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Luise Büchner

Am Grab des Bruders

Nach langem, langem Sehnen
An deinem Grab ich stand,
Nach vielen, bittren Tränen
Sah ich dies Stückchen Land,
Das Alles kalt bedecket,
Woran voll Zärtlichkeit,
Seit Leben ihm erwecket,
Das Kind hing allezeit!

Das Kind - o, Schmerz! ich habe
Dich anders nicht gekannt,
Stiegst jetzt du aus dem Grabe,
Du hättst mich kaum erkannt.
Doch wie ich so hier stehe,
Wird Eins mir wunderbar,
Trotz allem Schmerz und Wehe,
Im tiefsten Innern klar.

Zu früh mir hingeschwunden
Warst du mein Lebensstern,
Nach dem in allen Stunden
Ich sah zum Himmel gern;
Sein Strahl ward meine Leuchte,
Zog meinem Geist voran,
Zum Guten, Schönen zeigte,
Zur Wahrheit mir die Bahn.

Und dass in ewger Treue
Ihm stets gefolgt mein Herz,
Dass hier ich steh ohn Reue,
Dies sänftigt meinen Schmerz;
Dass tief mir im Gemüte
Dasselbe Feuer wacht,
Das deine Brust durchglühte
Mit seltner Liebesmacht.

So fühl ich mit Entzücken,
Stündst eben du vor mir,
Als Geistesschwester drücken
Würdst du ans Herz mich dir!
Die Hände segnend breiten
Auf meine Stirne bleich,
Mich wie in Kinderzeiten
Anlächeln mild und weich. -

Muss wieder von ihm gehen,
Dem schmerzlich teuren Ort,
Doch was mir dort geschehen,
Wirkt mutig in mir fort!
Dass so du in mir lebest
Für alle Ewigkeit,
Zum Höchsten mich erhebest -
Dies ist Unsterblichkeit!