihn heut zu Tag begierig zu sich reisen.
Solt jetzt Cambyses wohl dem Richter, der das Recht
Des Geldes wegen beugt, der Freundschaft wegen schwächt,
Die Haut vom Leibe ziehn und an den Richtstuhl nageln,3
Wie grausam würde man auf solche Strafe hageln?
Wie mancher Richter-Sitz, den man jetzt prächtig schaut,
Bekäm an statt des Schmucks wohl mehr als eine Haut.
Erforschte mancher Fürst4 zugleich die Advocaten,
O! so bekäm gewiß der Hencker manchen Braten.
Es würde mancher Baum zum Galgen abgehackt
Und manches Glied vom Leib mit Eisen abgezwackt,
Hingegen aber auch (was wünscht man mehr auf Erden?)
Recht und Gerechtigkeit nicht leicht gequälet werden.
Wo sieht man, daß der Herr jetzt im Gerichte wohnt?
Daß man die Frevler straft, die Unschuld aber schohnt,
Und den Regenten-Stab mit Tugend unterstützet,
Mit rechtlich kluger Hand die Acten-Feder schnitzet?

            * * *

Wie glücklich ist ein Mensch der stets das Ohr verstopft,
Wenn gleich die Tugend kömmt und thränend klagt und klopft.
Wie wohl, wie wohl ist dem, der stille sitzt und schweiget,
Wenn dort ein wüster Kopf die Ehren-Bahn besteiget.
Ein zugeschloßenes Ohr, ein zugehüllt Gesicht,
Und einen Mund der nichts als Ja zu allen spricht,
Ein Auge voller List erfordern unsre Zeiten,
Wer so nicht leben kan der wird nicht viel bedeuten.

Doch nein! mein Eifer brennt, er ist gerecht und gut.
Wer nur die Laster schilt, wer nur die tolle Brut
Bey ihren Nahmen nennt, und vor den Spiegel stellet,
Der kämpft wie ein Soldat der tolle Feinde fället,
Und kriegt ein gleiches Lob, von der noch guten Welt,
Die nach der Tugend greift, und noch auf Wohlstand hält.

Was vor ein heiser Schmertz hat meine Brust befallen!
Der Adern rothe Saft fängt kochend an zu wallen:
Mein Herz bebt wie ein Blat, mein Geist entsezt sich ganz,
Wenn ich die alte Zeit mit ihrem Werth und Glanz,
Und unsre Zeiten seh. Wo ist der Römer Zierde,
Ernst, Einsicht, Tugend, Recht und löbliche Begierde
Nach guten Sitten hin? wodurch bestand ihr Flor?
Sie zog nicht Geld und Stand der Kunst und Tugend vor.
Wer vor das Vaterland beherzt und klug gestritten;
Wer sich verdient gemacht, Vernunft und guten Sitten
Begierig nachgestrebt; wer klug und redlich war,
Den sezte man ins Amt und zu der Väter Schaar.
Jezt scheint der Tugend-Licht sich gleichsam zu verdunkeln:
Sie kan, O Finsterniß! nicht mehr wie ehmahls funkeln.
Carthago schimpft sich noch. Denn sie vergab ums Geld
Amt, Ehre, Stand und Dienst; was thut denn unsre Welt?

Wie thörigt würde doch dein Rath o Jethro! klingen,
Wenn du wie ehemals den Vortrag woltest bringen:
Sezt diese, diese nur in Amt und Dienste ein
Die klug, gerecht und fromm, warhaft und redlich seyn,
Ja, die den schnöden Geiz von Grund der Seele hassen:
Man würde dir gewiß ein Liedgen singen lassen,
Das dir sehr schlecht gefiel. Es hieß: der Mann ist toll,
Er weiß noch nicht einmahl wie man recht leben soll.

Die Zeit ist nicht mehr hier, die ehedem gewesen,
Denn was wir hier und da in alten Büchern lesen,
Das geht bey uns nicht an. Die Zeiten sind jezt neu,
Da man nicht lange fragt, ob jemand würdig sey.
Wer in der Auction der Aemter wacker biethet;
Die Stimmen um das Mark der tiefen Klüfte miethet,
Der steiget schnell empor, und wird ein Licht der Stadt,
So wenig er auch sonst an Witz und Tugend hat.
So wenig er erlernt, wie man den Richt-Stuhl zieren,
Und was man wissen muß, ein Amt gerecht zu führen.

So geht es, leider! her. Allein was folgt darauf?
Dem Miethling ist nunmehr die Themis selbst zu kauf;
Sein drangewandtes Geld läßt ihn nicht ruhig schlafen,
Er trachtet Tag und Nacht, wie er es von den Schaafen
Mit Vortheil wieder zieht. Da sinnt er auf Betrug,
Setzt viele Sporteln an, und andre Kosten gnug,
Da wird der Neben-Christ, der Unterthan gedrücket,
So gut sichs nach der Zeit und seinem Anschlag schicket.

Wem aber nicht das Glück die Börse schwer gemacht,
Der wird durch Kupplerey zu Amt und Stand gebracht,
Er schleicht sich voller List und Schmeicheley nach Hofe,
Und nimmt die abgeküßt und sonst beliebte Zofe
Zum lieben Ehgemahl. Da wird er denn ein Mann
Der wacker und galant und herrlich leben kan.
Ey seht? Wer wolte nicht durch schöner Frauen Schürzen
Sein Glück und Ehre baun, und seine Noth verkürzen!
Ihr Männer! tretet auf! trotzt! raubt uns diesen Ruhm!
Ist nicht die Zwingungs-Kraft der Weiber Eigenthum?
Die Stärcke ihrer Hand, die Artigkeit der Minen,
Und der beredte Mund muß euch zur Würde dienen.
Man hat den alten Brauch nunmehro abgethan,
Da bloß der Mann durch sich zum Manne werden kan.
Durch Weiber müssen jetzt die Männer Männer werden:
Durch Weiber werden jetzt auch Hirten über Heerden.

Ich tadle dieses nicht, daß sich ein Mann bemüht,
Und bey dem Ehverband auf seine Wohlfahrt sieht,
Ein kluger muß ein Schmidt von seinem Glücke heisen.
Dieß kan er nirgends ehr als bey der Heyrath weisen,
Wenn er durch Fleiß und Witz, Treu, Tugend und Verstand,
Der Eltern Lieb und Gunst, der Gönner holde Hand
Und Herze zu sich zieht, und solch ein Weib erlanget,
Das nebst dem Reichthum auch mit schöner Tugend pranget.
Dieß ist der Vorsicht-Schluß, dieß ist der Wächter Rath,
Wenn Moses, den die Furcht und Angst vertrieben hat,
Durch seiner Tugend Glanz sein Glück bey Jethro gründet,
Und Mahlon Glück und Wohl bey Moabs Töchtern findet,
Wenn Jacob, der den Grimm des Esaus fliehen muß,
Und in entfernter Luft durch Gottes weisen Schluß
Sein Glücke suchen soll, der Rahel Herz gewinnet,
Und Labans Gunst erhält, weil er auf Mittel sinnet,
Wodurch der Segen sich in seiner Arbeit mehrt,
So, daß ihn jedermann deswegen liebt und ehrt.
Wenn Saul des Davids Glück und Treu und Dienst betrachtet,
Und Michal ihm zur Braut zu geben würdig achtet,
Diß kömmt vom Sternen-Pol und von der Allmacht her.
So fördert keusche Lieb Glück, Wohlstand, Ruhm und Ehr.

Wenn aber sich ein Mann nach Frauen-Lippen sehnet,
Die schon ein geiler Mund beflecket und verwehnet;
Wenn er die Delila so hoch als Sara schätzt,
Und sich recht wissentlich in Hanrey-Orden setzt,
Um nur der Fürsten Gunst und Liebe zu erlangen,
Und als ein Herr und Mann in Amt und Dienst zu prangen
Der muß schier fällt mir gleich das alte Sprichwort ein;
Ein rechter braver Kerl, ja wohl noch sonst was seyn.

Doch warum ärgert euch, die Heyrath frecher Dirnen?
Was, soll ich über euch ihr Venus-Nympfen zürnen?
Nahm doch Hosea dort, der ein Prophete war,
Zu seiner Frau ein Weib aus frecher Huren-Schaar.
Wer kan es wohl mit Recht den Dürftigen verdencken,
Wenn sie aus Geld-Begier ihr Herz der Dina schenken?

Wer hat bey Fürsten Glück? wer baut sein Ehren-Haus
Bey Göttern dieser Welt? vieleicht wer frey heraus
Und nach der Redlichkeit die rechte Art beschreibet,
Nach welcher Volk und Land am ersten glücklich bleibet;
Nach welcher sich ein Herr den Thron im Herzen baut;
Daß man ihn Freudenvoll und nicht mit Zittern schaut;
Daß dieß ein Titus sey der voller Huld regieret,
Sein Amt dem Argus gleich auch schlummrend wachsam führet.
Der für gemeine Ruh gleich als ein Pharus brennt;
Der keine Schmeicheley; nur bloß die Warheit kennt;
Der treue Diener nicht wie Sigismund5 belohnet;
Der zwar die Boßheit straft; der Unschuld aber schonet;
Ja der wie Salomon der Weisheit sich ergiebt,
Und solche höher noch als Ehr und Reichthum liebt.
Was meint ihr: solte wohl ein Mann von solchen Wesen
Und solcher Redlichkeit sein Glück am Hofe lesen?
An manchen glaub ich wohl; doch möchten wenig seyn
Die dieß beherzigten. Der schnöde Heuchel-Schein
Hat meist die Oberhand, biß Artaxerxen träumet,
Er hab an Esters Freund die Dankbarkeit versäumet.
Indessen steigt doch fast nur Hamans Brut empor,
Wer sich in Fuchs-Pelz hüllt, und mit der Schmeichler Flor
Das Angesicht bedeckt, der darf nach Hofe kommen,
Und wird noch desto ehr zum Diener angenommen,
Wenn er Projecte macht, wodurch man Geld gewinnt;
Wie man auf Aecker, Haus, auf Nahrung, Pferd und Rind
Und Dienste Gaben legt, die vormahls nicht gewesen,
Von welchen sonst kein Wort im Freyheits-Brief zu lesen;
Wie man die Bürgerschaft mit Zoll, Accieß beschwert,
Und ihnen mit Manier den Beutel folgends leert.

Doch seht! ihr brüstet euch und gebt mir zu verstehen,
Es fordre grosen Witz mit Prinzen umzugehen,
Man müsse jederzeit aus Ehrfurcht, Lieb und Treu
Auf ihr Intresse sehn, daß dieß in Wachsthum sey.
Gar recht: Bedenkt auch nur fein allzeit das Gewissen;
Ihr dürft es leicht versehn, so trit man euch mit Füssen;
Vom Feuer und vom Licht bleibt schlaue Klugheit fern,
Denn wer zu nahe kömmt derselbe brennt sich gern.

Ihr Thoren! die ihr euch so gern in Fuchs-Peltz kleidet
Wie kömmt es, daß ihr nicht die glatten Worte meidet?
Ist wohl ein Fuchs so dumm, daß er sich dahin hält,
Wo man vor kurzer Zeit den Cammerad geprellt?
List, Schmeicheln, Eigennutz, Verrähterey und Lügen
Die dauren kurze Zeit, es kan sich leichte fügen,
Daß sich das Blätgen kehrt; sehr selten findet man,
Daß einer sich dadurch im Glück erhalten kan,
Weil grosser Herren Gunst gar bald wie Schnee zergehet,
Da nach dem heisen Strahl ein Regen-Guß entstehet.
Die Unbeständigkeit findt stets bey Höfen Raum;
Der Fürsten Gnad und Huld ist meist ein süsser Traum.
Die Frucht, die jähling reift, die Blume die bald blühet,
Fällt desto eher ab, wie man ja täglich siehet.
Je schnell, je höher man bey grosen Herren steigt,
Je näher ist das Glück zu seinem Fall geneigt.
Wie öfters sinken nicht die grösten Favoriten!
Erst herrschten sie im Schloß; jetzt darben sie in Hütten.

Ihr Thoren! die ihr euch nach Herren Gnade dringt,
Und sie durch mancherley Betrug und List erzwingt,
Wenn gleich der Bürger seufzt, und euch im Herzen hasset,
Was ist es daß ihr euch auf ihre Gunst verlasset?
Sie währet doch nicht lang; kömmt endlich euer Fall
So ist kein Freund nicht da, so ruft man überall:
Triumph! der Haman liegt, der Land und Bürgern fluchte,
Und ihren Schaden nur durch seine Ränke suchte.
Man diene seinem Herrn als ein getreuer Mann,
Das heist weit klüglicher gehandelt und gethan,
Drück aber nicht das Volk, und sey nicht stolz im Glücke,
So kriegt man doch beym Fall noch Mitleids-volle Blicke:
Da jener, welcher nur den Unterthan geplagt,
Und ausgesogen hat, warhaftig nicht beklagt,
Und nur verspottet wird; wer Herren Gnade trauet,
Der hat sein Haus und Glück auf leichten Sand gebauet;
Der schwebt wie auf dem Meer, da bald ein Sturm entsteht,
Wodurch Glück, Hofnung, Trost und Leben untergeht.

Ein andrer Weg ist noch (wenn sonst nichts mehr zu hoffen,
Und Treu und Tugend weg) zum Amt und Ehre offen.
Verläugne deinen Gott und die Religion,
So trägest du ein Amt und manch Geschenk davon.

Ist das die schöne Bahn zur Ehren-Burg zu steigen?
Wie will ein solcher sich gerecht und treu bezeigen?
Folgt nicht hieraus der Schluß: Wer Gott nicht Glauben hält,
Und ihn verschwört und teuscht, der wird gewiß der Welt,
Dem Nächsten und dem Land wohl schwerlich treu verbleiben,
Und sein vertrautes Amt gewissenhaftig treiben.

            * * *

Wie glücklich warst du doch berühmtes Griechenland!
In deinem grösten Glanz; ich meine, da dein Stand
In Flor und Freyheit war; da man die Arbeit liebte;
Da deine Jugend sich in Ritterspielen übte;
Da man den Lorbeer-Zweig durch Kunst und Fleiß erwarb,
Und wie man erst gelebt, so auch mit Ehren starb.
Du warest ohne Geld und Stand berühmt und weise,
Die Tugend ward belohnt; nach klug-vergoßnem Schweise
Ward jeden nach Verdienst der Ehren-Kranz gebracht,
Und also durch sich selbst die Bahn des Glücks gemacht.

Wo sind die Zeiten hin, da die Gymnosophisten
Die Jugend eher nicht mit Kost und Lob begrüsten,
Als biß ein jeder sprach: Dieß hab ich heut gethan;
Ich habe nach Befehl der edlen Tugend Bahn
Mit Ernste nachgefolgt; dieß hab ich aufgeschrieben,
Worzu die Weisheit mich mit Nachdruck angetrieben.
Dieß hat mein reger Fleiß und Witz hervor gesucht;
Dieß ist von meinem Geist und Einsicht eine Frucht?
Wo ist der Parther Brauch? der meistens dahin gienge,
Daß nie ein fauler Mensch den Unterhalt empfienge.
Wie ändert sich die Zucht? Wie ändert sich die Zeit?
Jetzt wird der dümste Kopf mit Ehr und Schmuck erfreut.
Vergebens ist es jetzt, daß man die Tugend liebet,
Vergebens, daß man sich in Wissenschaften übet,
Vergeblich, daß man Tag und Nacht bey Büchern schwitzt,
Umsonst, daß man den Kiel zu klugen Schriften schnitzt.
Geld macht jetzt tugendhaft, gelehrt, geschickt und weise:
Ein reiches Stutzergen kan mehr als alte Greise,
Verstand, Gelehrsamkeit, Witz, Ansehn und Vernunft,
Ring, Hut, ja gar ein Platz in der gelehrten Zunft,
Ist jetzt so gut als Obst um baares Geld zu haben.
Geld; nicht die Wissenschaft, sind jetzt die besten Gaben.
Geht ins gelehrte Haus, und ins Collegium,
Beseht den Candidat, ob solcher nicht so stumm
Wie der Catheder ist? Man wird ja sonder Grämen,
Sich als ein Stoicus zwey Stunden können schämen.
Wie viele giebt es nicht, die klug und weise sind,
Ob man bey ihnen gleich sehr wenig Suadam findt;
Muß nicht die Theorie der güldnen Praxi weichen?
So kan ein Doctorand der Weisheit Grund erreichen,
Und doch kein Redner seyn. Zudem, was ist es dann
Wenn schon der Candidat nicht wohl bestehen kan,
Und öfters stille schweigt? Hat man doch sonst vernommen,
Daß grose Redner nicht in Reden fortgekommen.
Auch selbst Demosthenem erschreckt der Gegenstand.
Ein Haupt das Kronen trägt, der Scepter in der Hand,
Der Strahl der Majestät macht kluge Redner blöde.
Allein vor wem erschrickt fast mitten in der Rede
Der neue Doctorand? ha! ha! jetzt fällt mirs ein,
Es wird ein tiefer Satz vom Opponenten seyn,
Den er sich nicht versehn. Der Vorwurf ist zu wichtig,
Die Schlüsse überhaupt sind bündig, gut und richtig;
Dieß giebt nun seiner Brust den härtsten Donnerstreich,
Dieß macht, daß auch sein Herz als wie ein Wachs so weich,
Die Zunge starrend wird. Die Angst wird immer stärker,
Das Herze klopft so stark als kaum in einem Kerker
Ein Inquisite bebt, wenn sich der Opponent
Zu einen andern Satz und neuen Vortrag wendt;
Die Dissertation hat er nicht können machen,
Drum weiß er nirgend hin; da giebt es gnug zu lachen.
Indeß bekommt er doch, was seine Brust vergnügt;
Was schadets, wenn man gleich mit fremden Kälbern pflügt.
Ja, ist die Noth auch gleich aufs äuserste vorhanden,
Und scheints, als würde jetzt der Doctorand zu schanden,
Weil er nichts reden kan, so legt ein Freund sich drein,
Und sucht in dieser Angst sein Advocat zu seyn.

O du Beredsamkeit! Was fliehst du von den meisten,
Und wilst zur Zeit der Noth gar keinen Beystand leisten.
Jedoch was klag ich doch den Götter-Bothen an?
Ist nicht der Unverstand und Trägheit Schuld daran?
Wer fordert denn von dir ein spät und langes Schwatzen,
Als wolte dir der Bauch vor groser Weisheit platzen.
Sprich kurz, doch aber gut, klug, geistreich, gründlich, rein,
Beredsam, angenehm, so magst du Doctor seyn.
Kan doch ein Ackerknecht, und dummer Schäfer-Junge,
Mit seiner unberedt und öfters rauhen Zunge,
Von Schaafen, Pflug und Trift, von Aeckern, Pflanzen, Saat,
Geschickte Antwort thun, so viel er Kundschaft hat.
So wird ein Candidat doch so viel Maul besitzen,
Als ihn zur Zeit der Noth zur Ehre könte nützen.
Die schlechte Wissenschaft und nicht der Mund ist Schuld;

Die Liebe hat indeß mit Stümpern auch Gedult.
O Deutschland! glaube nicht bey Schenckung deiner Ehren,
Als ob in Welschland nur Doctores fruchtbar wären;
Du kriegst jetzt gleichen Ruhm. Nicht wahr? du sagest ja,
Dein groser Inbegrif hält manches Padua.

            * * *

Welch ein Trommeten-Thon erschallet biß an Himmel!
Wer macht ein solch Getöß und mächtiges Getümmel
Wie dorten Jacobs Fürst vor Jericho gethan?
Ey seht! ein altes Weib, und nicht ein Krieges-Mann
Erhebt ein solch Geschrey: Die Heucheley ruft heftig:
Folgt meinen Füssen nach! seyd munter und geschäftig
In meinen Dienst zu gehen! räumt mir die Herzen ein,
Und laßt von eurer Treu den Wandel Zeuge seyn.
Entschuldget euch nur nicht mit schwacher Geistes-Stärke;
Man lernet meine Kunst und meiner Hände Werke
Mit schlecht und leichter Müh. Auf! folget meinem Schritt,
Ich geb euch Geist und Kraft, Verstand und Stärke mit.
Ihr spührt in meinem Dienst nichts von Gefährlichkeiten,
Die andre Leute sonst bey ihrem Thun begleiten.
Nehmt nur die Lehren an die euch mein Mund erklärt:

Ihr Kinder! wenn vieleicht ein Herr von euch begehrt,
Dieß oder jens zu thun; die Arbeit zu vollenden,
Dieß Stück zu übergehn, und dieß zu übersenden.
So macht ein Compliment, und sprecht ganz höflich ja.
Und ist denn sonsten noch was zu erinnern da,
So zieht die Achslen nur, und sucht euch nicht zu sperren,
So baut ihr euer Glück und macht euch gnädge Herren.
Und wenn euch ja ein Wort von den Propheten droht,
So unterdrückt den Trieb, und werdet ja nicht roth;
Nehmt falsche Großmuth an, verlachet alle Schande,
So seyd ihr mit der Zeit die Herrlichsten im Lande.

Kein tapfrer General, der in dem Felde wacht,
Hat je mit solchem Glück die Herzen aufgebracht,
Als jetzt der Heucheley ihr Vorsatz ist gelungen.
Das Volk kommt Schaaren-Weiß in ihren Arm gesprungen,
Dem ungewohnten Ruf und starken Stadt-Geschrey
Fällt sonst der Pöbel nur und loß Gesindel bey,
Allein die Heucheley ist weit beglückter worden;
Von Männern von Verstand und aus berühmten Orden
Wird ihr beliebtes Reich mit aller Macht erbaut;
Ja Häupter, die man sonst vor Säulen angeschaut,
Um vor den Riß zu stehn, sind meistentheils bemühet,
In ihrem Dienst zu seyn, damit ihr Glücke blühet.

Hebt eure Augen auf, dort sitzt so mancher Mann,
Der Zung und Lippen hat, und doch nicht reden kan.
Ich glaub die Allmachts-Hand hat solche statt der Götzen
Zur wohlverdienten Zucht auf Erden lassen setzen.
Man heuchelt sich bey Hof und bey den Grösten ein,
Um nur ein Tafelgast und Tellerwisch zu seyn.
Um einen Becher-Wein, um einen Wildpret-Braten,
Und höflich Compliment verricht man Judas Thaten.
Recht, Freyheit und Gebet, Lied, Kirchhof, Schrift und Wort,
Muß ohne Zwang und Noth, nur bloß ans Heuchlen, fort.
Und wo ein Redlicher im Volke zu erblicken
Den schwärzt man schändlich an, und sucht ihn zu ersticken.
Die Glaubens-Väter sind bey der Verläumdung kühn,
Wenn sie durch Lästerung um Fuchs-Schwanz sich bemühn.

Greift dort des Gegners Mund auf Lehrstuhl und Catheder
Kirch, Wort und Lehre an, und thut was sonst ein jeder
Nach Amt und Glaubens-Pflicht zu halten schuldig ist,
So ist man nicht so sehr mit Eifer ausgerüst,
Man schweigt, und trachtet nicht mit fest und ächten Gründen
Den Gegner öffentlich geschickt zu überwinden.
Das göttliche Gesetz befiehlet uns nicht nur
Zu eifern vor das Wort; die Regel der Natur
Hat auch in unser Herz der Ehrfurcht Trieb gegraben,
Vor unsre Glaubens-Lehr Sorg, Lieb und Muth zu haben.
Ein Heyd, ein Saracen, ein Mann vom Judenthum
Sorgt, weils natürlich ist, vor seiner Kirche Ruhm
Und eifert vor die Lehr, und wir erleuchte Christen,
Die wir uns mit dem Wort und ganzen Nachtmahl brüsten,
Sind in dem Eifer kalt, und in der Liebe lau.
Wo wiederleget man der Gegner Wort genau?
Wo suchet man den Schimpf der Kirche abzulehnen?
Und denen, die da schwach, den vesten Weg zu bähnen?

Wer vor der Kirche Ruhm und Ehr und Ansehn ficht,
Braucht gar nicht, daß er frech und lästerhaftig spricht;
Mit sanfter Freundlichkeit, bescheiden und gelassen
Kan man den Gegensatz in wenig Worten fassen.
Gleich wie der Heyland spricht, das Wort soll ungemein
Und lieblich; aber auch mit Salz gewürzet seyn.
So aber schweiget man gleich wie zum Lästern stille,
Die Fehler groser Herrn erblickt man durch die Brille;
Den Reichen siehet man auch durch die Finger hin;
Denn Heuchlen bringet Gunst, Geschenke und Gewinn.

Wie hat die Heucheley den Geist so gar verblendet?
Wacht das Gewissen auf, so wird gleich eingewendet:
Red ich nach meiner Pflicht, so nimmt die Ehre ab.
Der Götter Gnade fällt, ich krieg den Wanderstab.
Ist nicht die Erde groß, wo gute Christen wohnen?
Die euch den Wanderstab mit besserm Glück belohnen?
Sagt, nennt mir einen nur, den man aus einer Stadt
Um Gottes Lehr und Ehr hinweg getrieben hat,
(O! liessen wir doch Gott in allen Stücken walten!)
Ob ihm die Vorsicht nicht ein Zoar aufbehalten?

Wer ist der, wenn man ihn an seinem Ruhm verletzt,
Sich nicht darwieder legt? Gott wird zurück gesetzt.
Vor seine Lehr und Ehr will man nicht muthig kämpfen,
Noch Feind und Lästerer mit Wort und Eifer dämpfen.

Wo werd ich hingerückt? Auf einmahl stellt sich mir
Bey hellem lichten Tag ein Saal der Helden für,
Mit Helden, die beherzt, so stark sie nur vermochten,
Vor Gottes Wort und Ehr und seinen Ruhm gefochten.

Ein jedes Helden-Bild ist künstlich abgemahlt;
Im Tode sieht mans noch wie scharf ihr Auge strahlt;
Das kurze Sinn-Gedicht läßt uns ihr heilig Wesen
Zur Schande unsrer Zeit mit güldnen Worten lesen.
Dort zeigt sich Bileam mit dieser Uberschrift:
Nicht Ehre, noch Geschenk hat meinen Geist vergift!
Ich habe Israel um kein Geschenk verfluchet,
Wo ist ein Seher jetzt der mir zu folgen suchet?
Da steht bey Pinehas: Der Eifer trieb mich an,
Daß mein erhitztes Schwerd den gröst und reichsten Mann
In Sünden nicht geschont, und seinen Hals zerbrochen,
Und meines Gottes Ehr nach Priester Pflicht gerochen.
Bey David ließt man dieß: Der Eifer vor dein Haus
Mein Gott, gieng eher nicht als mit dem Leben aus.
Elias führt die Schrift: Ich hab vor Gott gestritten,
Und Haß, Verfolgung, Neid deßhalb getrost erlitten.
Dort steht bey Amoz Sohn: Ich strafte groß und klein,
Damit mein Hirten-Amt Gott möcht gefällig seyn.
Bey Jeremia heists: dem König und dem Knechte
Erklärt ich ohne Furcht des Höchsten Wort und Rechte,
Und scheute weder Fluch, Verfolgung, Band noch Hohn.
Gott gab mir auch hiervor das Himmelreich zum Lohn.
Dort steht bey Daniel: Gott ist ein Gott der Götter,
Den ruft ich brünstig an, der ward auch mein Erretter.
Nicht Gold, noch Herrlichkeit nahm mich zum Abfall ein.
Jezt würd ich wohl ein Narr genennet worden seyn.
Johannes Schrift heist so: Ich ließ mich ehr ermorden,
Eh ich am Fürsten-Hof ein Heuchler wär geworden.
Bey Paulo leß ich dieß: Ich floh die Heucheley,
Was Felix wissen muß, das sagt ich ohne Scheu.
Ich habe Hohn und Spott, Verfolgung und Verjagen
Um JEsu Wort und Lehr mit Freudigkeit getragen.

Hiermit verschwand der Saal mit allen Bilderwerk,
Und ließ mir diese Schrift zum lezten Augenmerk:
Der Helden Ehren-Bild wird in der Schrift gefunden,
Auf Erden ist ihr Geist und Bild, schon längst verschwunden.

Schweigt, schweigt ihr Physici, ich glaub euch nun nicht mehr,
Daß nur der Basilisk in wüsten Höhlen wär,
Man könte nirgends sonst die sehr verschmizte Schlangen,
Als nur in düstern Wald und Felsen-Ritzen fangen.
Das Paradieß hat sie so gut herfür gebracht,
Als wie das Tauben-Paar aus dem die Unschuld lacht.
Und ob sie Gott auch gleich aus solchem Ort vertrieben;
So ist sie dennoch stets am schönsten Ort geblieben.
Der Schooß Germaniens, das deutsche Herz und Blut,
Ist jezt ihr Aufenthalt, alwo sie sicher ruht.
Sie hat sich an der Brust der Menschen umgeschlungen,
Daß auch ihr starker Gift durch Fleisch und Blut gedrungen.

Mir schaudert jezt die Haut, daß ich sie nennen soll,
Wie ist doch unsre Zeit von den Verläumdern voll?
Wo ist dein alter Ruhm o Deutschland! hingekommen?
Hat die Verläumdung dir den alten Glanz benommen?
Man sah der Klugen Ruhm vordem nicht neidisch an;
Man ehrt und liebte den, der sich hervor gethan,
Und vor das Vaterland gerahten und gestritten,
Frost, Hunger, Schläg und Durst und Pestilenz erlitten.
Zog einer im Triumph mit Sieges-Reisern ein,
So muste Blumenwerk sein schönster Zierath seyn,
Mit diesen suchte man die Helden zu verehren:
Ein jeder ließ darbey ein muntres Jauchzen hören.
Wer nach der Bürger Flor gerungen und gestrebt,
Und als ein Biedermann o schöner Ruhm! gelebt,
Die Wissenschaft geliebt, den Künsten nach gerungen,
Und sich mit freyem Geist vom Pöbel aufgeschwungen,
Dem war der Adel hold, der Bürger liebte ihn,
Der Nachtbar sah sein Haus mit vielen Freuden blühn.
Dem, welcher hier zu Glück und zu Vermögen kommen,
Hat das Verläumdungs-Gift an Seegen nichts benommen.
Der Greisen Ehren-Kleid ward nicht durch Schaum befleckt,
Den der Verläumdungs-Mund aus seinem Halse streckt.
Der Jugend Tugend-Rock, der Weisheit güldne Spangen
Besudelte kein Koth. Fließt Thränen von den Wangen!
Weicht alte Tugenden, und geht in Trauer-Flor,
Mit kläglichem Gesang zu dieser Zeit hervor.
Vieleicht wird unsre Zeit dadurch einmahl gerühret,
Daß sie nach eurem Schmuck auch ein Verlangen spühret.

Doch nein! es ist umsonst! die Welt verlacht euch nur;
Sie nimmt die Birke schon und peitscht euch aus der Flur.
Hinweg! hinweg! mit euch! schreyt die Verläumdung immer.
Mit Freuden mach ich stets der Menschen Herzen schlimmer.
Der Greiß, den Schlaf und Haupt mit Silber-Farbe deckt,
Von dem man glaubt und meint, daß Tugend in ihm steckt,
Daß er aus Redlichkeit der Lügen widerstrebe,
Damit er jederman ein schön Exempel gebe.
Der raßt von Neid und Haß; speyt auf des Nächsten Haus,
Thun, Wandel, Ehr und Nahm Verläumdungs-Geifer aus;
Und eh sein Geifer stünd erdächt er eine Fabel.
Der Jüngling, welcher kaum das Gelbe erst vom Schnabel
Vor kurzen abgewischt; dem Ohr und Baart noch treuft,
Von dem man Anfangs meint, weil er zur Pallas läuft,
Er würde sich bemühn, der Tugend nachzuwandeln,
Der Weisheit nachzugehn, in allem klug zu handeln;
Der Rechte Gründlichkeit bedächtlich einzusehn;
Die Niederträchtigkeit des Pöbels zu verschmähn;
Den Sitten hold zu seyn; den Wohlstand zu betrachten,
Und das, was rühmlich ist im Herzen, hoch zu achten.
Dem ist, wer sieht es nicht? Haupt und Gehirn verrückt,
Die Thorheit hat bereits das gute Korn erstickt,
Weil die Verläumdung ihn aus ihrer Brust getränket,
Und da er ihr gehorcht, gedoppelt eingeschenket.
Der Tugend werden selbst viel Flecken angedicht;
Der Fleiß wird spöttiglich verhöhnet und gericht;
Die Weisheit überkleidt ein Pinsel giftger Farben;
Der Unschuld Angesicht bezeichnet man durch Narben;
Der frömmste Gottes-Mann wird nicht davon verschont,
Sein treu und ehrlich Thun wird ihm mit Gift belohnt.
Ja die Gerechtigkeit muß sich fast auf der Gassen
Von dem Verläumdungs-Zahn zur Schmach verlästern lassen.
Des Bürgers Redlichkeit; des Weisen Tugend-Bahn.
Glück, Ehre, Keuschheit, Fleiß haucht, spritzt und speyt man an.

Käm Moses jezt aufs neu von Sinai gestiegen,
Und spräch: Du solst den Freund und Nächsten nicht belügen;
Ja, käm der Heyland selbst aus seinem Himmelreich,
Und spräch: Wo ihr mich ehrt, so liebt euch unter euch,
Und was ihr selbst nicht wolt von euch gesaget haben,
Das bleibe auch in euch und eurer Brust vergraben.
Man schwiege wohl darzu mit kalten Lippen still;
Ja mancher dächte gar: ich thu doch, was ich will.

O Boßheit! solte nicht des Höchsten Zorn entbrennen?
Was die Vernunft befiehlt kan jederman erkennen,
Daß man als wie sich selbst den Nächsten lieben soll.
Wer zeigt so viel Vernunft, daß er recht Großmuths voll
Und tugendhaft erscheint; daß er des Nächsten Glücke,
Ruhm, Wohlfahrt, Weisheit, Stand und freundliches Geschicke
Mit frohen Augen sieht, und sich darbey ergetzt,
Weil ihn der Vorsicht Hand zum Seegen hat gesetzt?

Ein wahr und rühmlich Glied in Mensch- und Bürger-Orden
Vergnügt sich, wenn sein Freund und Nachbar groß geworden,
Wenn seine Wissenschaft und Fleiß den Ruhm erlangt;
Wenn er geliebet wird, wenn er in Ehren prangt.
Er lobt was Lobens werth, und sucht sich anzureitzen
Auf gleiche edle Art nach Glück und Ruhm zu geitzen.
Vor Neid, Verläumdung, Gift regt er die Ehrsucht an,
Die ihn, wie andre auch unsterblich machen kan.
Es ist ihm herzlich leid, wenn schwache Nächsten gleiten;
Er schweigt, und trachtet nicht die Fehler auszubreiten.
Er weiß, daß keiner nicht von aller Schwachheit frey,
Und er so gut als der und jener sündlich sey.

            * * *

Der Mensch das dummste Thier, schreibt Neukirchs kluger Finger.
Der Mensch das dummste Vieh? Wie? Wird sein Stand geringer?
Was? Wär sein Adel fort, und seine Menschheit weg?
Ist Klugheit und Vernunft nicht seiner Handlung Zweck?
So solt es freylich seyn; man solte sich bestreben,
Den Regeln der Vernunft gehörig nachzuleben.

O! möchte doch sein Thun vernünftig, klug und rein,
Und seinem Nahmen gleich und niemahls viehisch seyn.
Man solte jederzeit mit Werk und That beweisen,
Es sey der Mensch ein Mensch, das Vieh nur Vieh zu heisen.
Allein, wo folgt der Mensch, die schönste Creatur,
Der Allmacht Meisterstück, der Vorschrift der Natur
Und ihrem Triebe nach? vergißt er nicht sein Wesen,
Worzu ihn Anfangs doch der Schöpfer auserlesen?

Ein ungeschickter Artzt hält sonst die Augen zu,
Wenn er den Kirchhof sieht, wo er zur langen Ruh
So manchen hingeschaft. Ein andrer Mensch erweget
Die Thorheit nicht so leicht. Wenn sich der Löwe reget,
Und zornig tobt und brüllt; wenn sich der Wolf entrüst
Und das gedultge Schaaf zerreist und schnaubend frist;
Wenn sich der wilde Bär zum Würgen fertig machet;
Wenn ein entschlafner Hund durch einen Trit erwachet,
Und den mit Zorn und Grimm in seinen Fortgang stöhrt,
Den er von weiten noch in seinen Schlaf gehört;
Dieß alles sieht der Mensch, und will nicht weiter gehen,
Er bleibt als wie das Vieh auf seiner Regung stehen;
Er schämt sich leider! nicht, daß er dem Thiere gleicht,
Und ihm an Rach und Zorn nicht im geringsten weicht.

Wo ist der klügste Mensch wohl auf der Welt vollkommen?
Wo ist ein Frommer wohl der nie was unternommen;
Das ohne Tadel sey? Wo trift man einen an,
Der niemahls weil er lebt der Tugend Tort gethan?
Dieß überlegt er nicht; Er sieht des Nächsten Splitter,
Nur seinen Balken nicht. Was vor ein Ungewitter;
Was vor ein wildes Feur regt sich in seinem Geist
Wenn einer etwas thut das schwach und menschlich heist?
Wenn einer ohngefehr nicht höflich gnug erscheinet;
Wenn einer etwas sagt, das oft nicht böß gemeinet;
Ein Wort, das von dem E und A den Anfang nimmt,
Das sich ein Gassen-Kind zu seiner Wehr bestimmt,
Das muß Gelegenheit zu Zorn und Rache geben,
Da schwört man Stein und Bein der Kerl darf nicht mehr leben.

Ha! spricht ein Edelmann, das schickt sich nicht vor mich!
Ich bin ein Cavallier! es röch zu bürgerlich
Wenn ich jetzt schweigen solt. Ich bin beleidget worden!
Fort Adel räche dich! fort! du must ihn ermorden!
Jezt wezt er seinen Stahl auf seines Gegners Arm;
Jezt geht er auf ihn loß, und dringt ihn durch den Darm.
Seht! wie er so geschickt den Degen weiß zu führen.

Besteht der Adelstand vieleicht in duelliren?
Wo steht es ausgemacht, daß der ein Ritter heist,
Der sich fein viel und oft auf Blut und Leben schmeist?
Ziert dieß die Wappen aus, wenn sich zwey Degen hauen?
Ich hielt es würklich eh vor wilde Bären-Klauen.
Fällt wohl ein toller Hund den andern also an?
Hat wohl so leicht ein Wolff dem andern leids gethan?
Wo hat ein Löw also den andern aufgerieben?
Heist das was löbliches, und adliches verüben?
Räth dieses die Vernunft die uns zu Menschen macht,
Durch welche man nach Ruhm und wahrer Ehre tracht,
Daß man Leib, Seele, Blut so schnöde soll verletzen?
Giebts keine Oerter sonst den Degen abzuwetzen?
Wallt euch der Adern Saft, und wollt ihr Kühne seyn;
Habt ihr kein Sitzefleisch, rost euch der Degen ein,
So eilt wo Carl jezt kämpft, schwört Annens Sieges-Fahnen,
Da könt ihr euch den Weg zum Ehren-Tempel bahnen.
Hier zucket euren Stahl auf Gottes Feinde loß;
Da fechtet ritterlich und führet Stoß auf Stoß,
Zerbrecht der Feinde Arm, ertödtet die Tyrannen,
So tragt ihr größren Ruhm als im Duell von dannen.
Hier ist die Rosen-Bahn wo man mit Ehren ficht.
Mit Feinden kämpft aufs Blut; mit Brüdern aber nicht.
Der Türken wilder Schwarm haßt selbst dieß Unternehmen;6
Und Christen wollen sich bey solcher That nicht schämen.

Sind Hohe-Schulen wohl gestiftet und gesetzt,
Daß man daselbst so wild den scharfen Degen wetzt?
Solt dieses menschlich seyn, wenn uns ein Trunckner seegnet,
Daß man ihn voller Zorn gleich wie ein Löw begegnet,
Vernunft, Verstand und Witz und Großmuth unterdrückt,
Und mit ergrimmten Geist, Stab, Hand und Degen zückt,
Und seine Boßheit kühlt? Was schillt man die Barbaren,
Da Christen unter sich weit ärger noch verfahren.

Wo war wohl die Vernunft der Alten so verblendt,
Daß sie, von Zorn ergrimmt den Nächsten so geschändt,
Als wie die Höllen-Brut von Rach und Grimm jezt raset?
Wo hat man sich so gleich ein Schimpfwort angemaset?
Und wie anjezt geschieht, Processe draus gemacht?
Die Seele in Gefahr, die Hand ums Geld gebracht?
Soll dieses menschlich seyn; soll dieß vernünftig heisen,
Der Klugheit lezten Zahn aus seinem Mund zu reisen,
Damit die Raserey die That vollenden kan?
Aus Rache, Zorn und Grimm greift man den Nächsten an,
Man schnizt so gar den Kiel, will sonsten nichts gelingen,
Und ihn, wenns möglich wär, um Ehr und Gut zu bringen.

Wo ist die alte Zeit mit ihrer Tugend hin?
Wo hat ein Bürger jezt so einen stillen Sinn
Wie Israels Monarch und erster König hegte?
Als bey der Salbung sich der freche Pöbel regte.
Er that, als hörte er die tollen Worte nicht.
Ein Bürger unsrer Zeit schrie ihm ins Angesicht:
Ist dieses königlich? darf dieß ein Groser leiden?
Mir solte ehr ein Dolch das Herz in Stücken schneiden!
Bleib tapfrer David nur in deiner untern Welt,
Die dich zu deinem Glück in ihrem Abgrund hält.
Denn soltest du dein Reich zu unsrer Zeit verwalten,
Man würde dich gewiß vor mehr als närrisch halten.
Hof, Adel, Bürger, Knecht, Mars und Minervens Sohn
Verlachten dein Gemüth, und sprächen voller Hohn:
Er hat zur Zeit der Noth nicht Witz genug besessen,
Er hat sein Amt und sich und alle Ehr vergessen.
Soll das ein König seyn, der andre retten will,
Und hält den Simei und seinen Steinen still?
Ist das ein Kriegesmann der kühne Feinde schläget,
Der selber Schimpf und Spott von einem Knecht verträget?

O Cäsar! der du dich so Großmuths voll bezeigt,
Wenn sich dein Widerpart vor deiner Hand gebeugt.
Die Großmuth hat bey dir die Rache überwunden.
Wo wird ein Cäsars Herz zu dieser Zeit gefunden?
Jezt heists: Was Großmuth? Was? so sprach das Alterthum.
Jezt heist es: Rache her! die Ehre muß auch Ruhm
Durch ein beherztes Schwerd, und nicht durch Feigheit suchen.
Es muß gerochen seyn, da geht es an ein Fluchen.

Ich weiß zwar wohl, daß wir sehr schwach an Kräften sind,
Und daß man nicht so leicht ein stoisch Herze sind,
Das Schimpf, Gewalt und Schmach und Spott gelassen hören,
Und alles dulten kan, wenn sich die andern wehren.
Ich weiß auch, daß es schmerzt, wenn man die Tugend schilt.
Wenn man die Redlichkeit mit List und Trug vergilt,
Und auf das Ehren-Kleid der Lästrung Ströme gieset.
Nur daß aus diesem Grund doch dieser Satz nicht flieset,
Daß man die Menschlichkeit deswegen gänzlich fliehn,
Und auf den Nächsten gleich den Degen müsse ziehn.
Und denen Bestien in hitzigen Geberden,
Ja was noch schlimmer ist, im Wesen ähnlich werden.

Lebt nicht die Themis noch, die deine Klagen hört?
Durch die dir Hülf und Recht ohn Ansehn wiederfährt?
Was meinst du? kan dich nicht der Themis Arm beschützen?
Soll denn ihr Schwerd umsonst und ohne Schlagen blitzen?
Drum fasse deinen Geist, wenn hier ein Löwe brüllt;
Wenn dort ein toller Hund in seiner Hütte billt;
So macht es König Saul, da er zum Thron gekommen;
Er that, als hätt er nicht die Lästerung vernommen.
Auch David hielt sich still da Simei so scharf
Um sein gesalbtes Haupt die Läster-Steine warf.
Verfluch, verwünsche nicht; du kanst den Fluch erlangen,
Denn eines jeden Werk wird seinen Lohn empfangen.

Kans ja nicht anders seyn, so wehr dich mit Verstand.
Laß allzeit der Vernunft in dir die Oberhand;
Glaub nicht so leicht, verzeih, und deut nicht alles böse;
Zeig deine Großmuth stets in ihrer wahren Gröse.
Begegne nicht dem Feind mit gleicher Bitterkeit;
Begegne ihm vielmehr mit viel Bescheidenheit,
Warn ihn vor Feind und Fall, befördre sein Gewerbe,
Ja sorge, daß er nicht etwann durch dich verderbe.
Vielleicht beschämet ihn dein schön und edles Thun,
Vielleicht läßt er dich denn hinfort in Frieden ruhn.
So hast du dich besiegt und auch den Feind bezwungen,
Und kriegst noch größren Ruhm als der, so viel errungen.
Gelingt dirs aber nicht; mehrt seine Boßheit sich;
So bleibe dennoch fest und unveränderlich,
Die Großmuth macht zuletzt der Feinde Säbel müde,
So wirst du dann vergnügt und lebst in stetem Friede.

            * * *

Der Höchste sey gelobt! sang Davids froher Mund:
Mein tapfrer Jonathan schliest mit mir einen Bund,
Der über alles Glück und Frauen-Liebe gehet,
Der, wenn mich alles flieht, zu meiner Seite stehet.
Dem Himmel sey gedankt! stimmt Pythias mit ein,
Wie könt ich glücklicher, als durch den Damon seyn?
Der mir sein redlich Herz, ja sich mir selbst ergiebet,
Und mich so treu, so schön, so zart und feste liebet.
Es stürme Luft und Meer, es rase Glut und Wind
Wenn wir nur jederzeit verknüpft beysammen sind,
So können wir die Noth, Gefahr und Todes-Rachen,
Feind, Schwerd, und was uns droht, mit frischen Muth verlachen.
Mein Freund! mein Bruder-Herz! mein Leben! meine Brust!
Du meiner Augen Trost! du meines Herzens Lust!
So redet Pythias, so läßt sich David hören.

Doch noch ein ander Paar will sich daran nicht kehren;
O! ho! wir leben auch spricht Joab. Ists nicht wahr?
Sind Ich und Judas nicht ein braves Brüder-Paar?
Wir leben euch zu trutz, und mehren unsre Staaten,
Wir herrschen überall, es blühen unsre Thaten.
Wo ein vertrautes Paar, wo zwey Bekannte seyn,
Da schleichen wir uns bald in die Gesellschaft ein,
Und wissen sie nach Wunsch auf ewig zu zertrennen,
Daß sie sich fernerhin dem Namen nach kaum kennen.

Was vor ein Trauer-Thon betäubt jezt Sinn und Ohr?
Man zieht, ich bin erstaunt, ein Leichen-Bret hervor;
Die Falschheit hat o Schmerz! die Redlichkeit erschlagen;
Man ist jezt im Begrif sie in die Gruft zu tragen,
Das vorgenannte Paar senkt diese Leiche ein,
Und schreibt mit frecher Faust dieß auf den Leichenstein:
Die alte Redlichkeit ist nun vom Thron vertrieben;
Der Falschheit ist allein der Scepter übrig blieben.
Schlaf liebe Redlichkeit biß einer neuen Welt,
Biß einer andern Zeit dein Bild aufs neu gefällt.

Da Deutschlands Pflug und Schaar noch vor die Enkel sorgte,
Die Complimenten nicht von fremden Völkern borgte,
Da man noch guten Tag, und guten Morgen sprach,
Da gieng die Redlichkeit auch allen Schritten nach.
Die Worte setzte man auf keine spitzge Schrauben,
Man dachte wie man sprach, dieß dürfte jeder glauben.
Kein schnöder Heuchel-Geist schlich sich im Umgang ein;
Und Ausschlag, Herz und Mund bestand in Ja und Nein,
Daß, wer sich einmahl Freund und lieber Bruder hiese,
Auch seine Redlichkeit biß in den Tod bewiese.
Die Falschheit war so fremd als hätte man gesagt:
Das Volk von Liliput hat sich nach Wien gewagt.

Jezt, da man fast den Fuß von vielen Ränken lähmet,
Und sich, wer weiß warum? des alten Grusses schämet,
Ist auch die Redlichkeit und Treu und Freundschaft aus.
Durchgeht ein niedriges, durchforscht ein groses Haus,
Ich weiß, ein jeder spricht: Der Mensch von jungen Jahren
Hat manche Falschheit schon, der Greiß noch mehr erfahren.
Wird einem Redlichen, der nie die Treu verletzt,
Ein andrer Freund im Amt an seine Seit gesetzt,
So sät die Falschheit doch gar zeitig ihren Saamen.
Der Fremde sagt! Mein Freund! bey mir ist Ja und Amen,
Ich meine es herzlich gut, ohn allen Heuchelschein;
Ich will ein Pythias, ein andrer David seyn.
Er schmeichelt, küßt und klopft, streicht Achseln, Händ und Wangen,
Und spricht: Dein Umgang ist mein einziges Verlangen.

Die Worte klingen schön, und sind wie Honigseim;
Doch diese dienen ihm zum Pech und Vogelleim,
Damit er seinen Freund und dessen Seele fänget,
Hernach ihn ängstiget und auf das höchste dränget.
Durch sein so zärtlich Thun, durch seinen süssen Mund
Erforscht er seinen Freund und dessen Herzens-Grund,
Sein Wesen und Geschäft, und was er weiß und denket;
Wohin er seinen Geist und seinen Willen lenket;

Dann schmeist er seinen Balk und seine Larve hin,
Und zeigt sein treuloß Herz und seinen falschen Sinn,
Verräth, verfolgt den Freund, und offenbahret alles
Was zum Verderben dient, und freut sich seines Falles.
In seiner Gegenwart schwatzt man ganz Ehrfurchts-voll,
Und ruckwärts weiß man nicht, wie man gnug höhnen soll.
Des Jacobs glatter Mund und Esaus rauhe Hände
Die locken Anfangs schön und täuschen uns am Ende.
Die Falschheit nennet sich ein Diener, Sclav und Knecht,
Doch herrscht sie als Tyrann der Glück und Ehre schwächt.

Es ist kein Freundschafts-Band beständig und vollkommen,
Es gleicht dem vollen Licht, das stündlich abgenommen.
Wer merkt und lernet doch der falschen Welt Betrug?
Wer wird doch nur einmahl durch andrer Schaden klug?
Gewiß zu unsrer Zeit ist Schlangen-List sehr nütze,
Daß man sich vor dem Fall und vor dem Unglück schütze;
Man traue keinem nicht; man setz dem Mund ein Ziel,
Man offenbare nichts, und rede nicht zu viel.
Doch muß uns auch darbey der Tauben Tugend zieren,
Daß wir die Redlichkeit in unsern Herzen führen,
Und fern von Falschheit seyn, so machts recht deutsches Blut,
Man meyn es redlich treu und auch von Herzen gut.
Ein redlich; aber nicht ein zu verträulich Wesen,
Soll man sich jederzeit zum Augenmerk erlesen.

            * * *

Die falsche Spahrsamkeit empfand den Heyraths-Trieb;
Gewann daher den Geitz zu ihrem Bräutgam lieb.
Dieß Paar vermählte sich mit höchst vergnügten Minen;
Der Schau-Platz dieser Welt must ihr zum Schlosse dienen.
Und giengs gleich hier so zu, wie in der andern Welt
Wo man nicht ißt und trinkt und offne Tafel hält,
So war doch vieles Volk, das solchen Ruf vernommen,
Von groß und kleinen Stand zu dieser Hochzeit kommen,
Um aus des Braut-Paars Mund die nützlich klugen Lehren,
Zum kräftgen Unterricht mit Sorgfalt anzuhören.

Man rief nach Hochzeit-Brauch: lebt, wachst und mehret euch,
Und euer Same blüh in jedem Königreich!
Die Wünsche trafen ein. Geitz, Wucher und Betrügen,
Und Unbarmherzigkeit sah man als Kinder wiegen.
Sie bläuten ihnen ein: Folgt uns, und dem Gebot,
Seyd fromm und dient mit Ernst der Christen ihrem Gott.

Gold ist der Christen Gott! Ich meynt, der wär dort oben;
Ich dacht, wir müsten den als unsern Schöpfer loben,
Der uns Brod, Wein und Vieh und Kleid und Nahrung giebt,
Der uns erhält und schützt, und uns so gnädig liebt.
Wie? soll der HErr der Welt, dem keine Engel gleichen,
Dem todten Klumpen Erz und Arons Kalbe weichen?

Es bleibet doch gewiß: Gold ist der Christen Gott!
Man weiß wie sich sein Volk mit Macht zusammen rott,
Und ihm in Süd und Nord und Osten Tempel bauet,
Ihn liebt, verehrt und fürcht und gänzlich ihm vertrauet.
O! würde Jacobs Gott vor einen Gott geacht,
Sein Sabbath würde wohl zum Feyertag gemacht;
Man würde nicht ums Geld sein Wochen-Amt verwalten,
Die Hände zum Verkauf und Kaufen offen halten.
Man baute nicht so stark auf Wolken, Meer und Wind,
Und schifte nicht dahin wo wilde Menschen sind,
Um mit Gefahr und Müh die Waaren zu erstehen,
Wodurch die Tugenden hernach in uns vergehen;
Wär Gott, und nicht das Gold der Christen liebster Gott;
Man würde nicht ums Geld der armen Witwen Noth,
Der Waysen Klag-Geschrey durch Trug und List vermehren;
Man würde sie so wohl als ihre Feinde hören;
Man fiel nicht ums Geschenk dem bösen Gegner bey;
Man drückte keinen nicht, er sey auch wer er sey;
Wär nicht das Gold ihr Gott, man würde sich bestreben,
Dem Wort im Testament gehorsam nachzuleben,
Das stets dem schnöden Geitz und Geldsucht widerspricht,
Da heist es: täusche ja kein Mensch den andern nicht:
Im Handel und Gewerb soll kein Betrug geschehen,
Recht Maß, Gewicht und Ehl soll unter euch bestehen.
Wär nicht das Geld ihr Gott, man würde lieber fliehn,
Als seines Nächsten Schweiß und Armuth an sich ziehn.
Man würde nicht sein Blut gleich wie die Igel saugen;
Die Thränen dürften ihm nicht statt der Lauge taugen.
Er trüg was er verdient, sein heises Tagelohn,
Sein Stückgen Kummerbrod wohl unbezwackt davon;
Er dürfte nicht so oft und kläglich darum bitten,
Und solchen Zähren-Guß aus seinen Augen schütten.
Man machte nicht den Lohn von Tag zu Tage klein,
Und zög und zwackte ab, wo es nur könte seyn.
Ja würde nicht das Geld als wie ein Gott betrachtet,
Der Arme würde nicht in seiner Quaal verachtet,
Man schaute seine Noth mit wahrem Mitleid an,
Man hülf und diente ihm so gut es werden kan.
Ein klein und wenig Geld könnt ihn von Trübsaals-Ketten,
Von seiner Hungersnoth und Dürftigkeit erretten.
Es läg kein Lazarus vor eines Reichen Thür,
Die Blöse thät sich nicht an seiner Haut herfür,
Man spräch nicht: wilst du Geld, so must du meinen Händen
Haus, Hof, Geräth und Kleid, und was du hast, verpfänden.
Man stellte sich wohl nicht den schlauen Juden gleich,
Und machte sich wohl nicht durch grossen Wucher reich.
Man würde nicht durch Zins und teuflische Intressen
Dem Armen, der nichts hat, das Fleisch vom Leibe fressen.

So aber da das Herz den Diamante gleicht,
Das kein Gebeth noch Flehn, noch Klaggeschrey erweicht;
Da man so ärgerlich nach einem Goldstück ringet,
Biß man den todten Schatz in sein Behältniß bringet,
Ob man gleich Seel und Leib darbey zum Pfande setzt;
Da man sich nicht an Gott, nur bloß am Gold ergötzt;
Da man mit diebscher Hand und mörderlichen Klauen
Des andern Güther raubt um sich ein Haus zu bauen:
So sieht man offenbar, und findet in der That,
Daß man das todte Gold zum Gott gemachet hat.

Was red ich? hat das Geld die ganze Welt bezwungen?
Giebts denn nicht Christen noch, die mit beredten Zungen,
Von Eifer angeflammt, den Leuten insgemein,
Gerechten Vortrag thun, dem Geitze feind zu seyn?
Daß man sich nie in Trug und Wucher soll verlieben;
Daß man Barmherzigkeit am armen Nächsten üben,
Und ihnen dienen soll, so gut man immer kan.
Es hat wohl Cicero der klug-beredte Mann
Der Sache Vortrag nie mit Worten so geschmücket,
Als es der Redekunst in solchen Dingen glücket.
Die Worte klingen gut. Jedoch man klagt mit mir:
Die schöne Theorie stellt schlechte Praxin für.
Denn wer schön sprechen kan, hat oft in seinen Jahren
Das mindste selbst von dem, was er geredt, erfahren.
Man zeigt nur mehrentheils, daß man ein Moralist,
(Was fehlet diesem Ruhm?) und guter Redner ist.
Denkt nicht das Volk darbey, wenns solche Redner höret:
Was dort der klügste Mund bey dem Matthäo lehret.
O! dieses wird anjezt so gut als dort erfüllt,
Hierinnen zeiget sich der meisten Ebenbild.

Die Predigt ist vorbey, der Vortrag ist geschehen,
Man gehet stolz nach Haus und sieht zwey Arme stehen,
Die um ein wenig Brod und kleine Gabe flehn,
Wie fährt man sie nicht an? wie pflegt man sie zu schmähn?
Dort wurde Lazarus so schlecht kaum abgewiesen,
Als wie zu unsrer Zeit das arme Volk von diesen,
Die Christi Diener sind; was man den Armen reicht,
Das ist oft schlecht genug, und doch geschiehts nicht leicht.
Ein Tropfen Eßig-Trank aus ihren vollen Keller:
Von ihrem Uberfluß ein abgenützter Heller;
Von ihrer Tafel last, das was der Hund nicht will,
Gehört vor Dürftige. Doch heists, man gebe viel,
Und sey doch selber arm, es wolte nirgends reichen.
Es reichte schon, wenn man dem Meister wolte gleichen,
Der von der Mäsigkeit und nichts von Bauchdienst hielt.

Man spricht: im Alterthum ward doch dahin gezielt,
Daß Levi und sein Volk den Opfer-Tisch genosse.
Worbey das Fett vom Oel in seine Hände flosse,
Und manch Geschenke fiel, manch Hebe-Opfer roch.
O! wär doch diese Zeit mit den Gebräuchen noch!
Da man zwar, immer nahm, und war doch frey von allen.
Jezt geht es anders zu; es muß uns wohlgefallen,
Seht! man befielt uns gar, wir sollen Gastfrey seyn.

Schweigt! wer thut einen Dienst? er sey auch noch so klein,
Ist einer noch so arm, wo wird ihm was geschenket?
Ja wenn der Dürftige an sein Gewissen denket,
Und hat den Groschen nicht, so bläht der Geitz sich schon,
Es heist: die Woche nur von eurem Tagelohn
Zwey Heller hingelegt, so kan nach neunzig Tagen.
Die Hand den Groschen schon in meinen Beichtstuhl tragen:
Jedoch es mag jezt seyn, ich bin nicht so genau;
Geht, dient mir sonst einmahl, und scheuret meiner Frau;
Bringt mir, so bald ihr könt drey Körbe Mist in Garten,
Bringt Eyer, Rettige; doch von den grösten Arten.

O! würde nun das Geld nicht also hoch geacht,
Und nicht, wie vor gesagt, zu einem Gott gemacht,
Man würde dieß zu thun sich ohne Zweifel schämen,
Und warlich mit der Hand mehr geben, als sonst nehmen.

O! würde nicht das Gold als wie ein Gott verehrt,
Der Glaube würde wohl so leicht nicht umgekehrt,
Man würde nicht so viel von ungeheuren Schwören,
Noch von Vermessenheit, und falschen Eyden hören.
Wär nicht das Gold ein Gott, wer nähm ein solches Weib
Das keinen guten Zahn; das einen Knochen-Leib,
Und einen Mund-Geruch wie faules Wildpret hätte,
Zu seiner Augen-Lust, statt Fleiches-Lust ins Bette?
Wer geb den Trauungs-Ring wohl einer solchen Hand
Die schon (obwohl geheim) in mütterlichen Stand
Versetzet worden ist? Wer liebte vor die Ester,
Vor Sara und vor Ruth, der Jesabellen Schwester,
Die fast Xantippen noch an Boßheit übersteigt?
Wer wär der geilen Frau des Pothiphars geneigt?
Wer würde ein Gemahl des er sich müste schämen,
Blind, heßlich, bucklicht, lahm und sonst gebrechlich nehmen?
Würd eine Jungfer wohl geliebet und geküßt,
Die fragt: Ob ein Student auch wohl ein Mensche ist?
Ob Störche auf dem Dach mit ihren Schnäbeln lachen?
Ja was denn Weiber wohl mit ihren Männern machen?
Ja würde nicht das Gold zu einem Gott gemacht,
Es würde wohl kein Kranz dem alten Greiß gebracht,
Der von Gebrechlichkeit gebückt am Stabe wanket,
Der wie ein alter Bär im Hause brummt und zanket.

Hat nun des Mammons Freund und dieses Götzen Knecht
Den Nächsten durch Betrug und Wucher gnug geschwächt;
Durch Falschheit und Proceß den Redlichen betrogen;
Des Tagelöhners Blut, der Witwen Schweiß gesogen,
Und sich davon ein Haus und Wucher-Sitz erbaut,
So, daß er Aecker, Feld und Vieh und Wiesen schaut,
Und seinen Götzen sieht im eisern Tempel liegen,
Vor dem sich seine Knie fast täglich eifrigst biegen;
So zeigt er, daß er ihn recht würdiglich verehrt;
Es wird des Jahrs einmahl Haus, Saal und Schloth gekehrt.
Er glaubt, der dicke Staub verwehre Frost und Kälte;
Es käm am Holze bey, zumahl wenns sehr viel gelte.
Die Zimmer werden nur im Jubel-Jahr geweißt,
Dieweil die weise Farb die Augen blendt und beist,
Man könte ja das Geld nicht ohne Sorge zehlen,
Es möchte leicht ein Scherf an hundert Thalern fehlen,
Man würde nicht das Korn im Zinß-Gemäße sehn,
Wie leichte wärs darbey um einen Strich geschehn.
Er zehlt, wie viele Halm des Tags das Vieh verkäuet;
Wie viel man etwa Stroh auf eine Woche streuet,
Wie viele Körner wohl ein Huhn des Tages frißt,
Wornach er denn genau die Sachen wiegt und mißt.
Sind nun die Halme lang, die Körner groß und dicke
So rechnet er darnach, und zieht davon zurücke.
Er fühlet mit der Hand wie schwer das Eyter wiegt,
Damit ihn nicht die Magd um einen Strich betrügt.
Er fühlt die Hühner an, wie viel sie Eyer legen,
Damit die Seinigen ihm keins entwenden mögen.
Nicht selten jaget er die Hühner auf das Feld,
Allwo der ganze Schwarm frey offne Tafel hält,
Er spricht: Wer wolte nicht dem Vieh die Freude gönnen,
Ich selber werd hierdurch viel Frucht ersparen können.
Nicht selten, daß sein Fuß in kräftge Winkel kriecht,
Und forscht, ob auch der Koth nach seinem Weine riecht,
Er denkt, steht gleich bey mir der Keller niemahls offen,
Vielleicht schlieft jemand nach, und hat daraus gesoffen.
Er sorgt, ob nicht sein Obst auch Näscher nach sich zieht,
Drum guckt er, ob er was von Kern und Schaalen sieht.
Sein Garten wird verpacht, damit kein Kind nichts schmecket,
Er spricht: Die rothe Ruhr wird durch das Obst erwecket.
Sind denn die Felder weiß, legt man die Sicheln an,
So schmerzt ihm, daß er dieß nicht selbst verrichten kan.
Wünscht Nero seinem Volk nur einen Halß im Leben,
So wünscht er aller Händ, um keinen Lohn zu geben.
Und wenn der Sonnen Glut die Schnitter lächzend macht
So wird ein kalter Trank von Wasser dargebracht,
Es heist: Das starke Vier dient nicht in grosser Wärme,
Es bringt das Fieber mit, und schneidet die Gedärme.
Glaubt, Argus hat die Kuh so strenge nicht bewacht,
Als wie er Augen jezt auf seine Aehren macht,
Damit kein Armes sich an seinem Weitzen labe.
Bricht denn des Herbstes Reif des Weinstocks Blätter abe,
Daß man die süsse Frucht vom Reben schneiden kan,
So hebt sein froher Mund ganz laut zu singen an
Und weckt die Leser auf, damit sie unterdessen
Kein Träubgen von dem Stock zum Labsal können essen.
Wenn sich der Abend nun mit seinem Schatten regt,
So nimt er einen Stab mit dem er forscht und schlägt,
Ob eine Reben-Frucht im Sacke anzutreffen,
Damit von seinem Grimm und Fluchen, Zank und Kleffen
Den Lesern bange wird, die vor dem Schelten fliehn,
So weiß er ihren Lohn mit List an sich zu ziehn.
So süß der Rebensaft, so angenehm er schmecket,
So weiß sein Kind doch nicht die Kraft die in ihm stecket.
So sparsam hält er hauß; kein Tröpfgen ist so klein
Er kostets dennoch nicht; er widmet es dem Wein.
In seinem Hause wird die Sparsamkeit betrachtet;
Da wird kein fettes Huhn, noch Ganß, noch Schwein geschlachtet.
Er meint, das viele Fett wär in der That ein Gift,
Weil es nur vielen Schleim und kurzen Athem stift.
Auch wär das magre Fleisch den Zähnen nur ein Schrecken,
Es blieb zu ihrer Last in denen Lücken stecken,
Und bohrte mans heraus, so mehrt es nur den Schmerz;
Es drückte überdieß den Magen und das Herz.
Der braune Gersten-Trank, des Weines edle Säfte
Benähmen den Verstand und schwächten Geist und Kräfte.
Bey einem Wasser-Trank und Kofend wär man schön,
Die Geister blieben auch in ihren Cirkel stehn.
Ein einzig Kofend Glaß wird auf den Tisch getragen,
(Im Kruge möchte man ein stärker Schlückgen wagen.)
Damit er sieht, wie viel ein jeder zu sich nimmt,
Dieweil er nur dieß Glaß vor alle hat bestimmt.
Auf zweymahl wird ein Ey zur Suppe eingerieben.
Ein halb geschmelzter Kohl und ungeschehlte Rüben,
(So machts die Sparsamkeit) und ein, ich weiß nicht was,
Aus einem Käse-Korb und alten Butter-Faß
Genomnes Mittags-Mahl muß Frau und Kinder stärken,
Worbey denn allemahl viel Andacht zu bemerken.
Er singt und betet laut, und lehret stets darbey,
Daß nur die Mäsigkeit die schönste Tugend sey.
Daß man dadurch vor Gott gerecht und löblich walle,
Und auch den Aerzten nicht in ihre Hände falle.
Aus einem Stückgen Vieh, das man aus Noth geschlacht,
Wird nur ein Freuden-Mahl, das schlecht genug, gemacht.
Die Abend-Mahlzeit ist zur Fastenzeit erkohren.
Ein Gastmahl hält er ein. Was Mäuse sonst verlohren,
Und in das Korn gelegt; was ihnen nicht beliebt,
Das ist, was er statt Mehl und Brod zu essen giebt.
Mit Butter, die er oft sehr falsch gewogen schicket,
Die man ihm auf dem Markt sehr oft zum Schimpf zerdrücket,
Worbey er Zetter schreyt, und seine Haare rauft,
Und fluchet, daß die Magd sie nicht nach Wunsch verkauft,
Mit dieser schmelzt er noch, o grosser Schmerz! das Essen.
Doch wird er nie darbey der Sparsamkeit vergessen.
Er kostet keinen Wein, als der am Fasse läuft,
Der aus dem Spunde schwitzt, und aus dem Zapfen träuft.
Vier Mandeln Erbsen zehlt die Hand auf einen Magen:
Denn mehr kan doch der Mensch ohn Drücken nicht vertragen.
Zur Suppe schneidet er die Weichlen selber ein,
Nur fünfzehn sind genug. Man muß fein mäsig seyn.
Damit ihn auch kein Freund von Fremden mög beschweren,
So heists: Es läßt sich was in meinem Hause hören
Das Furcht und Schrecken macht. Sein bestes Leib-Gewand
Ist grob, denn dieses thut der Wollust Widerstand.
Sein Oberhemd wird link, und rücklings weiß gewaschen,
So sparet er das Geld zu Seife, Holz und Aschen.
Und wird ein Stückgen Geld zur Zahlung abgetheilt;
So wird von jeglichem vorher was abgefeilt.
Ruft ihn der Christen Brauch zu einem heilgen Mahl,
So macht des Priesters Sold ihm tausend Angst und Qual.
Dahero wendt er vor: Er könte kaum was geben,
Es wär ihm ärgerlich. Nach langem Widerstreben,
Greift er sich endlich an, und sendet ihm ein Kalb
Das vor dem Messerstich dem Tod schon würklich halb
In seinen Klauen war. Kommts endlich an das Scheiden,
Soll er nun seinen Gott im Kasten ewig meiden,
So hört er kein Gebet und frommes Singen an.
Er schreyt Verzweiflungs voll: Ach! weh! mir armen Mann!
Wie wird es künftighin um meinen Haushalt stehen?
Wer sorgt vor meinen Gott? O könt er mit mir gehen!
Ja, wenn das Auge schon benebst der Zunge bricht;
So fährt er starrend auf, und rufet: Hört ihr nicht:
Wo ist das Silber-Pfand? Wer rasselt dort am Kasten?
Was ist das vor ein Schelm? Wer sucht ihn anzutasten?

Auf einmahl giebt er sich den grösten Herzens-Stoß,
Er reißt ein Spanisch Stück von seinen Götzen loß
Und wirfts dem Priester hin, daß er ihn hoch erhebe,
Und in dem Leich-Sermon ein herrlich Zeugniß gebe.
Drauf stirbt er: Und dann heists: Das war ein frommer Mann,
Der uns zum Musterbild der Tugend dienen kan!

Ein treuer Gottesdienst wird reichlich gnug belohnet,
Von dem der Vater heist und dort im Himmel wohnet.
Sein Diener wird von ihm mit einem Sinn begabt,
Der sich an wenigem sehr wohl vergnügt und labt,
Es gilt ihm alles gleich; er ist mit dem zufrieden,
Was ihm der Vorsicht Hand an Zeitlichen beschieden.
Er schläft des Nachts getrost, und ohne Sorgen ein.
Er macht sich im Verlust nicht grosse Quaal und Pein,
Weil seine Seele weiß, Gott hab es ihm geliehen,
Was er ihm erst geschenkt, das könn er ihm entziehen.
Er lebt wie ein Monarch, sein Geist ist Banden frey,
Und zeiget, daß er gar kein SClav des Goldes sey.
Er herrschet über sich und seine Glückes-Gaben,
Er macht sie sich zu nutz, und sucht sich dran zu laben.
Sein Sterben fällt ihm auch nicht ängstlich oder schwer,
Ihm parentirt der Ruf, das ganze Tugend-Heer,
Und spricht: Ein Gottes Knecht ist leider! jezt gestorben,
Der sich ein Ehrenmaal und stetes Lob erworben.

Was hat denn aber wohl vor seinen Götzen-Dienst
Der arme Mammons-Knecht vor Nutzen und Gewinst?
Was kan ihm dann sein Gott das Gold vor Freude geben?
Nichts als ein Kummerreich und Hungervolles Leben.
Er schläft mit Sorgen ein. Die Nacht wird ihm zur Last,
Er fährt mit Schrecken auf, und ruft, und schreyt: wer faßt,
Wer greift die Schlösser an? Es ist ein Dieb vorhanden,
Ach! rettet meinen Gott, und helft mir von den Banden.
Kein Laban kan so sehr um seine Götzen schreyn,
Kein Nabal auf sein Brod so sehr erbittert seyn,
Als dieser sich geberdt. Wird ihm ein Lamm gestohlen,
So will er schon den Strick sich aufzuhengen hohlen.
Des Tages ist er nie mit seinem Schatz vergnügt,
Obschon des Vorraths gnug vor seinen Augen liegt:
Er darf das Regiment nicht über sich verwalten;
Er muß dem tauben Gott als Sclave stille halten;
Er darf auf keinem Bett von weichen Federn ruhn;
Er darf von seinem Vieh sich nichts zu gute thun;
Er darf kein reines Brod, noch Bier, noch Wein genießen;
Er muß bey Hungerkost fast Thränen lassen fließen.
Er ißt, und wird nicht satt, er sammlet, und ist arm,
Sein ganzer Lebenslauf ist Elend, Müh und Harm.
Und endlich ruft ein Mund von der gestirnten Zinne:
Du Götzen-Knecht! du Narr! halt mit dem Geitzen inne!
Es klopfet schon der Tod an deine Kammer-Thür;
Man fordert diese Nacht noch deine Seel von dir.
Du Narr! wem wird dein Gut das du bißher auf Erden
Mit Angst gesamlet hast, nunmehr zu Theile werden?

Ist dieß, ihr Thoren! nun benebst der Höllen Glut
Der Lohn vor euren Dienst? bedenkt doch, was ihr thut!
Glaubt, daß die Erben euch im Todte noch verlachen,
Und sich ein fettes Maul durch euren Hunger machen?
Daß euch, wie ihr verdient, die kluge Welt verspott:
Seht! dieser Mammons-Knecht verehrte einen Gott,
Allein er half ihm nichts, er blieb ihm nicht gewogen,
Am Ende hat er ihn um Leib und Seel betrogen.

            * * *

Was schließt sich vor ein Grab und finstrer Bogen auf?
Ich seh ein Geister Heer! ja! ja! es steigt herauf.
Ich kenne sie bereits, mein Schluß wird schwerlich fehlen,
Es sind, ich irre nicht, der tapfren Parther Seelen.
Hier schreyt ein Mann mich an, dort ruft ein andrer Geist:

Ihr Deutschen! die ihr klug, gelehrt und Christen heist,
Ihr, denen dieß Gesetz Gott selber vorgeschrieben:
Daß ihr euch jederzeit im Fleiß und Arbeit üben,
Im Schweiß des Angesichts das Brod erwerben solt,
Wie man euch täglich lehrt, wenn ihrs nur hören wolt.
Ihr sprecht: Wir wären wild; ihr sucht uns zu vernichten.
O nein! wir thaten stets als Heyden unsre Pflichten;
Ihr habt Natur und Licht, Gesetze und Befehl:
Und gleichwohl thut ihrs nicht, und seht darzu noch scheel.
Wir merkten von Natur, daß dieß ein Schandfleck wäre,
Wenn man durch Müssiggang der Tugend Glanz verlöhre.
Es gab uns die Vernunft die gute Meinung ein:
Es müsse jederman zum Fleiß geschaffen seyn.
Es müsse einen Gott und Welt-Beherrscher geben,
Der stets geschäftig ist, indem wir sind und leben,
Der alles ordentlich mit Kunst und Fleiß bestellt,
Und alles uns zu Nutz noch immerdar erhält.
An Vögeln sahen wir, wie sie so munter wachten,
Wie sie vor Brut und Nest sich viele Sorge machten.
Das kleine Immen-Volk hielt uns die Stöcke für,
Und rief uns gleichsam zu: verhaltet euch, wie wir.
Dort lag der Seidenwurm, der immer fleisig webte,
Und dennoch nicht vor sich, nur uns zu Dienste lebte.
Wir sahen unsern Leib nebst seinen Gliedern an,
Wie er mit Geist und Kraft und Stärke angethan,
Und ausgeschmücket war. Wer solte sich nicht schämen?
Wer wolte träge seyn, die Arbeit vorzunehmen?
Wir fühlten Stärk und Kraft in Lenden, Hand und Knie,
Die Biene saß nicht viel, und war doch nur ein Vieh.
Dieß trieb uns feurig an, wir wurden alle schlüssig,
Es gieng kein einziger von unsern Parthern müssig.
Kein Draco von Athen war uns zum Antrieb noth;
Wir hielten von uns selbst, was die Natur gebot.
Kein Sparta noch Athen hielt sein Gesetz so richtig,
Als jeder von uns that, der nur zur Arbeit tüchtig.
Aurorens Purpur-Roth lacht' uns kaum schimmrend an,
So waren wir bereits mit Kleidern angethan.
Wer vor des Landes Glück, der Bürger Wohlstand wachte
War emsig, daß er bald die Sachen richtig machte,
Er gieng sehr früh zu Rath und wieder spät davon,
Und trug von Stadt und Land des Fleisses Lob zum Lohn.
Der Bürger freute sich, wenn Zeit und Glück vergonnte,
Daß er die rege Hand zur Arbeit widmen konte.
Die Jugend wuste schon von selbst auch dieß Gebot,
Kein Knabe unter uns bekam sein Morgenbrod
Er hatte denn vorher mit Arm und Pfeil geschossen,
So, daß der Schweiß davon das Angesicht begossen.
Ein jedes Jungfer-Bild und angesehnes Weib
Ergrif Geschäft und Müh zum besten Zeitvertreib.
Sie liefen nicht herum und klatschten auf den Gassen.
Kurz, alles war bemüht dem Müsiggang zu hassen.

Wie aber treffen wir denn eure Sitten an:
Es dachte unser Volk ihr giengt uns weit voran,
Dieweil ihr weiß und klug und Christlich sucht zu heisen,
Als Leute von Verstand, die ihren Schöpfer preisen.
So aber finden wir daß alle groß und klein,
Kind, Vater, Frau und Mann der Trägheit Freunde seyn.
Wir thun was löblich ist; wo thut ihr wohl dergleichen.
Drum eckelt uns vor euch; ihr müst uns billig weichen.

Man sagt im Sprichwort sonst: Der Morgenröthe Licht
Das voller Glanz und Strahl in Fürsten Schlösser bricht,
Wird nicht von Prinzen leicht in ihrer Pracht gesehen;
Warum? sie pflegen oft am Mittag aufzustehen.
Jezt aft ein Bürgermann der Fürsten Mode nach,
Wenn um die Mittagzeit die Sonne das Gemach
Mit ihrem Strahl erfüllt, so weltzt man noch die Glieder,
So dehnt man noch die Arm im Bette hin und wieder.
Es macht dem Geist viel Müh, daß er den Willen bricht,
Daher man Thee, Caffee, ja Tobac, Pfeif und Licht
Gar oft ins Bett verlangt. Und wenn man auferstehet,
So heists: O! daß die Nacht so bald, so schnell vergehet.
Man klagt die Müh und Last des Lebens schmerzlich an,
Wenn man der Hände-Paar, den Mund benebst den Zahn
Zur Tischzeit regen soll. Ja was vor bittre Schmerzen
Fühlt man in seiner Brust, empfindet man im Herzen,
Wenn man zur Facultät und Richtstuhl wandern soll;
Wenn man zu Rathe gehn, wenn man drey Finger voll
Von Acten lesen muß. Wenn man auf Red und Fragen
Von Amt und von Beruf soll eine Antwort sagen.
Muß etwa der Client um Rechtliches verziehn,
Bey dem gelehrten Mann sich voller Angst bemühn,
Und um was weniges fast täglich an ihm regen.
So seufzt man: Ist doch Müh und Arbeit allerwegen.
Kein Knabe, wenn man schon die schlanke Birke regt;
Kein Mann, wenn ihn die Frau an ihrem Reichstag schlägt,
Kan sich so jämmerlich geberden oder stellen,
Als ihm die Thränen hier aus seinen Augen quellen.
Da wünscht er, tobt und flucht: Wie wird man nicht geplagt!
Ja wohl, so fährt er fort, hat David recht gesagt,
Daß Arbeit, Müh und Last bey unserm Leben wäre:
Daß Haupt-Schmuck, Rock und Kleid auch seine Last vermehre.

Das grose Licht der Welt theilt sonst die Stunden ein,
Und ordnet wenn es Tag, und wenn es Nacht soll seyn;
Allein der Müßiggang setzt andre Zeit und Gränzen,
Wenn um die Morgenwach Aurorens Strahlen glänzen;
So liegt und schlummert er noch in der ersten Ruh.
Deckt aber alles Fleisch ein stiller Schatten zu,
So pflegen allererst die Augen aufzuwachen,
Da will man erst ein Stück von Schrift und Arten machen,
Und denkt nicht, daß man sich das schönste Licht verblendt,
Wenn man ein Fremdes braucht, und Geld darzu verschwendt.

Ihr Lehrer von Athen! ihr alt berühmte Weisen!
Wie glücklich seyd ihr nicht vor aller Welt zu preisen,
Weil eurer Schüler Geist um Pallas Rauch-Altar
Und um den Musen-Hayn still, klug und emsig war?
Kein ferner Weg, kein Schweiß, kein stark und mühsam Schwitzen,
Kein ungebundner Fleiß, kein weises Stillesitzen,
Noch Lesen ward gespart; man rang nach Kunst und Ruhm,
Und schmückte durch den Fleiß der Musen Heiligthum.

Wo ist der stille Fleiß der Alten hingekommen?
Weint Musen! denn er wird jezt nicht wie vor vernommen.
Kommt Musen! klagt und seufzt, denn euer Helicon
Beschimpft der Trägheit Freund, befleckt der Faulheit Sohn.
Wer hört Aurorens Mund den guten Morgen sagen?
Wer kan das Sitzefleisch biß in die Nacht vertragen?
Wird Sträusand wohl so viel als Schnupftoback verthan?
Wer greift die Federn mehr als lange Pfeiffen an?
Der Karten Menge muß der Bücher Zahl ersetzen;
Den Degen sucht man jezt mehr als den Kiel zu wetzen.
Ein blöckendes Geschrey geht Musen-Liedern für.
Der Lais freche Stirn wird aller Musen Zier,
Ja selbst Eusebien und Themis vorgezogen.

Ja, spricht ein Edelmann: Wer Bürger-Milch gesogen,
Der mag ein Bücher-Wurm und kahler Schulfuchs seyn,
Und an dem todten Mund der Pallas sich erfreun.
Das thut kein Adlicher. An statt der Bürger Grillen,
Soll ein lebendig Buch uns Schooß und Hände füllen.
Wir stellen unserm Geist ein aufgeführtes Thor,
Die Steine in der Stadt als unsre Feinde vor,
Da suchen wir beherzt die Degen abzuwetzen,
Und sie, als wie im Krieg, auf ärgste zu zerfetzen.
Und also zeigen wir, eh sich der Krieg noch regt,
Zum voraus wie man kämpft, und auf die Feinde schlägt.
Wer nennt es wohl galant, wenn man im Winkel lebet,
Und wie ein Seidenwurm sich unter Bücher gräbet?
Gescherzt, getanzt, gelacht, gesungen und gespielt,
Auf einer Lais Mund die Hitze abgekühlt,
Getrunken und gefezt, das heist galant gewandelt,
So hat mein Oheim sonst und Ahn-Herr auch gehandelt.

O! schlüge mir mein Wunsch und Sehnen jezt nicht fehl,
Schlöß sich zu dieser Zeit das herrlichste Serail
Des grösten Königs auf, wie viele kluge Frauen
Und Jungfern würde man in seinen Mauren schauen.
Wie lobt nicht Salomo des Frauenzimmers Zucht,
Wenn es den Müssiggang mit allen Ernst verflucht.
Wenn Nadel, Zwirn und Flachs und kluges Hausregieren
Der Frauenzimmer Arm mit munterm Fleiße zieren?
O weisester Monarch! jezt würde man dein Haus
Von Arbeit ledig sehn; ich weiß, man rufte aus:
Hat denn der König sich und uns so gar vergessen?
Wie? soll sein Frauenvolk? wie? sollen die Maitressen
Vor Rahm und Rocken stehn? Der König braucht den Leib
Zu seiner Augen-Lust, zu seinem Zeitvertreib,
Uns aber will er nicht die kleine Lust vergönnen,
Daß wir spazieren gehn, und uns ergötzen können?
Wie? sollen wir das Brod das unser Mund verzehrt
Verdienen, daß die Hand sich also selber nehrt?
Wer unsern Leib genießt, der mag uns auch versorgen,
Und solt er selbst das Geld zu unsrer Tafel borgen.

Wo ist zu dieser Zeit ein Weib, das groß und reich,
An Wirthschaft und an Fleiß der schönen Sara gleich?
Wo ist ein edles Kind in unsern deutschen Auen
So häußlich, so geschickt als Jacobs Braut zu schauen?
Tabeens nette Hand, ihr künstlich kluger Fleiß,
Erhielt wohl schwerlich jezt den Thränen-reichen Preiß,
Den noch ihr Toden-Bret und Leichen-Tuch genosse,
Indem ein Zähren-Bach aus vielen Augen flosse;

Es ist nicht mehr die Zeit da man nur wenig schlief,
Und bald nach allen sah, nach allen selber lief,
Den Kindern und Gesind des Fleises Beyspiel wiese,
Und sich auf andre nicht, nein, auf sich selbst verliese.
Was kostets nicht vor Müh, eh man um Zehn erwacht,
Kleid, Wäsche, Band und Schu zum Anzug fertig macht?
Wie stiehlt man nicht die Zeit, wenn man die Haare stutzet,
Und seine freche Stirn zur Lust und Hoffart putzet?
Des Fensters ofnes Glaß, so mancher Pflaster-Trit,
Thee, Wein, Caffee und Spiel nimt Zeit und Tugend mit.
O! wie wird nicht die Zeit so liederlich verschwendet,
Wenn sich der Plauder-Mund zur Nachbarinnen wendet?

So schön Lucretia, so groß, so reich sie war,
So wieß sie doch der Welt und zeigte offenbar:
Daß Wirthschaft, Fleiß und Müh kein reiches Weib beflecke,
Vielmehr Huld, Ehre, Gunst bey jederman erwecke.

Ich höre schon wie mich das Frauenzimmer schimpft;
Und über meinen Reim die Nase höhnisch rümpft.
Ich höre albereits, wie sie so sinnreich schwatzen,
Wie sie Elihu gleich von Weisheit möchten platzen.
Man hält mir klüglich für: Wie manches Wunderwerk,
War in der alten Zeit ein herrlich Augenmerk;
Wie manche Krieges-Kunst gieng ehedem im Schwange;
Wer weiß die Mode nicht, wie mancher lief und sange
Wenn hier ein Hochzeit-Fest und dort ein Einzug war;
Wenn eine Kreisende ein Kind zur Welt gebahr.
Wie die Philosophi vordem die Weisheit trieben;
Wie sie so wunderlich von Erd und Himmel schrieben.
Wie ward die Policey und Richter-Amt bestellt?
Drum weil denn nichts besteht und ewig Dauer hält,
So ist dieß alles auch von Zeit zu Zeit verschwunden.
Wie viel vortrefliches hat unsre Welt erfunden?
Man kriegt, man lehrt, man baut nicht mehr wie ehedem,
Man ordnet, schaft und macht so wie es uns bequem,
Und jezo Mode ist; sind nun der Männer Stunden
Und Moden jezt nicht mehr ans Alterthum gebunden;
So sind wir ebenfals von alten Sitten loß.
Wo war vordem ein Weib wie jezt am Geiste groß?
Wie niederträchtig hieß ihr Wandel, Thun und Wesen,
Da sie den Schäferstab, den Wasser-Krug und Besen
Getragen und geführt; wenn sie den Flachs geklopft,
Die Kuchen selbst geknett, die Brunnen selbst verstopft,
Die Sichel angefaßt, wenn man die Garben bande?
Ziert das ein Frauenbild von reich und gutem Stande?

Jezt aber lebet man manierlich und galant,
Den Männern nicht zum Schimpf, nein, sondern mit Verstand.
Wer wird die Schlüssel stets an Arm und Händen führen?
Und seine zarte Hand mit allem selbst beschmieren?
Der Küchen-Rauch beißt nur die schönen Augen roth,
Worbey gar bald ein Fall dem Fuß im Laufen droht.
Davor ist Knecht und Magd, daß sie das Haus verwalten,
Wir aber lange Ruh und lange Tafel halten.
Davor sind Kramer da, wo man die Kleidung findt,
Davor giebts Mädgen gnug die uns zu Dienste sind.
Die Männer wollen Herr und Haupt und Väter heisen;
So müssen sie sich auch nothwendig so beweisen,
Wie dieses Wort verlangt, daß man uns Lebens-Saft,
Und was wir irgend noth, ohn unsre Arbeit, schaft.
Ein Weib muß sich doch auch ein Stündgen Ruhe schenken,
Und ihre Geister nicht durch Müh und Arbeit kränken.
Wer dankts uns Weibern denn, was wir mit Müh erspart,
Was wir mit Fleiß geschaft? Ists doch der Männer Art,
Daß man uns immer schraubt: Wir könten nichts erwerben.
Wohlan! so laßt uns dann bey guten Stunden sterben.
Wird uns Lucretia zum Muster vorgestellt?
O lacht! dieß Muster zeigt die Thorheit alter Welt.
Denn hätt Lucretia in Compagnie gesessen,
Darbey den Rocken, Rad und Mägde Fleiß vergessen,
So hätt Tarquinius sie nicht so schön geacht;
Sich nicht in sie verliebt, und seine Lust vollbracht.
Sie wäre nicht durch Stahl und Eisen abgefahren.
Nein! nein! wir wollen uns vor der Gefahr bewahren.
Wir spielen lieber mit und folgen ihr nicht nach;
So überfällt uns nicht dergleichen Ungemach.

August der Römer Schmuck, August die Zier der Prinzen,
August der mächtigste an Staaten und Provinzen
Erkannte doch darbey, wie falsch das Schicksal wär;
Daß Scepter, Kron und Reich, Glück, Reichthum, Macht und Ehr
Die Unbeständigkeit als seine Schwester küsse,
Daß man vom Thron und Glük oft schnell herunter müsse.
Drum sprach sein kluger Mund zu seiner Julia;
Prinzeßin! ist euch schon das gröste Glücke nah;
Seyd ihr die Herrlichste von allen Fürsten-Kindern;
So denkt nur allezeit, das Glüke kan sich mindern.
Hat nicht schon ehedem so mancher Fürst regiert,
Den alle Herrlichkeit und alle Macht geziert,
Allein wo ist sie oft so plötzlich hingekommen?
Hat ihm das Schicksaal nicht dieß alles abgenommen?
Daß wer der gröste war, und oft der reichste hieß,
Sich endlich elend, arm und niedrig sehen ließ.
Dieß stell ich mir auch vor; dieß schwebt mir in Gedanken,
Wie leichtlich kan mein Glück und meine Krone wanken;
Wie leicht stößt mich das Glück vom Scepter, Reich und Thron,
Und jagt mich ebenfals wie andre arm davon?
Drum liebste Julia: ihr möget euch bey Zeiten
Auf Unglück, Noth und Fall vernünftiglich bereiten.
Flieht stets den Müssiggang, verschwendet keinen Tag,
Arbeitet was die Hand und ihre Kunst vermag,
Ihr wüst nicht, ob euch nicht noch eure Hände nehren.
So ließ ein Kayser sich bey seiner Tochter hören!
So sprach auch Kayser Carl7 zu seinen Töchtern oft:
Flieht stets den Müssiggang, wie bald und unverhoft
Kan mich des Schicksaals Macht vom Thron ins Elend jagen.
Drum schickt euch auf den Fall bey annoch guten Tagen.

Wo ist zu dieser Zeit ein Bürger-Weib und Kind
Wie dieser Fürsten-Zweig geartet und gesinnt?
Wer denkt an seinen Fall, und an des Glückes Schläge,
Daß er sich vor der Zeit darzu bereiten möge?
Wer kömmt der Armuths-Last durch klugen Fleiß zuvor?
Wer haßt den Müssiggang, und hebt die Hand empor,
Daß sie sich in der Zeit zu jeder Arbeit lenke,
Damit es ihr nicht einst in schlimmen Tagen kränke?

O! hätte manches Weib, das sonst auf Küssen saß,
Und ihres Leibes-Läng auf Schwanen-Federn maß,
Sich vor der Zeit bequemt den Müssiggang zu meiden,
Vielleicht trüg sie noch jezt ein reinlich Kleid von Seiden;
Vielleicht rief nicht ihr Mund nach Wasser, Salz und Brod;
Vielleicht wär wohl ihr Aug nicht jezt von Thränen roth.
Man würde sie vielleicht anjetzo nicht verlachen,
Und sprechen: seht! sie lernt die Sachen anders machen.
Sonst grif sie nicht vor sich den kleinsten Finger an;
Jezt aber dienet sie mit Arbeit jederman.

Ich tadle nicht wenn sich ein Frauenbild bestrebet,
Daß sie nach ihrem Stand in ihrer Arbeit lebet,
Daß sie nicht öffentlich die Hand zur Arbeit reckt
Wodurch sie Vater, Mann an seinem Stand befleckt.
Daß sie die Hände nicht wie eine Magd gebrauchet;
Und wo's nicht nöthig ist, die Hand in Lauge tauchet;
Daß sie zur Reinlichkeit ein Stündgen an sich wendt;
Nur dieß ist mir verhaßt, wenn man den Tag verschwendt.
Wenn man den Sinnen, Händen, Füssen nicht zur Arbeit Flügel giebet,
Und nur der Schnecken-Brauch und ihre Mode liebet;
Wenn man die Arbeit so, als wie die Schlangen scheut.
Wenn man stets seufzend klagt: wie lang wird mir die Zeit!
Ich weiß vor Einsamkeit, ich weiß vor langer Weile,
Fast nicht, wohin ich jezt mich zu vergnügen eile.

Ein klug und fleisig Weib klagt vielmehr allemahl:
Wie ist mir doch die Zeit so schnell, so kurz, so schmahl;
Wenn ich vier Hände doch und so viel Füsse hätte!
Die Hände eifern fast und streiten um die Wette.
Ihr seltner Gassen-Trit hält ihr die Kleidung schön;
Und lehrt sie auf das Haus und ihre Kinder sehn,
Damit sie in der Zucht und Furcht erhalten werden.

Wie glücklich ist der Mensch der auf dem Kreiß der Erden
Der Klugheit Regel folgt, die ihm die Lehre giebt:
Der ist beglückt und reich, der Fleiß und Arbeit liebt.
Es freuet sich sein Geist wenn er bey sich erweget,
Zu diesem Glück hat mir mein Fleiß den Grund geleget.
Durch ihn erhielt ich bloß der Fürst- und Menschen Gunst.
Ich fand durch ihn den Weg zu mancher raren Kunst.
Es kennen mich durch ihn die klügst- und grösten Häuser.
Der Fleiß band mir den Kranz und diese Lorber-Reiser.

            * * *

Die Ehre ist ein Trieb der angebohren ist;
Die Ehre ist ein Ziel wornach ein Weiser schießt;
Ein Kluger ist bemüht, mit Ernst darnach zu ringen,
Und sich durch Müh und Fleiß erwünscht empor zu schwingen.
Sein Geist bestrebet sich um des Monarchen Gunst,
Von welchem alles Glück, Macht, Ehre, Reichthum, Kunst,
Und Tod und Leben kömmt. Er ringt nach solchen Sitten,
Wodurch der Fürst der Welt bekämpfet und bestritten
Und überwunden wird. Er ist in sich vergnügt,
Wenn er sich überwindt und seinen Muth besiegt.
Wo eine Tugend ist, und wo ein Lob regieret,
Dem jagt er ernstlich nach, damit ihn solches zieret.
Den Degen zücket er auf königlich Geheiß,
So tapfer als auch klug zu seines Fürsten Preiß,
Dem Vaterland zu Nutz, und nicht aus eignem Willen,
Wie mancher raßt und thut, nur seinen Zorn zu stillen.
Ein Weiser überhebt sich seines Adels nicht,
Daher er nicht so gleich von Bürgern spöttisch spricht!
Er zeigt sich jederman mit Freundlichkeit und Güte
Und unterdrückt den Stolz in seiner ersten Blüthe.
In Demuth sucht er Ruhm, in Niedrigkeit die Pracht,
Die ihn berühmt, beliebt und groß und glücklich macht.
Sein Geist bemühet sich den Fürsten treu zu heisen.
Sich allezeit gerecht und löblich zu beweisen.
Er will sich durch sich selbst und nicht durch Geld erhöhn;
Nicht um ein leeres Amt und Hunger-Titel flehn.
Er trachtet mit Vernunft die Feder so zu schnitzen,
Damit er würdig sey die Ehre zu besitzen.
Nach solchem Stolz und Ruhm, nach solcher Ehren-Bahn,
Strebt ein bescheidner Geist und klug und weiser Mann.

Die Welt aft allen nach, sie prahlt mit falschen Steinen,
Schleift Gläser; die gar oft als Diamanten scheinen.
Der falschen Perlen Glanz vertrit der wahren Ort,
Das rein und ächte Gold muß oftmals heimlich fort,
Und glänzendes Metall an dessen Stelle kommen.
Doch der Betrug wird bald von Kennern wahrgenommen.

Die wahre Ehre strahlt in ihrem eignen Licht,
Da es der närrschen Welt an ächtem Glanz gebricht.
Wer kan wohl ganz gewiß, mit Uberzeugung schwören,
Daß ihm der Adel Brief und Wappen zugehören.
Die Leute sagens wohl, der Vater glaubt es zwar,
Doch lacht die Mutter oft, die ihn zur Welt gebahr.
Wer weiß, welch geiler Kerl ein Neben-Bett gehalten?
Es giebt ja Leute gnug die gern dieß Amt verwalten.
Wer weiß, wie mancher Knecht die edle Frau geküßt,
Von dessen Bauren-Blut das Kind entsprungen ist.
Doch lassen sie sich mehr als Bürger-Kinder dünken,
Die gleichsam als ein Koth vor ihren Nasen stinken.
Die Ehrlichsten des Volks, die Würdigsten der Stadt,
Und wer ein gutes Lob und Gunst und Liebe hat;
Die heist man Bürger-Pack; man kan sie fast nicht leiden,
Man sucht sie wie die Pest und sonst noch was zu meiden.
Man fragt mit stolzen Mund im Umgang ganz genau:
Ist das ein Cavalier? dieß eine gnädge Frau?
Fällt dann die Antwort nein! so fragt man mit Erröthen;
Wie kömt es? ist denn Saul auch unter den Propheten?
Die Ehre heiset mich auf meinen Adel sehn,
Es schickt sich nicht vor mich mit Bürgern umzugehn.
Ein Junker, der nichts mehr als seine Stute kennet,
Worauf er in das Feld nach denen Haasen rennet,
Und bricht mit seinem Witz in diese Worte aus.
Poz Felten! o Charmant! Sie haben dort hinaus
Vortreflichen Respect; ein Weib von solchen Saamen,
Die nur von ihrem Vieh, von Wetter, Puz und Rahmen
In der Gesellschaft spricht; ein Weib das herzlich lacht,
Wenn ihr Bedienter ihr ein süsses Kurzweil macht;
Ein Fräulein welche fast in Evens Kleide gehet,
Und in der Ordens-Zunft der Minoritten stehet,
Die sag ich, schimpfen noch die Würdigsten im Land,
Und reden voller Hohn vom wackern Bürger-Stand.

Ist schon das Ritter-Gut durch ihre Pracht verschwunden,
So hat der dumme Stolz doch noch sein Schloß gefunden.
Wer nicht stets Gnädge Frau, und Ihro Gnaden spricht,
Der wird als grobes Pack aufs ärgste ausgericht.
Wenn sie das Sonnen-Licht mehr als die Eiche hitzet;
Und man vor heiser Angst die kalte Tropfen schwitzet,
Weil sie der Secten Schwarm der Manichäer plagt,
Wenn gleich der Junkern Mund ganz unaufhörlich klagt:
Herr Vater! ach mich dürst! ach gnädige Frau Mutter!
Ich bitte nicht um Fleisch, um Kuchen, oder Butter,
Ich bitt und flehe nur um schwarz und trocken Brod,
Nur wie ein Finger groß, nur von gar wenig Loth.
(Papa klingt viel zu schlecht: es heist, sprich: Ihro Gnaden!
Wo nicht, so soll es dir an Brod und Kofend schaden.)
So lassen sie doch nicht bey ihrem Pilgrims-Stab
Von solchen Narren-Stolz und Thoren Hochmuth ab.

Dieß reizt die Bürger an, die Ehre zu betrachten,
Da sie doch ihren Werth, durch solchen Trieb verachten;
Ein Bürger, der das Mark aus Land und Bürgern sog,
Der seinen frommen Herrn mit List und Schein betrog,
Erkauft den Ritter-Stand, und läßt sich adlich nennen,
Da ihn die Tugenden des Adels doch nicht kennen.
(Das ist schon edel gnug, wenn ihn das Volk begehrt,
Und spricht: Der ist getreu; der ist des Glückes werth:)
Ein Bürger, welcher sich durch Korn und Haber messen,
Durch ausgedehnte Ehl und Jüdische Intressen,
Und durch den Pfeffer-Stand groß, reich und stolz gemacht,
Wenn er nach Adel-Brief und Ritter-Wappen tracht;
Ein Bürger, welcher sich nach Hunger-Titteln dringet,
Durch seinen neuen Staat das alte Gut verschlinget;
Und durch dieß Ehren-Thor in Noth und Schande fällt:
Heist dieß der Ehre wohl vernünftig nachgestellt?

Ein Mann der einen Grad der Ehre kaum erblicket
Verlangt, daß jeder sich aufs tiefste vor ihm bücket,
Vermeint daß seine Ehr durch einen holden Trit,
Durch Freund- und Höflichkeit nur Schimpf und Anstoß litt.

Verliehrt die Ehre sich durch Freundlichkeit und Güte?
O nein! man sieht vielmehr, daß ein beliebt Gemüthe,
Ein allzeit höflicher und Sittenvoller Geist,
Fast aller Menschen Gunst und Liebe zu sich reist,
Ein jedes rühmet ihn, und spricht zu seinen Ehren.
Dieß, und kein stolzer Muth kan wahre Ehre mehren.

Ich weiß, es lacht mit mir die ganze kluge Welt,
Wenn ein gebrüster Mann auf diesen Wahn verfällt
Sein Titel sey etwas, den er doch darum führet,
Weil er die Gassen-Vögt und Bettler gubernieret.
Ein Jubelier der sich von Feuersteinen nennt;
Ein Commissarius, der wenn es etwa brennt,
Die Spritzen ordnen darf; der Kiel und Feder führet,
Wenn man ein Huren-Kind als ehrlich tituliret;
Ein Kaufmann neuster Art, bey dem man alles findt,
Und was denn wohl vors Geld? den allerschönsten Wind.
Drey Büchsen voller nichts; vor acht und vierzig Kreuzer
Zwey Quintgen fettes Schmalz aus dem Gebürg der Schweizer.
Ein halb Pfund Mandelkern ein halber Zucker-Hut,
Vier Stück Muscaten-Nuß, die alt, und folglich gut;
Sechs Dachte, welche rein, und schön und auserlesen,
Ein ganzes Schwefel-Pack, ein Dutzend gute Besen;
Ein Mann der nur den Kiel vor Vormunds-Rechnung führt,
Der seine Hauptmannschaft mit samt dem Schmauß verliehrt,
Vor ein Philister-Rohr, vor Born und Wache sorget;
Ein Mann der Hülfreich lauft wenn jemand Gelder borget,
Die sag ich, fällt mir nicht ein jeder lachend bey?
Die machen oft von sich ein groses Luft-Geschrey.
So wohl beym Aufgeboth als Tod- und Leich-Gepränge,
Erschallen überall der Titel grosse Menge:
Davon ein jeder doch so schön und artig klingt,
Daß einem bald vor Scherz der Bauch in Stücken springt.
Sie können schon das Amt des Vomitivs verwalten,
Ich muß, mir eckelt selbst, den Mund schon veste halten.

Dieß Volk ruft frech und stolz: Ich seh auf Ruhm und Ehr;
Wo wüste sonst die Welt wie ich zu nennen wär;
Ich fordre meinen Rang; denn wer nicht auf sich siehet,
Und sich um Glanz und Ruhm und Ansehn nicht bemühet,
Und nicht was auf sich hält, der wird auch nicht geacht,
Ihm wird kein Compliment nach seinem Wunsch gemacht.

Wie sieht man nicht die Welt vor falscher Ehrsucht rasen?
Drum klagt man, daß das Feld und Wald so leer von Haasen
Zu unsern Zeiten ist, dieweil man in der Stadt
Dergleichen artig Vieh mit zweyen Füssen hat.

Die Ehre, vor der Welt bekannt und klug zu heisen;
Der Ruhm, ein Zeitungs-Blat den Knaben aufzuweisen,
Das ihren Nahmen meldt, lockt viele Thoren an,
Daß sie ihr Hirngespinst, was der verderbte Wahn
In ihre Feder flößt, so närrsch die Worte klingen,
So Wiegenhaft es riecht, der Welt zu Markte bringen,
Wie Lohrgen dort gefehlt; was Dorilis geschwazt;
Wie Phillis ihrem Mann Aug, Mund und Bart zerkratzt;
Was Strephon wiederfuhr, da er ein Kräutgen suchte;
Wie scharf Luppinens Mund den falschen Buhlern fluchte;
Was Thalon aufgesetzt, was jene Frau gewust
Die bey der Wiege saß; wie stark der Floh gehußt
Als Meister Stephans Sohn mit Fickgen Hochzeit machte;
Was dort ein Wasserstrom ans Land getrieben brachte;
Wie viel man Bücher hier in einem Jahr gedruckt;
Wie viel Melintes Kraut und Pillen eingeschluckt;
Wie viel es Mönche giebt, die weise Kutten tragen;
Wie viel Partheyen sich im Schöppenstuhl verklagen,
Obs recht, daß man das I an statt des Y setzt?
Ob man die Reinigkeit der Sprache nicht verletzt?
Wenn man, wie oft geschieht, das Wort Gemüthe schreibet,
So, daß das liebe H darbey zurücke bleibet.

Wenn dieß der Feder-Held, wenn dieß der Criticus
(Der Nahme macht schon Angst wenn ich ihn nennen muß.)
Hat aufs Papir geschmiert, und in die Welt gesendet,
(Daß jeder kluger sieht, wie sein Verstand verblendet)
Und manchen Drucker reich, sich aber arm gemacht,
Und seinen Nahmen nun auf manchem Blat betracht,
So lacht er über sich, daß er in Süd und Norden
(Durch seinen Unverstand,) bekannt genug geworden.
Es freuet sich sein Geist wenn Kind und Pöbel spricht:
Das ist ein kluger Mann! desgleichen ist wohl nicht!
Gelehrte sagen auch, wo ist wohl seines gleichen?
Wo wird ein kluger leicht des Narren Sinn erreichen?
Vor Freuden bildt er sich (der Wahnwitz giebts ihm) ein,
Er muß ein Journalist und Polyhistor seyn;
Und zwar der Wichtigste; er saget allen Leuten,
So muß man sich den Weg zu Ehr und Ruhm bereiten!
Nur diesen streb ich nach, und unterdrucke nicht
Die Regung die in mir durch Mark und Adern bricht.
Er jauchzet, wenn er sieht, daß seine schöne Sachen,
Die man zu Käsen braucht, die Leute lachend machen,
Und wenn ein trunkner Mund, der nach der Pfeife stinkt,
Bey einem Glaß voll Bier, sein Stückgen ließt und singt.

Wie manches Zuchthaus ist vor liederliche Vetteln,
Die nur aus Müssiggang ihr Brod zusammen betteln,
Verordnet und gebaut. Allein ist keins zu sehn
Das denen Hülfe schaft, die sich so thörigt blöhn.
Wer weiß, wenn Pallas selbst die Züchtgung auf sich nähme,
Ob der verlohrne Witz nicht etwa wieder käme?
Doch nein, Minerva bleibt auf ihrem Helicon,
Was soll sich ihre Hand mit Midas theuren Sohn,
Mit Pans Geschlecht und Brut erhitzen oder schlagen?
Wer nicht will weise seyn, der mag die Schellen tragen.
Es muß der Unterschied in jeden Sachen seyn,
Dieß trift auch ebenfals bey diesen Leuten ein;
Pan liebt der Stümper Schaar; Apollo ist gerechter,
Der straft sie, und wormit? mit ewigem Gelächter.

Wer ist wohl der sich nicht vor den Franzosen scheut?
Doch unser Jungfervolk setzt diese Furcht beyseit,
Und glaubt aus hohem Geist und voller Ehrbegierde
Die Sprache dieses Volks erhöhte ihre Zierde.
So löblich jedes Volk auf seine Sitten hält;
So wohl ihm seine Zucht und ganzes Thun gefällt,
Haßt doch das Jungfervolk der sonst berühmten Deutschen
Die Titel ihres Lands: Sie lassen sich ehr peitschen
Eh sie den neuen Brauch der Franzen Titel fliehn.
Wo sieht man Jungfern jezt von Müttern auferziehn?
Nur Mademoisellen sind zu unsrer Zeit zu kriegen.
Soll denn in diesem Wort mehr Glanz und Ehre liegen?
O falsche Ehr und Ruhm! klingt Jungfrau nicht so schön
Als Mademoisell? Wie soll ich das verstehn?
Daß man sich dieses Worts und schönen Titels schämet,
Und seines Nahmens Glanz mit fremden Gold verbrämet.
Wär der in Spanien sonst übliche Tribut
Bey uns jezt im Gebrauch, das wär fürwahr nicht gut.
Man könte warlich nicht die Zahl der Jungfern stellen:
Warum? Wir haben nichts als lauter Mademoisellen.

            * * *

Corintho ist verbrannt; Corintho ist verstöhrt;
Sie ist in Schutt und Stein in Asch und Staub verkehrt.
Den Reichthum, Stolz und Pracht, ihr herrliches Vergnügen,
Sieht unter diesem Schutt so mancher Pilgrim liegen.
Ihr Grabmaal stellet uns noch ihren Abschied vor:

Mein Wandrer! wer du bist, mein Ansehn und mein Flor,
Mein schön und herrliches, und höchst vergnügtes Leben,
Hat mir den Untergang und Aschen-Gruft gegeben.

Corintho wär verwüst! wendt Lucifer bald ein.
Nein! nein! ihr Ebenbild wird noch zu finden seyn.
Ein Phönix stirbt zwar wohl, jedoch sein Aschen-Hügel
Bringt einen andern vor, der stark und frische Flügel,
Und neue Kräfte hat. So giengs auch dieser Stadt;
Ihr Staub, der in der Welt sich ausgetheilet hat,
Und sich durch Nas und Haupt und Hirn hindurch gedrungen,
Hat nun der Deutschen Sinn nach meinem Wunsch bezwungen:
So, daß nun manche Stadt Corintho Trieb erlangt,
Daß sie im Todte noch durch ihre Laster prangt.
Büß ich Corintho ein, ist sie nicht mehr vorhanden,
Was schadts! aus ihrem Staub ist manche Stadt entstanden.
Ich, ich, als ein Monarch, spricht Lucifer noch mehr,
Ich finde nicht allein bey Mächtigen Gehör;
Nein auch bey denen selbst, die nur in Hütten leben,
Bey denen die aus Noth sich in den Dienst begeben,
Die sich von Stahl und Blut, die sich vom Fremden Raub;
Die sich von fauler Milch; die sich vom Pfeffer-Staub;
Die sich vom Herings-Schwanz von Oel, von Salz und Butter;
Die sich von Ehl und Zwirn und Hosen-Unterfutter;
Die sich von Korn und Vieh; die sich von Zeitungs-Wind,
Und was ihr freyes Maul erzehlet und erfind;
Die sich von alle dem und andern Sachen nehren;
Die zu dem Niedrigsten in Stadt und Land gehören:
Die sinds, die meine Stadt Corintho auferbaut,
Und die mein Angesicht, als Reiches Säulen schaut.

Wie Nero dort auf Pracht und Wollust viel gewendet,
Und wie Cleopatra den grösten Schatz verschwendet;
Wie sich die Jesabel gezieret und geschmückt;
Dieß wird bey Adlichen und Bürgers-Volk erblickt.
Die wollen jezt an Pracht und zärtlichen Geberden,
An stolz und fetten Tisch den Grösten ähnlich werden.

Da Jacobs Saamen noch des Stiftes Hütte sah,
Da unter Knall und Glut der Allmacht Wort geschah,
Da war die Demuth noch das Augenmerk der Grosen,
Es suchte jederman um ihr Gewand zu losen.
So hoch, so königlich, so frey das Volk regiert,
So viel es Seegen auch an Zeitlichen verspührt,
So wurde doch ihr Leib nicht prächtig eingehüllet,
Die Lippen wurden nicht mit Leckerey erfüllet,
Scharlachen, Rosinroth, das war von ihnen fern,
Sie widmeten es nur zum Heiligthum des HErrn.
Das beste ihrer Kost, das niedlichste der Speise
Verehrten sie dem HErrn, zu seinem Hohen Preise.
Ihr Freud, ihr Ehren-Mahl bestande nur in dem,
Was die Natur gezeugt, was der Natur bequem
Gesund und dienlich war; ein Stückgen guter Semmel;
Ein Stück vom jungen Kalb; ein Stück von fetten Hemmel;
Ein Kuchen, den die Frau auf nette Weise buck;
Ein Wildpret, das der Mann selbst in die Küche trug,
Das zierte Haus und Tisch; sie haßten Lecker-Sachen,
Die das Geblüte schwer die Sinne trunken machen,
Und was das Leben sonst betrübt verkürzen kan.
Sonst lebte manches Weib, sonst lebte mancher Mann
Ins höchste Alterthum. Jezt muß er früh bey Jahren,
Durch Mißbrauch seines Guts ins Reich der Todten fahren;

Wohin mein Genius? du führst mich durch die Luft
Nach Rom, wo dein August in seiner Marmor-Gruft
In Lorber-Reisern schläft. Er regt sich! seine Glieder
Beleben sich aufs neu; sein edler Geist kömmt wieder.
Er ruft uns freundlich zu: Ich sprach zu meinem Kind:
Weil stolzer Kleider-Pracht der Hoffart Fahnen sind,
Und von der Schwelgerey ein freyes Zeugniß geben,
O! so gewöhne dich dem stets zu widerstreben.
Ich gieng ihr und dem Volk mit meinem Beyspiel für,
Ich unterdrückte stets die lüsterne Begier.
Ein wohlgewachsen Kraut, das die Natur getrieben;
Ein Mahl von lieblichen und wohlgebratnen Rüben
War damahls meinem Mund und Magen süß und schön,
Und niemand suchte mich deswegen zu verschmähn,
Indem mein Ansehn, Ruhm und Ehrfurcht, Ehr und Liebe,
Doch allezeit darbey in vollem Glanze bliebe.
Wie glücklich war die Zeit, in welcher ich regiert;
Wie glücklich war ich nicht, da ich den Thron geziert;
Bestieg ich jezt den Thron; wie würd man mich verlachen,
Und manchen Hohn-Gesang aus meiner Tugend machen
Der Ritter höhnte mich nebst jedem Bürger aus,
Man spräch mit gröstem Spott: Hält der so sparsam haus?
Will der kein zartes Kleid an seinem Leibe tragen?
Sich nicht in schönem Stoff, in Sammt und Purpur schlagen?
Drum wohl mir, daß ich jezt in meiner Kammer ruh.
Ich laß die Welt und schließ die Augen wieder zu.

So hoch als unsre Zeit an schön galanten Lügen,
An Wissenschaft und Kunst und Treflichkeit gestiegen,
So viel Geheimniß man ergründet und entdeckt,
So sehr wird der Verstand im Gegentheil versteckt,
Wenn man so Geist als Leib dem Stolz und Pracht ergiebet,
Der Eltern Schweiß verpraßt, und die Verschwendung liebet.
Heist das wohl mit Vernunft des Glückes Pfund genützt,
Wenn man ein güldnes Bild an Thür und Wagen schnitzt?
Der Diener Kleider Stoltz durch reiche Dressen mehret?
Auf Fürsten Betten schläft, auf Prinzen Kutschen fähret?
Die Bilder geiler Zeit, die Götter alter Welt,
Gar oft zur Aergerniß, in Gäng und Gärten stellt?
Allwo die Wasserkunst das Geld so gar verspritzet,
Wo mancher Aff und Bär an statt des Wächters sitzet.
Heist das wohl mit Vernunft das Erbtheil angelegt,
Wenn man das, was man sieht in seine Gärten trägt,
Und sich ein Labyrinth zur Pracht mit Schulden gründet?
Da man den Eingang wohl; doch nicht den Ausgang findet?
Heist das wohl klug gethan, wenn man Saal, Zimmer, Haus
Mit aller Kostbarkeit, biß an das Dach heraus,
Die Welschland, Gallien und Indien uns schicket,
Aufs allerprächtigste bekleidet, ziert und schmücket?
Die Zimmer übrig füllt; die Beutel aber leert?
Und eine bunte Wand als einen Götzen ehrt?
Sucht wohl die Tugend uns zu diesem anzulocken,
Daß man den Glieder-Bau wie stolze Kinder-Docken
Auf lächerliche Art und vielfach prächtig kleidt?

Da Adam und sein Weib die grose Herrlichkeit
Im Paradieß verlohr, da trugen sie, ach leyder!
Zum Zeugniß ihres Falls, ein Fell an statt der Kleider.
Kein Dieb prangt mit dem Strick, der seinen Hals umschlug,
Selbst Eva schämte sich da sie die Kleidung trug.
Wir aber lassen uns so sehr den Kopf verrücken;
Wir prangen höchst vergnügt mit unsern seidnen Stricken,
Die unsrer Eitelkeit und Thorheit Zeugen seyn.
Flößt dieses die Vernunft; giebt dieß die Tugend ein,
Daß man den Leib fast stets als zum Triumphe schmücket,
Die Kleider reich mit Gold und Silber übersticket,
Und kostbar ausstaffirt? daß man nach höchster Pracht
Die Kleider schön von Zeug und auf das feinste macht?
Daß man den Uberfluß so gar auch nicht vermeidet,
Sich wo nicht wöchentlich, doch vierteljährig kleidet;
Sich selbst zum Räuber wird; sich diebisch selbst bestiehlt,
Biß daß man endlich Schimpf, Noth und Verachtung fühlt.

Wie thörig ist es nicht, wenn stolze Geister denken,
Als könnt ein kostbar Kleid mehr Furcht und Ehre schenken,
Wirst du ums Kleide wohl vor andern mehr geliebt?
Meinst du, daß dir das Glück darum was grössers giebt?
Verbessert sich dein Stand um deines güldnen Degen,
Um deines stolzen Kleids und güldner Zwickel wegen?
Geh! prange wie du wilst, in einem ofnem Saal;
Stolziere wie du wilst, bey einem Freuden-Mahl,
Dein Stand, und nicht dein Kleid wird dir den Vorsitz geben;
Das Kleid kan nicht den Mann, wenn er nichts gilt, erheben;
Der Mann giebt nur allein dem Kleide Glanz und Zierd,
Wenn er die Tugenden in Wort und Wercken führt.

Trät Ahasvers Gemahl jezt unter unsre Frauen,
Was würde nicht ihr Aug vor Pracht und Hoffart schauen!
Ich weiß, es spräch ihr Mund: Ich trug mein Königs-Kleid
Niemahls zur Lust und Pracht, und bloß zu solcher Zeit
Wenn ich als Königin im Schmuck erscheinen muste,
Weil man da nichts von Pracht und stolzem Aufputz wuste.
Jezt stellt das Frauenvolk sich auch den grösten gleich;
Macht Mann und Kinder arm, die Krämer aber reich;
Sammt, Pelzwerk, theurer Stoff, und breit und stolze Dressen,
Band, Spitzen, Leinewand, was Fürstliche Prinzessen
Nur auszuschmücken pflegt, was ihnen bloß gebührt,
Kauft jede Edel-Frau, die sich mit solchen ziert;
Dieß ist der Schmuck in den sich Bürger-Weiber schlagen;
Dieß ist der Schmuck den gar der Zünfte Weiber tragen.
Kein modenhaftes Stück kömmt von der Seine her;
Kein theures Zeug bringt man vom Po und Mittel-Meer
Und von der Themse-Strohm, das Weib gaft schon nach allen,
Und solte auch der Preiß aufs allerhöchste fallen.
Was sonst ein vornehm Weib im ganzen Kleid verthat,
Das ist anjezo kaum der Kopf- und Spitzen-Staat.
So prächtig war sonst nicht ein adlich Haupt geschmücket,
Als man anjezt den Fuß der Bürgerin erblicket.

Im Stand nimmt man nicht nur die Ordnung nicht in acht;
Er wird im Alter auch gewiß sehr schlecht betracht;
Ein Weib, das fast so alt, als wie die graue Sare;
Das kaum auf ihrem Haupt ein Dutzend weise Haare
Und einen hohlen Zahn in ihrem Munde trägt;
Da jede Runzel sich in tiefe Falten legt,
Das Kind und Kindes-Kind als Grose-Mutter ehren;
Das will doch noch die Zahl der Hoffarts-Narren mehren;
Dieß geht oft noch so bunt und prächtig ausgeschmückt,
Als man die Töchter kaum und Kindes-Kind erblickt.
Von Rückwärts könte wohl ein Jüngling leicht verfehlen,
Und eine sechzige vor sechzehnjährig wehlen.
Sie dörften warlich nicht beym Felsenburgern stehn,
Wo die Matronen nur modest und erbar gehn,
Hingegen aber das, was jung und munter heiset,
Sich eines hellen Zeugs und bunten Kleids befleiset.

Wär Davids Fürsten-Kind, die Thamar jezt allhier
Und sie verlöhre sich: O mein! wo würden wir
Sie unter unserm Volk und Frauenzimmer finden?
Die meisten pflegen sich in Röcke einzuwinden
Die Thamars Fürsten-Rock gar gleich und ähnlich sind.
Wo sich ein bunter Stof von theurem Wehrte findt
Darein verhüllt man sich; man sticket goldne Stöcke,
Und Silber-Muschelwerk, und Blumen in die Röcke,
Daß mancher, der es sieht die närrsche Meinung hegt,
Es sey ein Fürsten-Kind das solchen Aufputz trägt.
Man kan jezt adliche und bürgerliche Frauen
Im Pracht und Kostbarkeit als Prinzeßinnen schauen.

O Schade! daß doch nicht die kluge Vorsichts-Hand
Euch gleichen herrlichen und hocherhabnen Stand,
Der Hoffart gnug zu thun, in dieser Welt bestimmet,
Weil doch ein solches Feuer in euren Herzen glimmet.
Was vor ein herber Schmerz und bittre Seelen-Pein,
Muß dieses eurem Stolz und blinder Hoffart seyn?

Jedoch nur unverzagt! wer weiß wie sichs verkehret,
Ob euch die Ehre nicht auch einmahl wiederfähret,
Die jenem Bauersmann auf Tag und Nacht geschehn.

Man sagt es könte sich die Erde täglich drehn;
So oft auch dieß geschieht, so hat der Moden Sitten
Doch diesen Erden-Klump im Wechsel überschritten.
Wie oft verkehrt man nicht die Mod- und Kleider-Tracht?
O! würde sie nur nicht auch närrischer gemacht!
Die Haare werden nicht mehr zierlich aufgekräuset,
Man meint, es läßt galant, wenn man sie hangend weiset.

Ihr Schönen! seht euch vor, weil, wie die Rede geht,
Ein merklicher Proceß im Schöppenstuhl entsteht.
Es heist, das Schäfervolk wär klagend eingekommen,
Man hätt von ihrer Heerd die Hunde weggenommen,
Und mit dem Budel-Fell die Häupter ausgeziert.
Drum seht euch vor; vielleicht, daß ihr das Recht verliehrt;
Die Schäfer dringen drauf, sie wollen was gestohlen
Von euren Häuptern selbst mit Nachdruck wiederhohlen.
Drum so vertraget euch mit einem gütgen Sinn,
Und gebt das Budel-Fell den Schäfern wieder hin.

Was vor Veränderung ist doch mit Stirn und Wangen
Der Schönen biß daher so öfters vorgegangen?
Ja unser Frauenvolk gönnt nicht dem Firmament,
Daß Sonne, Mond und Stern an solchem feurig brennt;
Drum lassen sie sich auch in ihrem Kopfe deuchten,
Es müß die kleine Welt mit gleichen Fackeln leuchten,
Drum wird aufs Angesicht als auf ein freyes Feld,
Auch Sonne, Mond und Stern zum Zierath aufgestellt,
Wenn jener Lichter Schein auf blauen Grunde strahlet;
So wird der untern Glanz auf weisen Grund gemahlet.
Und weil die Obersten nur vor die Nacht bestimmt,
Indem ihr heller Glanz die Finsterniß benimmt,
(Dieweil dem lichten Tag kein solcher Glanz vonnöthen,)
So nimmt und schneidet man dergleichen Welt-Planeten
Von schwarzen Taffend aus, und fragt wohl: läßts nicht schön,
Wenn Sonne, Mond und Stern im Angesichte stehn?

Vielleicht befürchten sich jetzunder unsre Schönen,
Das Mannsvolk möchte sich nach Perser-Art gewöhnen.
Denn dieser schickt vorher zu der erkohrnen Braut
Die nächste Freundin hin, die sie mit Fleiß beschaut,
Ob sie vollkommen ist. (Denn bey den Amazonen
Wird wohl kein Mannesbild so leicht nicht wollen wohnen.)
Drum zeigt das Frauenvolk vollkommen aufgedeckt,
Daß keine Amazon' in ihrer Schnürbrust steckt:
Und folglich man auch nicht die schöne Weiber-Gabe
Nach Persischem Gebrauch erst zu erforschen habe.

Man thut in diesem Stück den Schönen auch zuviel,
Als ob denselbigen die Sorgfalt nicht gefiel.
Man hört und siehet ja wie sie vom frühen Morgen
Biß auf die Abend-Zeit vor das so mühsam sorgen:
Was auch so gar versteckt, und nicht ins Auge fällt.
Allwo der Unterrock den ersten Platz behält.
Das Knie-Band folget nach. Wer hats euch denn gepfiffen,
Es würd nach selbigen gesehn, wohl gar gegriffen?
Wer kan denn vor das Spiel! man thut, was dieß gebeut!
Wer kan denn vor den Scherz und vor Geschwindigkeit!
Um nun das schöne Lob der Reinlichkeit zu hören,
So sucht man alles dieß mit Schönheit zu vermehren.

Ich weiß warhaftig nicht woher es weyland kam,
Daß eine Frau das Band von Bachi Throne nahm,
Um einen neuen Thron, worauf sie könte sitzen,
Zu bauen, und zugleich die Arm zu unterstützen.
Das Schicksaal führte sie mit samt dem neuen Thron
Zu einem Musen-Sitz, woselbst sich Bachi Sohn
Vor andern sonderlich im Schreyen hören liese.
Doch als ein Schnorren-Schwarm auf Bachus Brüder stiese
(Und man sich vor dem Feind durch eine Freystadt schützt
Der zornig wider uns mit Stahl und Eisen blitzt)
So rief dieß tapfre Weib: Nur unverzagt und munter!
Hier ist mein Reifrock! eilt! und kriechet alle unter!
Der soll vor Wach und Schnorr und sonst geheime Pein
Der allerbeste Schutz und sichre Freystadt seyn.
Die Pursche ruften hoch! und schrien mit grosen Schalle:
Wir bitten flehentlich: Ihr Schönen! leget alle
Dergleichen Röcke an. Wir wollen wieder sehn,
Wie wir zur andern Zeit euch wo zu Dienste stehn.
Gesucht, gewünscht, geschehn. Wer nur galant wolt heisen,
Der muste sich alsbald auf diese Tracht befleisen.
Die Gassen kamen drauf darwider klagend ein,
Sie würden fernerhin nicht breit und räumlich seyn,
Sie wandten klüglich für: Die Weite würde ihnen,
Den Jungfern nehmlich selbst, noch mehr zum Schaden dienen:
Weil ein zu weiter Rock an alle Stuffen /Ecken stößt,
So reißt die Seide auf daß sich der Faden lößt,
Und also desto ehr das Kleid zu Grunde gehet.
Die Männer fielen bey: Die Mode widerstehet
Der Weiber Sparsamkeit. Das Kleid, das man vordem
Zu Putz und Nothdurft trug, wird dadurch unbequem,
Dieweils den weiten Rock nicht decket noch bekleidet:
So nimt man denn zwey Stück, woraus man eines schneidet.
Da heist es: Männgen! thu zum neuen Kleider-Kauf
Nur ohne Widerspruch den Beutel willig auf.
Heist das nun nicht den Mann und Vater zu bestehlen?

Allein kein gutes Wort noch sonst ein ernsthaft Schmehlen
Galt bey dem Frauenvolk. Man sprach: es bleibt darbey,
Daß nur ein groser Rock in Zukunft Mode sey,
Und wo die Männer uns nicht neue Kleider schaffen,
So wollen wir so lang nicht bey denselben schlaffen,
Biß sich ihr Eigensinn nach unserm Willen bricht.

Wie artig fällt es nicht in aller Angesicht,
Wenn eine Knochen-Lust, wenn eine Härings-Seele,
Ein Weib aus Liliput solch ungeheure Höhle
Zu ihrem Sitze wehlt? Es sieht so zierlich aus,
Als ragt aus einem Faß ein Weiden-Hölzgen raus.

Und weil das Mannesvolk vom Staub die Schuh beschmutzet,
So werden sie dadurch beständig abgeputzet.
So zeigt das Frauenvolk durch diese Dienste an,
Wie sie zum voraus schon den Männern unterthan.
Es kan das Mannesvolk sich würklich glücklich achten,
Daß Weiber / Jungfern auf der Straß die Schu zu putzen trachten.

Wie öfters werden uns die Augen nicht berückt,
Wenn man bald hier und da ein Frauenbild erblickt,
Das Achsel, Leib und Haupt und Hals mit Bändern zieret,
Und wie ein Kutsch-Pferd prangt, das Hochzeit-Gäste führet,

Ihr Jungfern! die ihr euch nur wie es euch gelüst,
In eurer Kleider-Tracht nach Pfauen-Weise brüst,
Und euch aufs herrlichste und allerbeste kleidet,
Und auch den Uberfluß in Hoffart nicht vermeidet.
Was reizet euch darzu daß ihr so prächtig geht?
Vielleicht ist das der Grund, warum ihr euch so blöht,
Daß ihr dem Mannesvolk wolt in die Augen fallen,
Ob etwa ihre Brust vor Liebe möchte wallen,
Daß man euch in das Buch der Bräute schreiben soll?

Die Reizung ist zu frech! die Lockung ist zu toll!
Das Mannsvolk ist zu klug, das läßt sich wohl durch Schmücken,
Durch Frechheit, Stolz und Pracht so leichte nicht berücken.
Je gröser eure Pracht; je kleiner ist ihr Trieb,
Und desto weniger gewinnen sie euch lieb.
Glaubt, desto stärker ist die Furcht vor euren Strahlen,
Sie denken, wer dich freyt, der muß nur immer zahlen;
Der muß, was er erwirbt, verdienet und gewinnt,
An deine Kleider-Pracht, du stolz und müssig Kind!
Mit heimlichem Verdruß und Schaden nur verwenden,
Und wohl noch gar darzu sein bestes Gut verpfänden.
Sie glauben, welche sich dem Putz und Staat ergiebt,
Daß die auch Müssiggang und Fenster-Rahmen liebt.

Dieß ist der Jungfern Schmuck, der sie gefällig machet,
Wenn sie nicht frech und stolz und spöttisch spricht und lachet,
Nicht tadelsüchtig ist, und allen Umgang flieht,
Der sie von Tugenden und von dem Wohlstand zieht.
Keusch, freundlich, sittsam, klug, manierlich und bescheiden
Zu seyn, den stolzen Ernst und frechen Scherz zu meiden,
Der Wirthschaft nachzugehn, dieß ziert die Jungfern mehr,
Als wenn des Cörpers Bau in Gold gekleidet wär.
Dieß macht euch angenehm, gefällig und beliebet,
Daß euch das Mannesvolk Herz, Ring und Vorzug giebet.
Du mein geliebt Geschlecht! Ihr Schönen! saget mir,
Wenn nun des Bräutgams Hand die grüne Myrthen-Zier
Und Kranz vom Haupte reißt, ob das die Klugheit leidet,
Daß man auf dieses Fest so vieles Geld verkleidet,
Verschwendet und verzehrt, gar keine Mase hält,
Und sich so prächtiglich der Welt vor Augen stellt?
Wodurch ihr euren Stand und euch in Schaden bringet,
So, daß ihr öfters drauf das Miserere singet.

Die Braut ist freylich wohl des Bräutgams Augen-Trost;
Doch wisse, da dein Freund zuerst um dich geloßt;
Da er dich kennen lernt, und dich oft angesehen,
Da er dich voller Fleiß im Hause sahe gehen,
Da er dich nett im Kleid, jedoch nicht prächtig fand.
Ward er nicht dazumahl in seiner Brust entbrand?
Hat damahls nicht sein Geist dich andern vorgezogen?
Und war dir brünstiglich und inniglich gewogen;
Hat nun dein stolzer Putz die Liebe nicht erregt,
So wird sie würklich nicht erst jezt auf dich gelegt,
Da man dich stolz im Kleid und in gar theuren Spitzen,
Und Perl- und Steinen Schmuck sieht an der Seite sitzen.
Da sich dein Bräutgam nun an deinem netten Kleid,
An deinem klugen Fleiß, und nicht am Pracht erfreut,
Weswegen wilst du dann bald die, bald jene Gaben
Zu deiner Pracht und Zier von deinem Manne haben?

Was fehlt auch deiner Pracht, wenn dich dein Gatte ehrt,
Und liebt, und deine Ruh durch keine Kränkung stöhrt?
Ist dieß nicht über Schmuck und Kleider-Stolz zu lieben?

Bleibt denn der Ehstand auch ohn Trübsaal und Betrüben?
Nein! darum wendet nicht so viel auf Pracht und Staat,
So giebt der Uberfluß euch in dem Mangel Rath.

Ich weiß, man muß die Zeit bedächtig unterscheiden,
Weil man sich jezo nicht wie ehmahls pflegt zu kleiden;
Kein aufgeschliztes Wamst und Pluderhosen trägt,
Kein reiches Weib sich mehr in eine Schaube schlägt.
Man richtet billig sich in Kleidung, Tracht und Moden
Nach den Lebendigen, nicht aber nach den Toden.
Deswegen glaub ich auch mit der gescheuten Welt,
Daß es nicht unrecht ist, wenn man sich trägt und hält,
Wie es die Zeit befiehlt, und Stand und Rang verlanget,
Daß ein berühmter Mann in Hollands-Tüchern pranget,
Mit netten seidnen Zeug und Leinwand sich bedeckt:
Sein Haupt in fremdes Haar nach feinster Mode steckt,
Worbey ein feiner Knopf die nette Kleidung zieret.
Ich tadle nicht, daß sich ein Weib geschicklich schnüret,
In netter Schläfe Zier und saubrer Kleidung geht,
Und trägt was rein und schön und wohlanständig steht.
O nein! ich tadle nicht, die klug und muntern Schönen,
Daß sie Tabeens Art und Fleiß sich angewöhnen,
Daß ihre kluge Hand die Kleider künstlich neht;
Die Blumen und das Laub geschickt und artig dreht;
Wodurch sie Mahlern gleich den Laub und Blumen leben,
Durch Schatten und durch Licht durch Fall und Hebung geben.
Ich lobe, daß man sich durch seinen klugen Fleiß
In Kleidung mancher Art schön auszuschmücken weiß:
So wird der Hände Kunst bewundrend wahrgenommen,
Und kan zum Musterstück auf Kindes-Kinder kommen.

Nur dieß ist mir verhaßt, nur dieß ist ärgerlich
Daß es bey dem nicht bleibt, daß mans so prächtiglich
An Seide, Silber, Gold stickt, neht und zubereitet,
Daß es mit Fürsten-Putz und Rang und Vorzug streitet.
Daß mans so kostbar macht, daß eine einzge Post,
Ein Kleid so vieles Geld, als zwey, ja viere kost.
Nur dieß ist mir verhaßt, kein Kluger wird es leiden,
Wenn schlechte Frauen sich in Fürsten-Trachten kleiden.
Wenn hier ein Adliches, dort ein Professors Weib,
Hier eine Kaufmanns-Frau den aufgeblaßnen Leib
In Sammt und Hermelin und kostbar Pelzwerk schläget,
Das Köngen nur gehört, das eine Fürstin träget.
Es haßt es die Vernunft, wenn sich ein Weibesbild
Vom Mittelstand und Gut in theuren Stof verhüllt,
Wenn sie mit Spitzenwerk aus Hollands Krähmen prahlet,
Und um sehr hohen Preiß ein ganzes Stück bezahlet;
Daß Hauptputz, Leib und Fuß und alles kostbar prangt;
Wenn eine Bürgers-Frau das Theureste verlangt;
Wenn Handwerks-Weiber sich in Stof, Damast und Seiden,
Und Spitzen aus Braband, in Gold und Zobel kleiden;
Wenn eine Zofe hier, dort eine Kammer-Magd,
Mit fremder Mod und Tracht sich auszuschmücken wagt,
Und nach den Grösten richt; wenn man, so man was siehet,
Sich auch um den Besitz und Eigenthum bemühet;
Wenn man den Uberfluß in allen Sachen liebt,
Und nur fast täglich Geld vor Staat und Hoffart giebt.
Dieß ists, was die Natur, Vernunft und Tugend hasset,
Wovor ein Kluger stets den grösten Eckel fasset.

Ist jemand in der Welt an Glück und Ehre groß,
Der gebe sein Gemüth zur Thorheit nicht so bloß,
Und tracht an Kleid und Schmuck und prächtigen Geberden,
Und Moden und Gepräng nicht Fürsten gleich zu werden.
Es gaff ein Burger-Weib, das sich von Frucht und Laub,
Von Holz und Leinewand, das sich vom Pfeffer-Staub
Und Schreiber-Sporteln nehrt, nicht nach den Adel-Frauen,
Und lasse sich nicht so in Staat und Moden schauen.
Ein jedes trage sich nicht über seinen Stand;
Es werde nicht zuviel auf Kleider-Pracht gewand,
Damit fein zierlich, schön, nett, sauber, artig, reine;
Nicht aber voller Pracht ein Frauenbild erscheine.

Wie sehr veränderlich ist nicht Fortunens Blick?
Zieht sie nicht oftermahls ihr freundlich Aug zurück,
Und zeigt der stolzen Brut, daß ihre schöne Gabe
Die Unbeständigkeit zur Mitgefährtin habe.
Was hilft mich denn der Stolz, wenn euch das Glück verläßt?
Was werden nicht alsdann vor Thränen ausgepreßt?
Was habt ihr dann vor Lob, wenn ihr an statt der Seiden,
Euch müst mit Leinewand und Wollen Zeug bekleiden?
Wie bald wird eure Pracht des Strohm und Feuers-Raub?
So liegt der AbGott dann in Asche, Glut und Staub.
Der Pracht und Uberfluß, der Stolz die Hoffarts-Fahne
Bricht allezeit dem Fall und Untergang die Bahne.

Ein weiser Paulus spricht in seinem heilgen Brief
Der an Timotheum den theuren Lehrer lief,
Die Weiber sollen sich geschickt und zierlich kleiden;
Gold, Perlen, stolz Gewand und Pracht und Hoffart meiden.
Dieweil der Weiber Schmuck in Schaam und Zucht besteht.

Ein Weib das auf der Bahn der wahren Tugend geht,
Erwehlt sich dieß zur Pracht, daß sie getreulich liebet,
Den Gatten nicht mit Fleiß durch irgend was betrübet;
Nicht trotzig widerspricht; zu rechter Stunde schweigt;
Den Irrthum und den Fehl ihm in der Stille zeigt;
Zu rechter Stunde redt, und hat sie was zu sagen,
Sich allezeit bestrebt, bescheiden vorzutragen;
Ihn im Beruf nicht stöhrt, hilft wo sie helfen kan;
Sieht ihn zur Zeit der Ruh mit holden Blicken an;
Und wenn sie auch mit ihm wie dort Rebecca scherzet,
So ist sie nur bedacht, daß sie ihn zärtlich herzet;
Sie liebt die Häußlichkeit, und haßt den Müssiggang;
Sie hält die Kinder nicht in tollem Sclaven-Zwang,
Doch führt sie ihnen auch in ihrer Lust den Ziegel.
Ihr Tugend-Wandel ist des ganzen Hauses Spiegel.
Ihr Amt verrichtet sie bedächtlich, häußlich, klug,
Und schadet keinen nicht durch Plaudern und Betrug.
Ist gegen jederman bescheiden, mild und gütig,
Flieht Hoffart, Pracht und Stolz, bezeigt sich ehrerbietig,
Sie hört der Armen Noth, und dient nach Möglichkeit,
Das Haus regieret sie mit Liebe, nicht mit Streit.
Kurz, ein vernünftig Weib läßt dieses von sich lesen,
Sie ist des Mannes Lust und süsser Trost gewesen.
Den Kindern war sie stets ein wahres Mutter-Herz;
Und wem sie dienen kunt, ein Balsam vor den Schmerz,
Der Tugend Musterbild, der Haußgenossen Freude,
Der Laster steter Feind, der Menschen Augen-Weide.

Die Hoffart fällt mir jezt verwegen in das Wort,
Und spricht voll Unvernunft: ich sehe hier und dort
Ein Haus und Wohngemach von Hausrath und von Tüchern,
Von denen mich die Zahl und Zeichen vest versichern,
Es rühre alles noch von ihren Eltern her.
Das Kleid und weise Zeug das sie, die Frau, und er
Der Mann am Leibe hat, das ist schon abgetragen.
Wie lange soll man sich mit solchen Kleidern plagen?
Also verräth der Mund die lasterhafte Seel.

Jedoch ich höre auch das Volk von Israel;
Wie es gar anders spricht: Was vor ein schöner Seegen
Erhielten wir vom HErrn auf unsern langen Wegen?
Es wurden unsre Schu nicht mürbe, schlaf noch alt;
Die Kleider wurden nicht verschabt noch ungestalt;
Der Höchste wolte sie vor Riß und Moder schützen.
Wie frölich kan ich doch in meiner Wohnung sitzen!
Wie ruhig lieg ich doch in meinem Schlaf-Gemach!
So spricht der Hoffart Feind dem Saamen Jacobs nach.
Prangt meine Wohnung nicht mit lauter neuen Sachen,
Laß ich mir wöchentlich nicht neuen Hoffart machen:
Bleibt Kleid und Hausgeräth noch immer schön und gut,
So freut sich des mein Geist, so bin ich wohlgemuth.
Ich schäme mich des nicht, ich halts vor einen Seegen,
Vor einen Hermons-Thau und fetten Gnaden-Regen,
Daß meiner Eltern Schweiß noch brauchbar vor mir liegt;
Daß mein erworbner Fleiß nicht wie der Staub verfliegt;
Daß mir wie Israel die Kleider nicht veralten:
Es zeigt darneben an, daß ich gut hausgehalten,
Daß ich die Sparsamkeit und Reinlichkeit geliebt,
Und meine Eltern sich darinnen auch geübt,
Es überzeugt mich auch, daß noch kein Fluch gekommen
Der mir das Meinige geraubt und weggenommen:
Und daß kein böser Wunsch auf meinem Hause ruht,
Der mein ererbtes Theil verzehret und verthut.
Lacht, höhnet immerhin ihr stolzen Mode-Narren;
Ich wehle diesen Ruhm, und laß euch gern die Sparren.

            * * *

Steh auf Herodotus! und gieb die Ursach an,
Warum in Persien des gröst- und reichsten Mann
Sein Schädel und sein Haupt sich also mürbe zeiget,
Da der Egypter Haupt der stärkste Schlag nicht beuget?
Ich weiß warum. Mir fällt die Ursach jetzo bey:
Der Bürger an dem Niel veracht die Leckerey
Und Wollust im Getränk, in Speisen und in Essen,
Und hat die Zärtlichkeit bey seinem Thee vergessen.
Er flieht den leckerhaft und delicaten Schmauß,
Und härtet seinen Leib durch Wind und Hitze aus.

Die Welt dünkt sich so klug, und scheut die Kranckheits-Bürde,
Damit der Glieder-Bau nicht hart gedrücket würde;
Sie fürchtet Fieber, Brand, Geschwulst und Beul und Pest,
Worbey sie in der Noth sich auf den Artzt verläßt.
Und gleichwohl ist der Mensch an seinen Schmerz und Plagen
Die er an Haupt und Fuß und Leibe muß ertragen,
Nur selber Schuld daran; flöh er die Zärtlichkeit,
Und gäb dem Munde nicht so viel Gelegenheit
Mit leckerhafter Kost und feurigen Getränken,
Die China, Africa und Spanien uns schenken
Den Magen, Leib und Sinn gleich einer vesten Stadt,
Die gar ein feindlich Heer vor ihren Mauren hat,
Zu stürmen, und die Burg des Leibes zu belagern:
So würden viele nicht verdorren und vermagern.
Die Säfte würden nicht verzehret und verbrennt;
Stein, Gicht und Podagra, und was man schmerzhaft nennt,
Den Kopf-Weh, Mattigkeit und des Geblütes Wallen
Wird keinen Mässigen so leichtlich überfallen.

Wie ruhig und vergnügt lebt ein vernünftger Mann,
Der seinen Lecker-Mund und Magen zwingen kan.
Betracht des Bauers-Mann und stolzer Herren Kinder,
Ist nicht die erste Art weit stärker und gesünder?
Genießt das zarte Kind nicht größre Stärk und Lust
Durch seiner Mutter Milch, als von der Huren Brust?
Ein Stückgen Brod, ein Trank von Gersten giebt mehr Kräfte,
Als alles Zuckerwerk und leckerhafte Säfte.
So wird das zarte Kind von Jugend angewöhnt,
Daß es sich nach der Kost der geilen Eltern sehnt;
Was Wunder wenn hernach die Laster sich vermehren,
Die das erworbne Gut durch Zungen-Lust verzehren.
Wie glücklich ward nicht da das Volk am Tieber-Strohm,
Da Bürgermeister noch die ganze Welt und Rom
Geschickt regiereten. Da man Gesetze gabe,8
Daß Rom die Mässigkeit zum Augenmerke habe.

Wie glücklich ward ihr doch ihr Alten jener Zeit!
Die ihr euch an der Zier der Mäßigkeit erfreut.
Wie ward ihr so beherzt, gesund und stark und wacker,
Da euer Mund das aß, was euer fetter Acker
Und Reb- und Garten-Bau, und Vieh und Schäfer-Stab,
Teich, Waldung, Hof und Stall euch zu verzehren gab?
Ein ausgepreßter Trank von selbst gepflanzten Reben,
Benebst dem braunen Saft, den Gersten-Körner geben;
Ein Fisch, den euer Netz und Angel selber fieng;
Ein Wildpret, welches euch zu nah in Garten gieng;
Ein Vogel, welcher sich in euren Garten setzte,
Und sich den zarten Fuß durch Schling und Leim verletzte;
Ein Stück von einem Schaaf, und eingesalzten Schwein;
Ein Stück von einem Kalb, und fetten Rinder-Bein;
Ein Stückgen von der Brust, nebst guten Rinder-Zungen,
Die Küchen-Rauch gefärbt, und beisend Salz durchdrungen,
Worüber man die Brüh von alledem gekocht,
Was selbst die Hand gepflanzt, und was das Beet vermocht;
Als Lorbern, Timian, Wachholdern, Roßmarien,
Lauch, Kimmel, Majoran, und Zwiebeln die nicht bliehen,
Und was der Garten sonst an Frucht und Beeren giebt.
Ein Kohl, den die Natur und nicht die Kunst geschiebt;
Ein Obst, das ebenfals nur die Natur getrieben,
Milch, Ey und Butterwerk, das rein und frisch geblieben;
Ein Kuchen, den das Weib weiß, fett und locker buck,
Dieß war was man zu Tisch und auf die Tafel trug:
Damit erquickten sich die Grosen und die Kleinen.
So blieben sie gesund und stark an Fleisch und Beinen
So lebten sie vergnügt, und gaben zu verstehn,
Wie gerne sie den Flor der Kindes-Kinder sehn,
Daher sie solchen auch die Gelder nicht verpraßten.

Jezt aber, da die Welt mit Segel, Wind und Masten
Aus dem vor kurzem erst entdeckten Theil der Welt,
Das was auch Africa und Ceilon in sich hält,
Was uns Levante zeigt, was Welschlands Boden träget,
Was Ungarn, Spanien vor unsre Augen leget,
Mit stürmender Gefahr und Kosten hergebracht,
So wird der Alten Kost jezt spöttisch ausgelacht.
Der Deutsche Trauben-Saft, der Wein von unsern Reben,
Wird selten beym Besuch und Gastmahl hergegeben.
Der ist zu schlecht darzu. Es lüstert Mund und Seel
Nach neuer Leckerey gleich wie dort Israel.
Ein neuer Tag muß auch ein neu Gericht ersinnen!
Um der Verschwendung nur das sträfliche Beginnen
Aufs strengste, uns zum Spott und Schaden, zu vollziehn.
Eh noch die Speisen reif; wenn sie noch wäßrig, grün,
Und roh und sauer sind, so lüstert man nach diesen.
Da heists: Wenns andre schon auf ihrem Tisch geniessen,
So eckelt mir davor. Was theuer ist, schmeckt gut;
Was viele Thaler kost, das labet Zung und Blut.

Die alte Reinlichkeit in Speisen und in Essen,
Bringt jetzt die Leckerey und Wollust ins vergessen.
Wie manche Härings-Milch (wer lacht jezt nicht mit mir?)
Setzt man den Austern gleich in Auster-Schaalen für,
Daß man den Appetit der Lecker nur ergötze,
Und ihren lüstern Mund in süsse Ruhe setze.
Sonst nahm der Köchin Hand den Vogel-Mist heraus;
Jezt ist derselbige das beste auf den Schmauß
Wornach man sehnlich greift. Man darf den Hottentotten,
Der Darm und Mist verzehrt, hinführo nicht mehr spotten;
Ihr machts mit Vögeln so. Ja spricht die Weisheit jezt,
Der Vogel, welcher nur auf kräftgen Stauden sizt,
Ist ganz ein ander Ding; er frißt sonst nichts als Kräuter.
Gut! aber gehe doch nur wenig Schritte weiter
Da weidet eine Kuh, die gleichfals Kräuter frißt.
Warum gelüst dir dann nicht auch nach ihrem Mist?
(Doch dieses widmet man zum Schnupftoback der Schönen,
Die sich denselbigen so eifrigst angewöhnen,
Als wärs ihr Element.) Ein Hecht der Karpfen frißt,
Und dessen Aufenthalt ein klares Wasser ist,
Der scheint jezt nicht genug den Appetit zu stillen.
Die leckerhafte Welt, (sind das nicht närrsche Grillen?)
Ergötzet sich an dem, was in den Sümpfen kriecht,
Und was beym ersten Blick schon eckelhaftig riecht.
Die Kröten welche sich mit Schild und Harnisch decken,
Und dem der sie erblickt, nicht wenig Graus erwecken;
Die Frösche, die der Schlamm, Gestank, Pful und Morast
In seinem Inbegrief verschließt und in sich faßt,
Die groß gebildet sind, und recht gefährlich sehen;
Die Schnecken, welche sich kaum auf der Erde drehen;
Das, was so unrein ist und so abscheulich sieht,
Und öfters Magen-Schmerz und Drücken nach sich zieht,
Das soll, man höre doch, ich könnt es nicht errathen,
Viel delicater noch als guter Kälber-Braten,
Als Tauben, Hecht und Hahn, und Rinder-Zungen seyn.

Wie enge schrenkt sich doch jezt Witz und Klugheit ein.
Was wird die Leckerey noch weiter unterfangen?
Habt acht, ich warne euch ihr schnell und krummen Schlangen,
Man stellt euch würklich nach, und macht euch endlich ein,
Als soltens köstliche und rare Bricken seyn.
Ihr Regen-Würmer weicht, kriecht ja nicht aus der Erden,
Ihr müst sonst würklich noch zu Wasser-Schmerlen werden.
Ihr Ratten seht euch vor, versteckt euch in die Höh,
Sonst macht man euren Leib zu einem Fricassee.
Ihr Fledermäuse fliegt, sonst steckt man euch ans Feuer.
Jezt hat man euch umsonst, man kauft euch doch wohl theuer,
Man sucht euch wohl alsdann mit vieler Müh zu Rom,
So wie den Regen-Schmerl im schnellen Tieber-Strohm.
Ja Maden, welche auch aus alten Käsen sprudeln,
Die werden endlich noch zu Moscowitschen Nudeln.

Zur Nahrung und zur Noth pflegt man den Leib jezt nicht,
Zum Uberfluß sind jezt die Zungen abgericht.
Der Tisch kan oft die Last der Schüsseln nicht ertragen;
Den Magen trachtet man mit Zungen-Lust zu plagen;
Nachdem man lang gespeißt und seinen Bauch gemäst,
Daß man kaum Ohdmen kan, und schwer und käuchend bläßt,
So wird Levantens Frucht durch Asch und Staub verzehret,
Wodurch die Wollust schon viel Beutel ausgeleeret.
Der Leib hat bey dem Tisch des Tags nur einmahl Ruh;
Man bringt den ganzen Tag mit Trink und Essen zu.
Wodurch man die Vernunft und Tugenden begräbet,
Und mehr vor seinen Bauch als vor den Nächsten lebet.

Ich widerspreche nicht, daß hier ein Graf und Fürst
Nach theurem Trauben-Blut, und raren Weine dürst;
Daß er mit fremder Kost die Tafel reich bedecket,
Und manche Kostbarkeit und niedlich Essen schmecket;
Wer nehrte sich wohl sonst; wo käme sonst das Geld
Durch Handel und Gewerb und Nahrung in die Welt?
Ich tadle nicht, daß auch ein Reicher das geniesset,
Was in dem feinen Meer und fremden Ströhmen fliesset;
Daß er Italiens und Ungerns süsse Frucht
Von Reben oder Baum zu seiner Lust versucht;
Daß seine Zunge sich an diesen auch erquicket,
Was uns durch Wind und Mast Ost, West und Süden schicket:
Damit er der Natur auch ihre Schätze sieht,
Wie kräftig dieses schmeckt, wie prächtig jenes blüht,
Und weiß, wie jedes pflegt geschickt gemacht zu werden.
Dieß aber widerspricht der Klugheit auf der Erden,
Wenn er sich dran gewöhnt, und seinen Mund nicht zwingt,
Daß ers aus Leckerey und Ubermuth verschlingt.

Dieß kan die Tugend nicht, noch die Vernunft vertragen,
Daß Männer, welche sich durch Trug ans Bret geschlagen,
Die Fürsten ungetreu und Landes-Plager sind;
Daß Männer, welche sich durch Advocaten-Wind
Und rechtlichen Betrug ein Haufen Geld erlogen;
Daß Männer, die das Blut der Waysen ausgesogen,
Die Urtheil nur nach Gunst und Thalern abgefaßt,
Und die Gerechtigkeit als einen Feind gehaßt.
Daß Männer, die durch Pfand und Jüdische Intressen
Des Tagelöhners Brod, der Wittwen Scherf gefressen;
Daß Männer, die das Maas und Ehle und Gewicht
Und Waaren zum Betrug und Diebstahl eingericht,
Und sich mit Weib und Kind von dem Betrug ernehren,
Das speisen, was wohl oft die Grosen nicht verzehren;
Daß man die Tafel stets mit solchen Sachen füllt,
Womit sich nur der Mund und Wollusts-Zunge stillt.
Daß sich ein Bürgermann gleich wie ein Groser speiset,
Dieß ist, was die Vernunft und Tugend Thorheit heiset.

Wie seufzt die Liebe doch! o! zög ein reiches Weib,
Auch wohl ein stolzer Mann ein einzig Kleid vom Leib,
Ja einen Aufsatz nur, und deckte arme Seelen,
Die sich vor Kält und Frost, und Blöse trostloß quälen;
Entzög ein Leckermaul und ein Verschwender nur
Die Woche eine Kost von mancher Creatur;
Von seinem Uberfluß ein Gläßgen aus dem Keller;
Von seiner Tafel Last den Uberrest vom Teller
Und gäbs dem Lazarus, der dort nach Brode schmacht,
Wie seelig hätt er nicht die Wohlthat angebracht.
Wie herzlich würden sich die armen Brüder freuen;
Was würde nicht vor Heyl auf seinen Boden schneyen.

Ihr Eltern, die ihr stets nach Lecker-Speisen strebt,
Und alle Tag in Freud- und Zungen-Lüsten lebt,
Ists möglich, daß ihr ganz den Liebes-Trieb verfluchet,
Und eurer Kinder Noth durch eure Wollust suchet?
Wär noch ein Fünkgen Feuer von Elterlicher Lieb'
In eurer Brust, ich weiß, daß dieses unterblieb.
Ihr würdet euer Gut nicht durch den Mund verzehren,
Daß euer Saame sich mit Ehren könte nehren,
Der sonst vor Glück und Lob, wenn ihr dereinsten sterbt,
Der Unterdrückten Fluch, Schuld, Noth und Armuth erbt.
Ihr Eltern gehet hin, und lernet von den Raben,
Was sie vor Lieb' und Sorg vor ihre Jungen haben.

            * * *

Da Gottes Allmachts-Hand, die Sonne, Tag und Zeit
Und diese Welt erschuf, und sie mit Seltenheit,
Mit Zierde, Glanz und Pracht und aller Schönheit baute,
Und was er nur gemacht, mit viel Vergnügen schaute.
Beschloß er, daß der Mensch, sein ächtes Ebenbild
Mit viel und groser Macht und Herrlichkeit erfüllt,
Und mit besonderm Glanz gezieret solte werden.
Der Schöpffer machte ihn zum Herrn der ganzen Erden.
Er war sein herrlichstes und liebstes Augenmerk;
Drum hat er selbigen auch über alle Werk
Die er so schön gemacht, die er so hoch geschätzet,
Und aller Creatur zum Fürst und Herrn gesetzet.
So herrlich und so hoch sah Gott den Menschen an;
Er sprach: Mach dir die Welt und Erde Unterthan;
Herrsch über alles das, was auf der Erde lebet,
Was sich in Wassern regt, und unterm Himmel schwebet.

Allein! wo schließt der Mensch des Geistes Augen auf?
Wenn hebt er wohl sein Licht zur Sternenburg hinauf,
Und denkt an seinen Glanz, Macht, Adel, Würd und Ehre?
Daß er warhaftig auch ein Herr der Erde wäre.
Wie schätzt er doch so schlecht die gröste Herrlichkeit?
Wie setzt er die Vernunft, den Adelstand beyseit,
Den ihm sein Schöpfer gab? der Mensch von grosen Gaben;
Der Mensch, den Gott so hoch gesetzet und erhaben,
Der diese ganze Welt und Erd beherrschen soll,
Der ein Monarch will seyn, der ist so dum und toll,
Und stellt sich so herab, daß er vom Saft der Trauben,
Und Bier sich Geist und Witz, Verstand und Kraft läßt rauben.
Ey seht! der stolze Mensch legt Sclaven-Fesseln an,
Und wird dem Erd-Gewächs so schimpflich unterthan.
Der Mensch, die kleine Welt, O! solt er sich nicht schämen!
Läßt sich von einer Frucht der Welt gefangen nehmen.

Der Seelen Wandelung, die so viel Streitens macht,
Da Zeno ihren Grund und Lehre vorgebracht,
Beweiset sich an dem, der sich zum Bacho wendet,
Und dem gefüllten Glaß Vernunft und Witz verpfändet.
Wo in der Seele sonst Verstand und Tugend saß;
Und man die Handlung stets nach klugen Regeln maß,
Da wird der Seelen Thun durch Saufen umgekehret,
Das Gute abgeschaft, verworffen und verstöhret.
Die Klugheit bläßt ihr Licht und ihre Strahlen ein;
Die Weisheit kan beym Trunk nicht mehr Regentin seyn.
Der Tugend-Fackel wird verlöscht und ausgebrennet,
Und was sich sonsten schön und nach dem Wohlstand nennet,
Das findet durch den Trunk ein ganz gewisses Grab,
Die Thorheit giebt darbey den klugen Redner ab,
Und spricht: Der Tod wird sonst vor mächtig ausgeschriehen,
Es muß auch in der That die Seel vom Leibe fliehen.
Allein die Lust zum Trank besitzet noch mehr Macht,
Durch diese wird so gar die Seele umgebracht.
Sie tödten selbst den Geist, Verstand und alle Sinnen.

Darius wach jezt auf! und höre das Beginnen
Der Knaben, die zur Wach bey deinem Throne stehn;
Wie jeder seinen Witz durch einen Spruch läßt sehn.
Mich deucht ich seh im Geist dein gröstes Königs-Zimmer,
Mir ist als fänd ich dich in deinem Glanz und Schimmer,
Und deine Mächtigsten um deinen Purpur-Thron,
Wie da der Klugheit Kind, wie da der Weisheit Sohn,
Vom Wein und seiner Kraft so schöne Reden führet,
Daß man den klugen Geist aus seinen Worten spühret.

Er hebt verwundernd an: Wie mächtig ist der Wein:
Denn er verführet die, so ihm ergeben seyn.
Fürst, Freye, Weise, Knecht, die Armen und die Reichen
Macht er, daß sie durch ihn an Witz einander gleichen.
Er raubet den Verstand, bringt Widerwärtigkeit,
Macht frölich, aber so, daß man das Ziel beyseit
Und aus den Augen setzt, daß man sich nicht bezwinget,
Noch auf des Landes Wohl wie sichs gebühret, dringet!
Er macht durch Phantasie und Wahnwitz alle reich;
Es denkt der Unterthan, er sey dem Fürsten gleich;
Setzt dadurch Ehr und Furcht und Demuth auf die Seite,
Und spricht, wem lächerts nicht? von groser Ehr und Beute.
Hat denn der Trunk den Geist in völliger Gewalt,
So gilt kein Freundschafts-Band. Es heist: Du Hundsfott halt!
Und zucke das Gewehr! Ist denn der Rausch vergangen,
So weiß man nicht, was man im Trunke angefangen.

Der Saal verliehrt sich mir; ich sey an dessen statt
Das Thier, das Bileam vordem geritten hat.
Es scheint, als kriegt es gar jezt seine Sprache wieder,
Und ruft den Menschen zu: Ihr singt mir tolle Lieder
Von meiner Einfalt vor. Doch kommt in meinen Stall,
Gebt nur ein wenig acht, ihr merket überall
Daß ich an Klugheit euch bey Weitem überstiegen,
Ich speise nicht mehr Heu, drum bleibt sehr vieles liegen,
Als nur mein Hunger braucht. Kein Wasser trink ich mehr,
Als biß mein Durst gelöscht. Ich wüst nicht wie mir wär?
Solt ich, das dümmste Thier, den Magen überladen,
Und mir an meiner Kraft und der Gesundheit schaden?
Ihr Menschen aber seyd viel ärger als das Vieh,
Weit dummer als wie ich. Ihr esst und trinket nie;
O! nein! ihr sauft und schwelgt, und hört nicht auf zu fressen,
Biß die Vernunft versenkt, und alle Schaam vergessen,
Und ausgerottet ist, biß daß die Tugend stirbt,
Und jeder unter euch der Höllen Lohn erwirbt.

Ich habe ehedem in einem Buch gelesen,
Daß Circens Zauberstock, so kräftig sey gewesen,
Daß er Ulysses Volk in Thiers-Gestalt verkehrt.
Da mich nun jezt ein Schwein in meiner Rede stöhrt,
So glaub ich, dieß gehört mit unter solchen Orden,
Die durch den Zauberstock zu Thieren sind geworden.
Ihr Menschen! hört doch zu, wie es so artig spricht:

Willkommen Brüdergen! kennt ihr die Schwester nicht?
Willkommen Brüdergen! nun ist mein Leid verschwunden,
Weil ich euch allesamt so glücklich wieder funden.
Auf! füllt der Sittenkunst zu Trutz die Gurgeln an,
Schwelgt, fresset, sauft und schluckt, so lang als einer kan,
Besudelt euren Leib, die Erde, Kleid und Kragen,
Und laßt euch wenns geschehn, aufs Streu im Stalle tragen;
Alsdann wird euer Nest gleich wie das Meine seyn,
Da werft euch mit mir um, und schlaft so wie ich ein.

O Mensch! verlangst du denn wie diese Sau zu stinken?
Wer klug ist, pfleget sich mit nichten voll zu trinken!
Er trinket vor den Durst zur Labung und zur Stärk;
Die edle Nüchternheit ist stets sein Augenmerk.
Ein Kluger weiß wie sehr er seinen Schöpfer kränket,
Wenn er zum Uberfluß die Zung und Lippen tränket;
Er weiß wie sehr die Kraft der Seelen Schaden leidt;
Wie sehr er Gottes-Hauß durch solche That entweyht;
Wie weit die Tugend flieht; wie weit der Wohlstand reiset;
Wie oft man nur zum Spott mit Fingern auf ihn weiset,
Und ihn verächtlich hält; daß sein Gesundheits-Kahn
Auf dem Schlaraffen-Meer bald Schifbruch nehmen kan:
Deshalben will er nicht mit unterm Narren Haufen
Nach Lethens todten Pfuhl zu seiner Schande laufen.

Wir haltens insgesamt vor eine Landes-Noth,
Wenn uns ein feindlich Heer mit Schwerdt und Pulver droht,
Und unsre Friedensstadt bemüht ist zu belagern,
Und durch die Kriegeskunst gedencket auszumagern,
Durch Kugeln, Blitz und Glut die Stadt verderben will.
Wie kläglich klingt nicht da das Sayt- und Singe-Spiel?
Man fürchtet Schwerd und Feind, und schmiedt doch selbst die Waffen
Wodurch wir unsern Fall, Noth, Todt und Elend schaffen.
Die Liebe zu dem Trunck ist gar ein starcker Feind,
Ob er gleich ohn Geschütz und Schwerd und Bley erscheint.
Ein oft gefülltes Glaß mit Gerst- und Reben-Tropfen,
Ist schon genug bey uns, zum Kriege anzuklopfen:
Der Sieg ist auch gewiß; Es nimt gar bald der Wein
Das Hauptwerck an dem Bau der Leibes-Festung ein.
Er hauset als ein Feind, und raubt und plündert alles,
Was die Natur zur Wehr und Hindrung unsers Halles
Durch die Vernunft gesetzt. Da springet Thor und Thür,
Geist, Kräfte, Ehre, Glück, das alles missen wir.
Die Thorheit kan darauf die Siegs-Trompete blasen,
Sie ruft: Die Tugend fiel alhier auf diesen Rasen.

Ich bin kein Prediger der vor die Seele schreibt,
Wo sie in solchem Fall, wenn sie verschwindet, bleibt.
Kan sie nach Salem wohl Elias Wagen tragen;
So wenig, als den Mann der im Duell erschlagen.
Ich rede nur wie tief, wie sehr ein trunckner Mann
In Schande, Hohn und Noth und Elend fallen kan.
Ward Loth nicht durch den Trunck ein Eydam seiner Töchter?
Ward Noah nicht dadurch den Söhnen ein Gelächter?
Ward Nabal nicht durch ihn des Lebens-Lichts beraubt?
Verlohr nicht Holofern dadurch sein Helden-Haupt?
So schändlich starb ein Held der Volck und Land bezwungen.
O! wie verderbet euch die kleine Lust der Zungen!
Ein Kluger wundert sich, wie solches möglich ist,
Daß sich ein Gläser-Freund so liederlich vergißt,
Vernunft, Verstand und Witz und Wohlstand nicht bedencket,
Und diß zum Opferdienst dem stummen Bacho schencket.

Die Menschheit äusert sich durch Sprache und Verstand;
Wo wird diß beydes wohl am Trunckenbolt erkannt?
Verstand und Geist ist hin, er weiß nicht was er sinnet,
Noch was er unternimmt und in der That beginnet.
Die Sprache wird gehemmt; es will kein reines Wort,
Noch Gruß, noch Redensart von Zung und Lippen fort.

Die Regel ist uns ja in Hirn und Brust geschrieben,
Wir sollen unser Wohl und uns vornemlich lieben.
Wir sollen allemahl der nächste Freund uns seyn.
Wo aber stimmet das mit Truncknen überein?
Ein Trunckner liebt sich nicht, er wird sich selbst zum Feinde,
Denn er verräth sein Herz dem Feinde und dem Freunde.
Er ist als wie ein Faß das voll, und übergeht,
Und von sich stößt und wirft, was vor dem Spunde steht.
Das Gute welches ihm zu Amt und Glücke dienet,
Wodurch sonst seine Lust und auch sein Wohlstand grünet,
Das stößt er durch den Trunk zu seinem Munde aus,
Und bringt sich um sein Glück, ja gar um Hof und Haus.
Ein andrer wendet das, was er im Trunk verrathen
Zu seinem Nutzen an, und fördert seine Thaten.
Ein Trunkner schweigt so gar von seinen Fehlern nicht,
Es wird ihm durch ihn selbst ein Schand-Maal aufgericht.
Er stürzt sich wohl darzu, durch trunkene Geschwätze
In Unglück und Gefahr; es straft ihn das Gesetze.
Ein Freund des Trunks kan nie ein Freund des Nächsten seyn.
Man lässet sich mit ihm in keine Freundschaft ein:
Denn er verräth den Freund, und schwazt von seinem Handel,
Von seiner Eigenschaft, Gespräch und Lebens-Wandel.
Ein Trunkner wird zum Spott, zum Kinder-Spott gemacht,
Wie höhnisch wird er nicht von allen ausgelacht?
Er lacht, wenn andere bey seinen Affen-Sachen
Und Kindervollem Spiel ein laut Gelächter machen.
Er merkts nicht, wenn man gleich sein laut Geschwätze höhnt,
Und jauchzet wenn man ihn mit Haasen-Pappeln krönt.
Zwey Stieber hält er oft vor zärtliche Caressen,
Die eine schöne Hand ihm gütig zugemessen.

Ein Trunkner glaubt - - jedoch ich werff die Feder hin,
Weil ich nicht in Pariß noch Hollands Fluren bin,
Wo man die Laster darf bey ihren Namen nennen.
Ich putze nicht das Licht, ich möcht mich sonst verbrennen.