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Margarete Beutler

Nach der Weinlese

Nun stehn die kleinen Pforten alle offen,
die talwärts zu den Rebenhängen führen!
Kein Wächter eilt, sie nächtens zu verschließen.
Der Wächter Amt ist aus. Sie schwelgen wohl
im jungen Wein bereits und reden trunken...
Die Reben aber, ihres Schmucks beraubt,
der Schwere und der Süße ihrer Trauben,
entsenden Blatt für Blatt zur Erde wieder
und kräuseln müde ihre dürren Ranken.
Wie Frauen, deren Haare alternd bleichen,
die niemand mehr sich Mühe gibt zu hüten,
weil keine Süßigkeit gefährdet ist
und keiner Frucht mehr Räuber schändend nahen,
so liegen sie an den verlassnen Straßen
im Moderkranz der fahlen Lauben da,
und selbst die kleinen Wasser wandern träger
dem großen Strom der breiten Tale zu.