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Liebesballade im Regen
Auf den Straßen, zwischen den Schienensträngen,
glitzerte Wasser. Und manchesmal spritzte es unter den Bahnen
silbern empor bis zu den Fußgängerwegen.
Und die jungen Bäume dort ließen die Fahnen
aus maigrüner Seide so traurig herunter hängen im Regen.
Unter dem Glasdach einer verwitterten Kinoreklame
habe ich lange nach dem letzten Nachtauto gefroren.
Und da kamst Du mir grade gelegen:
so knabenhaft schmal in den Hüften und wie geboren
für meine Gefühle. Denn außer Dir stand keine Dame im Regen.
Und als wir uns ansahn die kurzen Sekunden
und garnicht mehr frugen, wie einer den anderen fände,
da kam uns das Blut schon auf halbem Wege entgegen
und ich küsste unter dem Schirm Dir die zitternden Hände
und habe zuletzt auch Dein Herz gefunden im Regen.
Für Dein Herz ... da habe ich gleich ein Gedicht geschrieben,
denn wir saßen jetzt wortlos beglückt an den dunklen Tischen
in einem Café. Und aus den tropisch durchglühten Gehegen
der Geige begann jetzt Dein lüsterner Atem zu zischen,
bis ich Dich mitnahm. Sonst wärst Du allein geblieben im Regen.
In dieser Nacht aber ist alles ganz anders verlaufen,
wie ich es mir ausgedacht in meinen Gefühlen.
Und als ich beschämt Dir was schenkte, da sagtest du lächelnd: weswegen?
Und ließest auf meinen Lippen nur einen kühlen
Geschmack Deiner Armut zurück, den wird sich keine andere mehr kaufen
im Regen.