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Margarete Beutler

Der Hügel am Flusse

Hier stockt der Fuß, hier strecken sich die Glieder
in seidnes Gras zu Füßen wilder Schlehen
und hier muss nun die Seele immer wieder
die Schattenstraße des Vergangnen gehen:

Ein sandiger Uferpfad zuerst nur, schlängelt
sie kraus durch Heide und durch dürres Feld,
wo still der Schnitter seine Sense dengelt
und ernst der Bauer dürftiges Land bestellt.

Wie schmiegen sich ins Licht der ersten Träume
von Leben und von Kindertändeleien
der silbergrünen jungen Weidenbäume
endlos sich wiegende, verschlungene Reihen!

Ein brauner Kinderleib taucht in die Wellen
und schmale Glieder schaukeln sich behände
auf Zweigen, die in blaue Weiten schnellen...
Nur Frühling ist es, Frühling und kein Ende!

Wie schmiegt sich in die Zeit des Überganges
vom Knaben-Mädchen zu der Grüblerin
das satte Gelb des Uferwiesenhanges
und seines Blühens tief versteckter Sinn!

Der Sinn der Knospe, die sich strafft und rundet
wie junges Fleisch im kühlen Morgenbad!
Der Zweck der Frucht wird heimlich scheu erkundet,
im Buch der Sehnsucht dreht sich Blatt um Blatt...

Und breiter wird der Weg. Die Heiden weichen,
schnellpulsig treibt des Lebensstromes Lauf,
und eine Landschaft, üppig ohnegleichen,
tut sich dem Weib in Sturm und Sonne auf.

Doch selbst in diese Jahre der Vollendung,
des Liebesdreiklangs und der Mutterlust,
senkt sich der Ruf von unerfüllter Sendung
wie Stachel in die schwer bedrückte Brust.

Ein Tag stellt seinen Bruder stets zur Rede,
weil nicht Gelingen seiner Sehnsucht ward,
und von den Nächten ahnt es eine jede,
wie trübe Hoffnung auf das Morgen harrt. --

Nun schmiedet sich von Ring zu Ring die Kette,
ein Sommer reicht dem andern schnell die Hand -
Wenn ich den Gipfel erst erwandert hätte,
wie zeigte sich mir dann rings her mein Land?

Ich zage oft. Der Freunde Schar wird kleiner,
doch ständig größer wächst der Pflichten Last,
und von den letzten Monden schied wohl keiner,
wo mir mein Weibtum bitter nicht verhasst.

Wann wird mir nur die Ruhe, die ich suche,
zur Morgengabe, dass ich sie beseele?
Wann spricht der Geist: "Du lebtest, Mensch, nun buche,
was du gelebt! Du lebtest - nun erzähle!" - ?