hor.de   |   Gedichtsammlung   |   Wörterlisten   |   Notizen
 

Manfred Kyber

Hellas

Und Orpheus starb. Des Waldes Tiere weinen.
Die Leier, der sie lauschten, sie ist stumm.
Die Nacht brach ein und ihre Sterne scheinen
auf eines toten Gottes Heiligtum.

Mein Hellas, deine Sonne ist versunken
in deines blauen Meeres Silberrand.
Der Wein, den die Bacchantinnen getrunken,
rinnt aus zerbrochnen Bechern in den Sand.

Mein Hellas, deiner Königshand entwunden
ist der Mänaden froher Thyrsusstab.
Mein Hellas, abgelaufen sind die Stunden
und deine Freudentempel sind ein Grab.

Dein holder Garten, Hellas, ward zur Wildnis
und ausgeträumt ist deiner Schönheit Traum.
Um der gestürzten Götter Marmorbildnis
reckt welkes Laub dein heiliger Lorbeerbaum.

In wilder Wehmut durch verwaiste Haine,
mein Hellas, deine Orpheusklage weint.
Voll Sehnsucht suchst du in der Sterne Scheine
den Geist, der aller Griechen Geist geeint.