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Johannes Trojan

Hamlet

Als Hamlet hat sich unser großer Mime
photographieren lassen, einen Schädel
hält in den Händen er, und düster blickt er,
unsäglich düster in die Welt hinein.
So ist er in der Kunst- und Bilderhändler
Schaufenstern überall bei uns zu sehn,
und wer des Weges kommt, der bleibt bewundernd
vor diesem Bildnis stehn und sagt zu sich:
"Das ist er! O wie tief doch in die Rolle
des Dänenprinzen hat sich unser Künstler
hineingedacht! Das ist er wahrlich, wie
er leibt' und lebte. So sah Hamlet aus!"

Was dachte wohl bei sich der große Mann,
als mit dem Schädel in den Händen er
dem Photographen saß und dieser rief:
"Jetzt geht es los, jetzt, bitte lieber Herr,
recht freundlich aussehn!"

- Was er da gedacht,
will ich verraten euch, doch sagt's nicht weiter!

Es war Vormittag, und, der nahe Mahlzeit
gedenkend, überlegte so der Mime:
"Ob es heute wieder Klöße geben wird?
Wenn dem so ist - und eine Ahnung sagt mir:
Es wird heut Klöße geben - o, dann soll
dreinschlagen doch ein Donnerwetter gleich.
Dann will daheim ich einen Lärm vollführen
und eine Szene machen meiner Gattin,
dass ihr, so hoff ich, für geraume Zeit
die Lust zum Klößekochen soll vergehn."

So hat gedacht bei sich der große Mime,
darum als Hamlet blickt so düster er.