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Gertrud Kolmar

Westindien

Die Welt ist braune und weiße Erde;
Komm, wir teilen die Welt!
Nimm den Westen hin, daß ich Osten werde
Und felsig aufbreche, du Feld.

In meinem Becher von Jade will
Seltsam kostbare Freuden ich finden,
Die Freuden aus Hyazinth und Beryll
Um meine Hüfte winden,

Die Aprikose chinesischer Seide
Mit pflaumendunklen, sehr weichen Schuhn
Und den Bienenstachel in flimmernder Scheide,
Einen kleinen Dolch, zu mir tun.

Ich laß an der Mauer, die steinern liegt,
Blicke wie Blumen ranken,
Über den Weg, der in Wüste versiegt,
Und in des Mannes Gedanken...

Und so erwächst mit den Tagen die Beere,
Schlafende Frucht, das singende Land.
Westindien! Spielkind jenseits der Meere
Mit Eimern voll goldenem Sand !

Mit deiner Steppe gräsernem Hauch,
Der großen Büffel witternden Nüstern
Und des Wapiti hörnenem Strauch,
Mit Flammentänzen in Rüstern !

Ich habe die blitzend fliehnden Agraffen,
Winzige Schmuckvögel dir gezähmt,
Mit Pumas, mit pelzigen Goldstirnaffen
Den reichen Mantel verbrämt.

Um deine Schläfe kriecht der Reif
Smaragdener Leguane,
Araraschweif an Araraschweif
Rollt über dein Haupt die Fahne.

Mein Herz hat die brüllende Flut gegriffen,
Die Flut, das riesig schaummähnige Tier,
Und lädt ihm die Bürde aus tausend Schiffen,
Lächelnd von mir zu dir.