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Zweiter Gesang
Jetzt stieg über den Cedernwald der Morgen herunter.
Jesus erhub sich; ihn sahn in der Sonne die Seelen der Väter.
Als sie ihn sahn, da sangen zwo Seelen gegen einander,
Adam's Seele, mit ihr die Seele der göttlichen Eva:
"Schönster der Tage, Du sollst vor allen künftigen Tagen
Festlich und heilig uns sein, Dich soll vor Deinen Gefährten,
Kehrest Du wieder zurück, des Menschen Seele, der Seraph
Und der Cherub beim Aufgang und Untergange begrüßen.
Steigst Du zur Erd' herab, verbreiten Dich Orione
Durch die Himmel, und gehst Du am Thron der Herrlichkeit Gottes
Strahlend hervor, so wollen wir Dir in feirendem Aufzug,
Jauchzend mit Hallelujagesängen entgegensegnen!
Dir, unsterblicher Tag, der Du unserm getrösteten Auge
Gott den Messias auf Erden in seiner Erniedrigung zeigest.
O, von Adam der Schönste, Messias in menschlicher Bildung!
Wie enthüllt sich in Deinem erhabenen Antlitz die Gottheit!"
"Selig bist Du und heilig, die Du den Messias gebarest,
Seliger Du als Eva, der Menschen Mutter. Unzählbar
Sind die Söhne von ihr und sind unzählbare Sünder.
Aber Du hast einen, nur einen göttlichen Menschen,
Einen gerechten, ach, einen unschuldigen, theuren Messias,
Einen ewigen Sohn (ihn schuf kein Schöpfer) geboren!
Zärtlich seh' und mit irrendem Blick ich hinab zu der Erde;
Dich, Paradies, Dich seh' ich nicht mehr. Du bist in den Wassern
Niedergestürzt, im Gericht der allgegenwärtigen Sündfluth!
Deiner erhabnen umschattenden Cedern, die Gott selbst pflanzte,
Deiner friedsamen Laube, der jungen Tugenden Wohnung,
Hat kein Sturm, kein Donner, kein Todesengel geschonet!
Bethlehem, wo ihn Maria gebar und ihn brünstig umarmte,
Sei Du mir mein Eden; Du Brunnen David's, die Quelle,
Wo ich göttlich erschaffen zuerst mich sahe; Du Hütte,
Wo er weinete, sei mir die Laube der ersten Unschuld!
Hätt' ich Dich in Eden geboren, Du Göttlicher, hätt' ich
Gleich nach jener entsetzlichen That, o Sohn, Dich geboren,
Siehe, so wär' ich mit Dir zu meinem Richter gegangen;
Da, wo er stand, wo unter ihm Eden zum Grabe sich aufthat,
Wo der Erkenntnisse Baum mir fürchterlich rauschte, die Stimme
Seiner Donner den Richterspruch des Fluches mir aussprach,
Wo ich in bangem Erbeben versank, zu sterben versank, da
Wär' ich zu ihm gegangen; Dich hätt' ich weinend umarmt, Sohn,
An mein Herz Dich gedrückt und gerufen: 'Zürne nicht, Vater!
Zürne nicht mehr, ich habe den Mann Jehovah geboren!'"
"Heilig bist Du, anbetenswürdig und ewig, o Erster!
Der Du Deinen göttlichen Sohn von Ewigkeit zeugtest,
Ihn, nach Deinem Bilde gezeugt zum Erlöser der Menschen,
Meines von mir beweinten Geschlechts, erbarmend erwähltest.
Gott hat meine Thränen gesehn; Ihr habt sie gesehen,
Seraphim, und sie gezählt; auch Ihr, Ihr Seelen der Todten,
Seelen meines entschlafnen Geschlechts, sie alle gezählet.
Wärest Du nicht, o Messias, gewesen, die ewige Ruhe
Hätte selbst mir traurig und ungenießbar geschienen.
Aber, von Deiner göttlichen Huld, von Deiner Erbarmung,
Stifter des ewigen Bundes, von ihr umschattet, da lernt' ich
Selbst in der Wehmuth Schmerz mehr Seligkeiten empfinden."
"Und nun trägst Du sein Bild, das Bild des sterblichen Menschen;
Gottmensch, Mittler, Dich beten wir an! Vollende Dein Opfer,
Das Du für uns, Weltrichter, für uns zu vollenden herabstiegst.
Mache die Erde bald neu, die Du zu verneuen beschlossest,
Dein und unser Geburtsland! Komm zurück in den Himmel!
Komm, sei gegrüßt in Deinen Erbarmungen, Gottmensch, Mittler!"
Also ertönte mit mächtigem Klang die Stimme der Seelen
Durch des strahlenden Tempels Gewölbe. Jesus vernahm sie
Fern in der Tiefe. Wie mitten in heiligen Einsiedleien,
In der Zukunft Folge vertieft, prophetische Weise
Dich, in der Fern' herwandelnde Stimme des Ewigen, hören.
Jesus stieg an dem Oelberg nieder. An seiner Mitte
Standen Palmen, vor allen auf niedrigen Hügeln erhaben,
Von leichtschimmernden Wolken des Morgennebels umflossen.
Unter den Palmen vernahm der Messias den Engel Johannes',
Raphael ist sein Name, der ihn hier betend verehrte.
Liebliche Winde zerflossen von ihm und trugen die Stimme,
Die sonst keine Geschöpfe nicht hörten, hinab zu dem Mittler.
"Raphael, komm," rief ihm der Messias mit freundlichem Anblick,
"Wandle mir hier ungesehn zu der Seite. Wie hast Du die Nacht durch
Unsers lieben Johannes unschuldige Seele bewachet?
Welche Gedanken, die Deinen Gedanken, Raphael, glichen,
Hatt' er? Wo ist er jetzt?" - "Ich bewacht' ihn," sagte der Seraph,
"Wie wir die Erstlinge Deiner Erwählten, o Mittler, bewachen.
Seinen geöffneten Geist umschatteten heilige Träume,
Träume von Dir. O, hättest Du ihn da schlummern gesehen,
Als er Dich, Göttlicher, sah! Ein heiliges Frühlingslächeln
Füllte sein Antlitz. Dein Seraph hat auch in Eden's Gefilden
Adam gesehn, da er schlief, und das Bild der werdenden Eva
Und des bauenden Schöpfers vor seine Gedanken herabkam.
Aber so schön war er kaum wie Dein göttlicher Jünger Johannes.
Doch jetzt ist er dort unten in traurigen, nächtlichen Gräbern,
Klaget einen besessenen Mann, der im Staube der Todten,
Fürchterlich bleich wie bebend Gebein, herübergestreckt liegt.
Mittler, Du solltest ihn sehn, Du solltest den zärtlichen Jünger
Neben ihm voll mitleidiges Kummers und Wehmuth erblicken,
Wie vor Menschenliebe das Herz ihm erbarmend zerfließet,
Wie er bebet. Mir selbst drang eine Thräne der Wehmuth
Zitternd ins Auge. Da wandt' ich mich weg. Das Leiden der Geister,
Die Du zur Ewigkeit schufst, ist mir stets durch die Seele gedrungen."
Raphael schwieg. Der Göttliche sah mit Zorne gen Himmel.
"Vater, erhöre mich! Es werde der Hasser der Menschen
Deinem Gericht ein ewiges Opfer, das jauchzend der Himmel,
Das mit Bestürzung und Schand' und Schmach die Hölle betrachte!"
Also sagt' er und näherte sich den Gräbern der Todten.
Unten am mitternächtlichen Berge waren die Gräber
In zusammengebirgte, zerrüttete Felsen gehauen.
Dicke, finsterverwachsene Wälder verwahrten den Eingang
Vor des fliehenden Wanderers Blick. Ein trauriger Morgen
Stieg, wenn der Mittag schon sich über Jerusalem senkte,
Dämmernd noch in die Gräber mit kühlem Schauer hinunter.
Samma, so hieß der besessene Mann, lag neben dem Grabe
Seines jüngsten, geliebteren Sohns in kläglicher Ohnmacht.
Satan ließ ihm die Ruh, ihn desto ergrimmter zu quälen.
Samma lag bei des Knaben Gebein in modernder Asche;
Neben ihm stand sein anderer Sohn und weinte zu Gott auf.
Jenen todten, den der Vater beweint' und der Bruder,
Brachte die zärtliche Mutter einst, erweicht durch sein Flehen,
Mit in die Gräber zum Vater hinab, zu dem Vater im Elend,
Den jetzt Satan in grimmiger Wuth bei den Todten herumtrieb.
"Ach, mein Vater!" so rief der kleine geliebte Benoni
Und entflohe der Mutter Arm, die ängstlich ihm nachlief;
"Ach, mein Vater, umarme mich doch!" und krümmt' um die Hand sich,
Drückte sie an sein Herz. Der Vater umfasset ihn, bebet.
Da mit kindlicher Inbrunst nun der Knab' ihn umarmte,
Da er mit sanft liebkosendem Lächeln ihn jugendlich ansah,
Warf ihn der Vater an einen entgegenstehenden Felsen,
Daß sein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann,
Und mit leisem Röcheln entfloh die Seele voll Unschuld.
Jetzo klagt er ihn trostlos und faßt das kalte Behältniß
Seiner Gebeine mit sterbendem Arm. "Mein Sohn, Benoni!
Ach, Benoni, mein Sohn!" so sagt er, und jammernde Thränen
Stürzen vom Auge, das bricht und langsamstarrend dahinstirbt.
Also lag er beklommen von Angst, da der Mittler hinabkam.
Joel, der andere Sohn, verwandte sein thränendes Antlitz
Von dem Vater und sah den Messias die Gräber herabgehn.
"Ach, mein Vater," erhub er froh vor Verwundrung die Stimme,
"Jesus, der große Prophet, kommt in die Gräber hernieder."
Satan hört' es und sah bestürzt durch die Oeffnung des Grabmals.
So sehn Gottesleugner, der Pöbel, aus dunkeln Gewölben,
Wenn am donnernden Himmel das hohe Gewitter heraufzieht,
Und in den Wolken der Rache gefürchtete Wagen sich wälzen.
Satan hatte bisher aus der Fern' nur Samma gepeinigt.
Aus den tiefsten, entlegensten Enden des nächtlichen Grabmals
Sandt' er langsame Plagen hervor. Itzt erhub er sich wieder,
Rüstete sich mit des Todes Schrecken und stürzt' auf Samma.
Samma sprang auf, dann fiel ohnmächtig von Neuem er nieder.
Sein erschütterter Geist (er rang noch kaum mit dem Tode)
Riß ihn, von dem mördrischen Feind empöret zum Unsinn,
Felsenan. Hier wollt' ihn, vor Deinen göttlichen Augen,
Richter der Welt, am hangenden Felsen Satan zerschmettern.
Aber Du warest schon da, schon trug voreilend die Gnade
Dein verlassnes Geschöpf auf treuen, allmächtigen Flügeln,
Daß er nicht sank. Da ergrimmte der Geist des Menschenverderbers
Und erbebte; ihn schreckte von fern die kommende Gottheit.
Jetzo richtete Jesus sein helfendes Antlitz auf Samma,
Und belebende, göttliche Kraft, mit dem Blicke vereinet,
Ging von ihm aus. Da erkannte der bange, verlassene Samma
Seinen Retter. Ins bleiche Gesicht voll Todesgestalten
Kam die Menschheit zurück; er schrie und weinte gen Himmel,
Wollte reden, allein kaum konnt' er, von Freuden erschüttert,
Bebend stammeln. Doch breitet' er sich mit sehnlichen Armen
Nach dem Göttlichen aus und sah mit getröstetem Auge
Voll Entzückung nach ihm von seinem Felsen herunter.
Wie die Seele des trüberen Weisen, die, in sich gekehret
Und an der Ewigkeit der künftigen Dauer verzweifelnd,
Innerlich bebt - die unsterbliche schauert vor der Vernichtung -
Aber itzt nahet sich ihr der weiseren Freundinnen eine;
Ihrer Unsterblichkeit sicher und stolz auf Gottes Verheißung,
Kommt sie zu ihr mit tröstendem Blick. Die trübe Verlassne
Heitert sich auf und windet mit Macht vom jammernden Kummer
Ungestümfreudig sich los; die ewige jauchzt nun und segnet
Sich in Triumph und ist von Neuem unsterblich geworden.
Also empfand der besessene Mann die Beruhigung Gottes.
Jetzo sprach der Messias mit mächtiger Stimme zu Satan:
"Geist des Verderbens, wer bist Du, der Du vor meinem Antlitz
Dies zur Erlösung erwählte Geschlecht, die Menschen, so quälest?"
"Ich bin Satan," antwortet' ein zorniges, tiefes Gebrüll, "bin
König der Welt, die oberste Gottheit unsklavischer Geister,
Die mein Ansehn etwas Erhabnerem als den Geschäften
Himmlischer Sänger bestimmt. Dein Ruf, o sterblicher Seher -
Denn Maria wird wol Unsterbliche niemals gebären -
Dieser Dein Ruf drang, wer Du auch bist, zu der untersten Hölle.
Selber ich verließ sie - sei stolz ob meiner Heraufkunft -
Dich von himmlischen Sklaven verkündigten Retter zu sehen.
Doch Du wurdest ein Mensch, ein götterträumender Seher,
Wie die, welche mein mächtiger Tod hinab in die Erde
Gräbt. Drum gab ich nicht Acht, was die neuen Unsterblichen thaten.
Aber nicht müßig zu sein, so plagt' ich - das hast Du gesehen -
Deine Geliebten, die Menschen. Da schau die Todesgestalten,
Meine Geschöpf', auf diesem Gesicht! Jetzt eil' ich zur Hölle.
Unter mir soll mein allmächtiger Fuß das Meer und die Erde,
Mir zu bahnen gehbaren Weg, gewaltsam verwüsten.
Dann soll schauen die Höll' in Triumph mein königlich Antlitz.
Willst Du was thun, so thu' es alsdann. Denn ich kehre wieder,
Hier auf der Welt mein erobertes Reich als König zu schützen.
Stirb indeß noch, Verlassner, vor mir!" Er sprach's, und er stürzte
Stürmend auf Samma. Allein des ruhigschweigenden Mittlers
Stille verborgne Gewalt kam, gleich des Vaters Allmacht,
Wenn er Untergang unerforscht auf Welten herabwinkt,
Satan in Zorne zuvor. Er floh und vergaß im Entfliehen,
Unter allmächtigem Fuß zu verwüsten das Meer und die Erde.
Samma stieg indeß von seinem Felsen hernieder.
Also entfloh von dem hohen Euphrates Nebukadnezar,
Da ihm der Rath der heiligen Wächter die Bildung des Menschen
Wiedergab und, von Neuem den Himmel zu schaun, ihn erhöhte.
Gottes Schrecknisse gingen nicht mehr mit dem Rauschen Euphrates'
Ihm in Wettern vorüber, als wären's des Sinai Wetter.
Nebukadnezar erhub sich auf Babylon's hangende Höhen;
Jetzo kein Gott mehr, lag er gen Himmel ausgebreitet,
Dankbar im Staube gebeugt, den Ewigen anzubeten.
So kam Samma zu Jesus herab und fiel vor ihm nieder.
"Darf ich Dir folgen, Du heiliger Mann? Ach, laß mich mein Leben,
Das du von Neuem mir gabst, bei Dir, Mann Gottes, vollenden!"
Also sagt' er und schlang sich mit brünstigen, zitternden Armen
Um den Erlöser, der ihm mit menschenfreundlichen Blicken
Dies erwiderte: "Folge mir nicht, doch verweile Dich künftig
Oft an der Höh' der Schädelstätte; da wirst Du die Hoffnung
Abraham's und der Propheten mit Deinen Augen erblicken."
Als der Mittler zu Samma so sprach, da wandte sich Joel
Zu Johannes und sagte zu ihm mit schüchterner Unschuld:
"Lieber! ach, führe Du mich zu Gottes großem Propheten,
Daß er mich höre, Du kennest ihn ja." Der zärtliche Jünger
Nahm ihn und führt' ihn zu Jesus; da sagt' er in seiner Unschuld:
"Gottes Prophet, so kann denn mein Vater und ich Dir nicht folgen?
Aber - o, darf ich es sagen - warum verweilest Du jetzo,
Wo mein jugendlich Blut erstarrt vor der Todten Gebeinen?
Komm, Mann Gottes, ins Haus, wohin mein Vater zurückkehrt;
Dort soll meine verlassene Mutter mit Demuth Dir dienen.
Milch und Honig, die lieblichste Frucht von unseren Bäumen
Sollst Du genießen; die Wolle der jüngsten Lämmer der Aue
Soll Dich decken. Ich selber will Dich, o Gottes Prophet, dann,
Kömmt der Sommer, unter der Bäume Schatten begleiten,
Die mein Vater im Garten mir gab. Mein lieber Benoni!
Ach, Benoni, mein Bruder! Dich lass' ich zurück in dem Grabe!
Ach, nun wirft Du mit mir die Blumen künftig nicht tränken,
Wirst am kühlenden Abend mich niemals brüderlich wecken!
Ach, Benoni! ach, Gottes Prophet, da liegt er im Staube!"
Jesus sah mit Erbarmen ihn an und sprach zu Johannes:
"Trockne dem Knaben die Zähren vom Aug'! Ich hab' ihn viel edler
Und rechtschaffner als viele von seinen Vätern erfunden."
Also sagt' er und blieb mit Johannes allein in den Gräbern.
Satan ging indeß, mit Dampf und mit Wolken umhüllet,
Hin durch Josaphat's Thal und über das Meer des Todes,
Stieg von da auf den wolkichten Karmel, vom Karmel gen Himmel.
Hier durchirrt' er mit grimmigem Blick den göttlichen Weltbau,
Daß er, nach so vielen Jahrhunderten seit der Erschaffung,
In der Herrlichkeit strahle, die ihm der Donnerer anschuf.
Gleichwol ahmt' er ihn nach und änderte seine Gestalten
Durch ätherischen Glanz, daß die Morgensterne, wie dunkel
Und verworfen er sei, in stillem Triumphe nicht sähen.
Doch dies helle Gewand war ihm bald unerträglich; er eilte,
Aus der schreckenden Schöpfung Bezirk zu der Hölle zu kommen.
Itzo hatt' er sich schon bei den äußersten Weltgebäuden
Stürmisch heruntergesenkt. Unermeßliche dämmernde Räume
Thaten vor ihm wie unendlich sich auf. Die nennt er den Anfang
Weiterer Reiche, die Satan durchherrscht. Hier sah er von ferne
Flüchtigen Schimmer, so weit die letzten Sterne der Schöpfung
Noch das unendliche Leere mit sterbendem Strahle durchirrten.
Doch hier sah er die Hölle noch nicht. Die hatte die Gottheit
Ferne von sich und ihren Geschöpfen, den seligen Geistern,
Weiter hinunter in ewige Dunkelheit eingeschlossen.
Denn in unserer Welt, dem Schauplatz ihrer Erbarmung,
War kein Raum für Orte der Qual. Der Ewige schuf sie
Furchtbar, zu dem Verderben, zu seinem strafenden Endzweck
Weit hinreichend, vollkommen. In drei erschrecklichen Nächten
Schuf er sie und verwandte von ihr sein Antlitz auf ewig.
Zween der heldenmüthigsten Engel bewachten die Hölle.
Dies war Gottes Befehl, da er sie mit mächtiger Rüstung
Segnend umgab. Sie sollten den Ort der dunkeln Verdammniß
Ewig in seinem Kreis erhalten, damit der Empörer
Kühn mit seiner verfinsterten Last nicht die Schöpfung bestürmte
Und das Antlitz der schönen Natur durch Verwüstung entstellte.
Wo an der Pforte der Hölle mit herrschendem Auge sie ruhen,
Dorther senkt sich ein strahlender Weg, wie von Zwillingsquellen,
Hell die Wogen, ein Strom, den noch die Wendung nicht krümmte,
Gegen den Himmel gekehrt, nach Gottes Welten hinüber,
Daß in der Einöd' hier es ihnen an heiliger Freude
Ueber die mannichfaltige Schöne der Schöpfung nicht fehle.
Neben diesem leuchtenden Weg eilt Satan zur Hölle,
Reißet ergrimmt durch die Pforte sich, steigt in dampfendem Nebel
Auf den hohen, gefürchteten Thron. Ihn sahe kein Auge
Unter den Augen, die Nacht und Verzweiflung trübe verstellten.
Zophiel nur, ein Herold der Höll', entdeckte den Nebel,
Welcher hinauf sich zog die erhebenden Stufen, und sagte
Einem, der neben ihm stand: "Kommt Satan's oberste Gottheit
Etwa zur Hölle zurück? Verkündigt der dampfende Nebel
Jene Rückkehr, welcher die Götter so lange schon harrten?"
Als der Herold noch sprach, floß schnell die umhüllende Dämmrung
Rings von Satan; er saß auf einmal mit zornigem Antlitz
Fürchterlich da. Gleich eilte der flüchtige, sklavische Herold
Gegen das Feuergebirg, das sonst mit Strömen und Flammen
Satan's Ankunft weit auf den überhangenden Felsen
In den gedrohten, versinkenden Thälern umher ankündet.
Zophiel stieg auf Flügeln des Sturms durch die Höhlen des Berges
Gegen die dampfende Mündung empor. Ein feuriges Wetter
Machte darauf den ganzen Bezirk der Finsterniß sichtbar.
Jeder erblickt' in schimmernder Fern' den schrecklichen König.
Alle Bewohner des Abgrunds kamen. Die Mächtigsten eilten,
Neben ihm auf den Stufen des Throns sich niederzusetzen.
Die Du mit Ruh voll Feuer und Ernst zu der Höll' hinabsiehst,
Weil Du zugleich im Angesicht Gottes Klarheit erblickest
Und Zufriedenheit über sich selbst, wenn er Sünder bestrafet,
Zeige sie mir, Sionitin, und laß die mächtige Stimme
Rauschend gleich Sturmwinden, wie Wetter Gottes, ertönen.
Adramelech kam erst, ein Geist, verruchter als Satan
Und verdeckter. Noch brannte sein Herz von grimmigem Zorne
Wider Satan, daß dieser zuerst zur Empörung sich aufschwang;
Denn er hatte schon lange bei sich Empörung beschlossen.
Wenn er was that, er that's nicht, Satan's Reiche zu schützen;
Seinetwegen verübt' er es. Seit undenkbaren Jahren
Hatt' er darauf schon gedacht, wie er sich zu der Herrschaft erhübe,
Wie er Satan entflammte, mit Gott von Neuem zu kriegen,
Oder ihn in den unendlichen Raum auf ewig entfernte
Oder zuletzt, wär' Alles umsonst, durch Waffen bezwänge.
Da schon, als die gefallenen Engel den Ewigen flohen,
Sann er darauf. Da sie alle schon der Abgrund einschloß,
Kam er zuletzt und trug vor seinem kriegrischen Harnisch
Eine leuchtende goldene Tafel und rief durch die Hölle:
"Warum fliehen die Könige so? In hohem Triumphe
Solltet Ihr, o Krieger, für unsre behauptete Freiheit
In die neue Wohnung der Pracht und Unsterblichkeit einziehn!
Da der Messias und Gott den neuen Donner erfanden
Und, in ihr Kriegsgeschäft vertieft, Euch zornig verfolgten,
Stieg ich ins Allerheiligste Gottes; da fand ich die Tafel
Voll vom Schicksal, das unsre künftige Größe verkündigt.
Sammelt Euch, seht die himmlische Schrift! So redet das Schicksal:
'Einer von Denen, die jetzt Jehovah als Sklaven beherrschet,
Wird, daß er Gott sei, erkennen, wird den Himmel verlassen
Und mit seinen vergötterten Freunden im einsamen Raume
Wohnungen finden. Die wird er zwar erst mit Abscheu bewohnen,
Wie Der, der ihn vertrieb, eh ich ihm die Welten erbaute,
Lange - dies war mein herrschender Wille - das Chaos bewohnte.
Aber er soll nur die Reiche der Hölle muthig betreten;
Denn aus ihr entstehen ihm einst gleichherrliche Welten.
Die wird Satan erschaffen, doch soll er den göttlichen Grundriß
Selber von mir vor meinen erhabenen Thronen empfangen.
Also saget der Götter Gott, ich, der ich allein mir
Alle Bezirke des Raums mit ihren Göttern und Welten
Rings mit meiner vollkommensten Welt unendlich umgrenze!'"
Aber ihm glaubte die Hölle nicht, zwang sich umsonst, es zu wähnen.
Gott vernahm die Stimme des Lästernden, sprach zu sich selber:
"Auch der erschütterte Sünder ist meiner Herrlichkeit Zeuge."
Und mit Eile ging das Gericht vom Angesicht Gottes.
Tief in der innersten Höll' erhebt sich ein leuchtender Klumpen
Aus dem flammenden Meer, geht unter ins Meer des Todes.
Der erhub aus der Laufbahn sich in donnernden Kreisen,
Faßt' Adramelech und stürzt' in das todte Meer ihn. Da wurden
Sieben Nächte statt einer. Die Nächte lag er im Abgrund.
Lange darauf erbaut' er der obersten Gottheit den Tempel,
Wo er, als ihr Priester, die goldene Tafel des Schicksals
Ueber den hohen Altar gestellt hat. Die älternde Lüge
Glaubt zwar Keiner; doch kommen, die Adramelech verehren,
Sklavische Heuchler, dahin und beten sein luftiges Unding,
Wenn er da ist, gebückt, und wenn er weg ist, mit Hohn an.
Von dem Tempel kam Adramelech und setzt' auf dem Throne
Mit verborgenem Grimm an Satan's Seite sich nieder.
Drauf eilt Moloch, ein kriegrischer Geist, von seinen Gebirgen,
Die er, käme der donnernde Krieger - so nennt er Jehovah -
In die Gefilde der Hölle, sie einzunehmen, herunter,
Sich zu vertheidigen, stolz mit neuen Bergen umthürmt hat.
Oft, wenn der traurige Tag an des flammenden Oceans Ufern
Dampfend hervorsteigt, sehen ihn schon die Bewohner der Hölle,
Wie er unter der Last, von Getös umstürmt und von Krachen,
Mühsam geht und sich dem hohen Gipfel des Berges
Endlich naht. Und wenn er alsdann die neuen Gebirge
Auf die Höh, der Hölle Gewölben entgegengethürmt hat,
Steht er in Wolken und wähnt, indem ein zertrümmerter Berg noch
Hallet, er donnr' aus den Wolken. Ihn sehn die Erdebezwinger
Unten erstaunend an. Er rauschete von den Gebirgen
Durch sie gewaltig einher. Sie wichen, geflügelt von Ehrfurcht,
Vor dem Krieger. Er ging, von seiner tönenden Rüstung
Dunkel wie der Donner von schwarzen Wolken umgeben.
Vor ihm bebte der Berg, und hinter ihm sanken die Felsen
Zitternd herab. So ging er und kam zu dem Thron des Empörers.
Belielel erschien nach ihm. Er kam verstummend
Aus den Wäldern und Au'n, aus denen Bäche des Todes
Dunkel von nebelndem Quell nach Satan's Throne sich wälzen.
Dort bewohnt's Belielel. Umsonst ist alle sein Mühsal,
Ewig umsonst, des Fluches Gefild wie die Welten des Schöpfers
Umzuschaffen. Ihn siehst Du mit hohem, erhabenen Lächeln,
Ewiger, wenn er jetzt den furchtbarbrausenden Sturmwind
Sehnsuchtsvoll, hinsinkendes Arms, gleich kühlenden Westen
Vor sich über zu führen am traurigen Bach arbeitet.
Denn der braust unaufhaltsam dahin, und Schrecknisse Gottes
Rauschen ihm auf den verderbenden Flügeln, und öde Verwüstung
Bleibt ungestalt im erschütterten Abgrund hinter ihm liegen.
Grimmig denkt Belielel an jenen unsterblichen Frühling,
Der die himmlische Flur wie ein junger Seraph umlächelt.
Ach, ihn bildet' er gern in der Hölle zu nächtlichem Thal nach!
Doch er ergrimmt und seufzet vor Wuth; denn die traurigen Auen
Liegen vor ihm in entsetzlicher Nacht unbildsam und öde,
Ewig unbildsam, unendliche, lange Gefilde voll Jammer.
Traurend kam Belielel zu Satan. Noch brannt' er vor Rachsucht
Wider Den, der von himmlischen Au'n zu der Höll' ihn hinabstieß
Und, so dacht' er, mit jedem Jahrhundert sie schrecklicher machte.
Satan's Rückkehr sahest auch Du in Deinen Wassern,
Magog, des todten Meers Bewohner. Aus brausenden Strudeln
Kam er hervor. Das Meer zerfloß in lange Gebirge,
Da sein kommender Fuß die schwarzen Fluthen zertheilte.
Magog fluchet dem Herrn; der wilden Lästerung Hall brüllt
Unaufhörlich aus ihm. Seit seiner Verwerfung vom Himmel
Flucht er dem Ewigen. Voll der Nachsucht will er die Hölle,
Daur' es auch lastende Ewigkeiten, doch endlich vernichten.
Jetzo, da er das Trockne betrat, da warf er verwüstend
Noch mit seinen Gebirgen ein ganzes Gestad' in den Abgrund.
Also versammelten sich der Hölle Fürsten zu Satan.
Wie Eilande des Meers, aus ihren Sitzen gerissen,
Rauschten sie hoch, unaufhaltsam einher. Der Pöbel der Geister
Floß mit ihnen unzählbar, wie Wogen des kommenden Weltmeers
Gegen den Fuß gebirgter Gestade, zum Thron des Empörers.
Tausendmal tausend Geister erschienen. Sie gingen und sangen
Eigene Thaten, zur Schmach und unsterblichen Schande verurtheilt.
Unterm Getös gespaltner - sie hatten Donner gespalten -
Dumpfer, entheiligter Harfen, verstimmt zu den Tönen des Todes,
Sangen sie's her. So rauschen in mitternächtlicher Stunde
Grimmige Schlachten von tödtenden und von sterbenden Streitern
Furchtbar umher, wenn brausend auf ehernen Wagen der Nordwind
Gegen sie fährt, und gebrüllt von dem Widerhall' ihr Gebrüll wird.
Satan sah und hörte sie kommen. Vor wilder Entzückung
Stand er mit Ungestüm auf und übersah sie Alle.
Fern bei dem untersten Pöbel erblickt' er in spottender Stellung
Gottesleugner, ein niedriges Volk. Sein schrecklicher Führer,
Gog, war darunter, erhabner als All' an Gestalt und an Unsinn.
Daß das Alles ein Traum, ein Spiel sei irrer Gedanken,
Was es im Himmel gesehen, Gott, erst Vater, dann Richter,
Das zu wähnen, reizt' es sich, krümmt' es sich, wand es sich wüthend.
Satan sah sie mit Hohn. Denn mitten in seiner Verfinstrung
Fühlt er doch noch, daß der Ewige sei. Bald stand er voll Tiefsinn,
Sah bald langsam ringsumher und setzte sich wieder.
Wie auf hohen unwirthlichen Bergen drohende Wetter
Langsam und verweilend sich lagern, saß er und dachte.
Ungestüm that sein Mund sich itzt auf, und tausend Donner
Sprachen aus ihm, da er sprach: "Wenn Ihr's, o furchtbare Schaaren,
Wenn Ihr's noch seid, die mit mir die drei erschrecklichen Tage
Auf der himmlischen Ebn' aushielten, so hört in Triumphe,
Was ich Euch jetzt eröffne von meiner Zögrung auf Erden.
Aber nicht dieses allein, Ihr sollt auch den mächtigen Rathschluß
Hören, Jehovah zur Schmach zu verherrlichen unsere Gottheit.
Eh soll die Hölle vergehn, und eh der seine Geschöpfe,
Der vor Diesem einmal im nächtlichen Chaos gebaut hat,
Um sich vernichten und wieder allein in der Einsamkeit wohnen,
Eh er die Herrschaft über die sterblichen Menschen uns abzwingt.
Götter, stets unbesiegt, unsklavisch wollen wir bleiben,
Wenn er auch gegen uns seine Versöhner zu Tausenden schickte,
Wenn er auch selbst, ein Messias zu werden, die Erde beträte.
Doch wem zürn' ich? Wer ist der neue, geborne Jehovah,
Der die Gottheit sogar im sterblichen Leib umherträgt,
Daß darüber die Götter so sinnen, als ob sie von Neuem
Hohe Gedanken ihrer Vergöttrung und Schlachten erfänden?
Sollte der Ewigen einer, um uns den Sieg zu erleichtern,
Aus den Schößen sterblicher Mütter, die bald die Verwesung
Auch zertrümmert, auf uns, die er kennt, zu kämpfen hervorgehn?
Das wär' möglich? Es handelte so, den Satan bekriegt hat?
Zwar stehn Einige hier, die vor ihm mit Zagen entflohen
Und aus morschen Gerippen gequälter Sterblicher wichen;
Furchtsame, bebt vor dieser Versammlung, hüllt Euch das Antlitz
In verfinsternde Scham! die Götter hören's, Ihr flohet!
Warum flohet Ihr so, Elende? Was nanntet Ihr Jesus,
Euer und meiner unwürdig, den Sohn des ewigen Gottes?
Doch daß Ihr wißt, wer er sei, der unter den Israeliten
Auch gern Gott wär', so höret von mir die Geschichte des Stolzen!
Hör' Du es auch in hohem Triumphe, Versammlung der Götter!
Unter dem Volk des Jordan's ist seit undenkbaren Zeiten
Eine prophetische Sage gewesen; denn unter der Sonne
Hat vor allen Völkern dies Volk am Meisten geträumet.
Nach der Prophezeiung entspringt von ihnen ein Heiland,
Welcher sie von den umliegenden Feinden auf ewig erlöset
Und vor allen Landen ihr Reich zu dem herrlichsten Reich macht.
Und Ihr wißt, daß vor wenigen Jahren von unsrer Versammlung
Einige kamen, verkündeten, daß sie auf Tabor's Gebirgen
Heere feirender Engel gesehn, die hätten den Namen
"Jesus" unaufhörlich genannt mit Entzückung und Ehrfurcht,
Daß die Cedern davon bis in die Wolken erbebten,
Daß die Palmenhaine der Hall der Jubelgesänge
Ganz durchrauschte, und "Jesus, Jesus!" Tabor erfüllte.
Drauf ging, übermüthig vor Stolz und wie in Triumphe,
Gabriel nieder den Berg zu der Israelitinnen einer,
Grüßte sie, wie man Unsterbliche grüßt, und sagt' ihr voll Ehrfurcht:
Siehe, von ihr sollt' ein König entstehn, so die Herrschaften David's
Mächtig schützen und Israel's Erbe verherrlichen würde.
Er hieß' Jesus, so sollte sie nennen den Sohn der Götter!
Ewig sollte die Macht des großen Königes dauren!
Dieses vernahmt Ihr. Warum erstaunten die Götter der Hölle,
Da sie es hörten? Ich selbst, ich habe viel mehr noch gesehen;
Doch nichts schreckt mich! Ich will Euch Alles muthig entdecken,
Nichts will ich Euch verschweigen, damit Ihr sehet, wie feurig
Sich mein Muth in Gefahren erhebt; sind es anders Gefahren,
Wenn sich ein sterblicher Träumer auf unserer Erde vergöttert."
Jetzo sah er an sich des Donners Narben und zagte.
Doch arbeitet' er sehr, von Neuem empor zu schwellen,
Und er begann. "Dort wartet' ich auf des göttlichen Knaben
Hohe Geburt! Bald wird aus Deinem Schooße, Maria,
Dacht' ich, der Göttliche kommen. Geschwinder als fliegende Blicke,
Schneller noch wie Gedanken der Götter, von Zorne beflügelt,
Wird er gen Himmel erwachsen. Er deckt in seiner Erhöhung
Jetzt mit dem einen Fuße das Meer, mit dem andern den Erdkreis,
Wägt in der schreckenden Rechte dann den Mond und die Sonne,
In der Linken die Morgensterne! Da kommt er und tödtet!
Mitten in Stürmen, die er aus allen Welten herbeirief,
Rauscht er zum Sieg unaufhaltsam daher. Ach, fliehe nun, Satan!
Fliehe, damit er Dich nicht mit seinem allmächtigen Donner
Ungestüm fasse, bis Du, durch tausend Erden geworfen,
Sinnlos, bezwungen, ja todt in dem Unermeßlichen liegest.
Seht, so dacht' ich, Ihr Götter; allein ihm gefiel es noch jetzo,
Daß er ein Mensch, ein weinendes Kind wie die Söhne des Staubs, blieb,
Welche schon bei ihrer Geburt die Sterblichkeit weinen.
Zwar sang seine Geburt ein Chor der himmlischen Geister.
Denn sie kommen bisweilen herab, die Erde zu sehen,
Wo wir herrschen, da Grüfte zu sehn und Hügel der Todten,
Wo vordem Paradiese nur standen; dann kehren sie thränend
Und, sich zu trösten, mit feirenden Liedern zurück in den Himmel.
Also war es auch jetzt. Sie eileten, ließen den Knaben
Oder, hört Ihr's so lieber, den Herrn der Himmel im Staube.
Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen;
Einen so furchtsamen Feind zu verfolgen, war meiner nicht würdig.
Unterdeß ließ ich, nicht müßig zu sein, durch meinen Erwählten,
Meinen König und Opferpriester, Herodes, zu Bethlem
Säuglinge würgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden Winseln
Und der untröstbaren Mütter Verzweiflung, der Leichname Ausfluß,
Der, mit Seelen vermischt, mir wallend entgegendampfte,
Waren mir, dem Vater des Elends, ein liebliches Opfer.
Wandelt nicht dort der Schatten Herodes'? Verworfene Seele,
War es nicht ich, der in Dir den Gedanken, die Bethlehemiten
Wegzuwürgen, erschuf? Kann etwa des Himmels Beherrscher
Seiner Bildungen mühsames Werk, die unsterblichen Seelen,
Vor mir schützen, daß ich sie mit meiner verborgnen Begeistrung
Nicht umschatte und über sie nicht zum Verderben mich breite?
Ja, Verlassner, Dein klagendes Winseln, Dein banges Verzweifeln
Und der Seelen Geschrei, die Du sonst unschuldig erwürgtest,
Daß sie sündigend starben und Dir und dem Schaffenden fluchten,
Ist nun Deinem befriedigten Herrscher ein liebliches Opfer.
Als er starb, versammelte Götter, da kehrte der Knabe
Aus Aegyptus' Gefilde zurück. Die Jahre der Jugend
Lebt' er im Schooß der zärtlichen Mutter, in weicher Umarmung,
Unbekannt. Kein jugendlich Feuer, kein edles Erkühnen
Trieb ihn zu Unternehmungen an, sich furchtbar zu machen.
Doch, Ihr Götter, im einsamen Wald, an dem öden Gestade,
Wo er oft war, da hat er vielleicht auf Dinge gesonnen,
Die aus schreckender Ferne den Untergang der Hölle
Drohn und von uns verneuerten Muth und Wachsamkeit fordern?
Seht, dies glaubt' ich vielleicht, hätt' er sich mit tiefen Gedanken
Mehr beschäftigt als mit der Betrachtung der Blumen und Felder
Und der Kinder um ihn und mit dem sklavischen Lobe
Dessen, der ihn mit den Würmen aus niedrigem Staube gemacht hat.
Ja, ich wäre vor Ruh und langer Muße vergangen,
Hätte mir nicht der Menschen Geschlecht stets Seelen geopfert,
Die ich, dem Himmel vorüber, hierher zur Bevölkerung sandte.
Endlich schien es, als sollt' er nun auch merkwürdiger werden.
Gottes Herrlichkeit kam, als er einst am Jordan herumging,
Strahlend vom Himmel. Sie hab' ich mit diesen unsterblichen Augen
Selbst am Jordan gesehn. Kein Bild, kein himmlisches Blendwerk
Hat mich getäuscht. Sie war's, wie sie von dem Throne des Himmels
Durch die langen, betenden Reihn der Seraphim wandelt.
Aber warum, und ob sie dem Erdenkinde zu Ehren
Oder, um unsere Wachsamkeit auszuforschen, herabstieg,
Dieses entscheid' ich nicht. Zwar hört' ich gewaltige Donner,
Donner mit dieser Stimme vereint: Das ist mein Geliebter,
Siehe, der Sohn nach meinem Herzen! Der war wol Eloa
Oder Einer vom Thron, der, mich zu verwirren, es ausrief;
Gottes Stimme war's nicht! Denn, bei der untersten Hölle
Und bei ihrer nächtlichsten Nacht! sie tönte mir anders,
Als er uns Göttern einst den Sohn der Ewigkeit aufdrang.
Auch weissagt' ihm ein finstrer Prophet, der dort in der Wüste
Menschenfeindlich die Felsen durchirrt, er rief ihm entgegen:
Siehe Gottes Lamm, das der Erde Sünde versöhnet!
Der Du von Ewigkeit bist, Du, der schon lange vor mir war,
Sei mir gegrüßt! Aus Dir, o Du der Erbarmungen Fülle,
Nehmen wir Gnad' um Gnade. Durch Moses ward das Gesetz kund;
Aber durch den Gesalbten des Herrn kommt Wahrheit und Gnade.
Ist das nicht hoch und prophetisch genug? So ist es, wenn Träumer
Träumer besingen, da bauen sie sich ein heiliges Dunkel;
Und dann sind wir unsterblichen Götter viel zu geringe,
Bis in das innre Gebäu der Geheimnisse durchzuschauen.
Will er uns nicht den erhabnen Messias, den König des Himmels,
Jenen Donnerer Gottes, der in der gewaltigen Rüstung
Wider uns stritt, bis wir die neuen Welten erreichten,
Unsern würdigen Feind und erhabneren Widersacher,
Will er ihn nicht in jene Gestalt, die wir tödten, verkleiden?
Zwar er selbst, das Erdegeschöpf, von dem der Prophet träumt,
Dünkt sich nicht wenig zu sein. Oft hält er Kranke, die schlummern,
Sie für Todte, geht hin und rufet sie wieder ins Leben!
Aber das ist nur Beginn. Einst folgen größere Thaten!
Denn er will das ganze Geschlecht der sterblichen Menschen
Von der Sünd' und dem Tode befrein, der Sünde, die, Allen
Eingepflanzt und immer empörend und ungestüm immer,
Wider Gott in ihren unsterblichen Seelen sich auflehnt,
Unbezwingbar der sklavischen Pflicht; von dem Tode, der Alle,
Der das ganze Geschlecht, so oft wir ihm winken, durchwürget,
Will er sie Alle befrein: Euch also auch, Ihr Seelen,
Die ich seit der Schöpfung zu mir wie Wogen des Weltmeers
Sammle, wie Sterne, wie Gott anbetende sklavische Sänger,
Ja, Euch auch, die quälet die ewige Nacht des Abgrunds
Und in der Nacht des Strafenden Feuer, im Feuer Verzweiflung,
In der Verzweiflung ich! Euch will von dem Tod er befreien!
Wir, wir werden alsdann, der Gottheit Vergesser und Sklaven,
Liegen vor ihm, vor ihm, dem neuvergötterten Menschen.
Was Der mit dem allmächtigen Donner von uns nicht erzwinget,
Wird Der aus des Todes Gebiet unbewaffnet vollenden.
Auf, Verwegner! befreie Dich erst, dann wecke die Todten.
Er soll sterben, ja sterben! er, der Satan's Besiegte
Eigenmächtig vom Tode befreit. Dich leg' in den Staub ich,
Bleich und entstellt, in der Todten Staub! Dann will ich den Augen
Die nicht sehn, die Dunkel und Nacht nun ewig umnebeln,
Sagen: Ach, seht, da erwachen die Todten! will ich den Ohren,
Die nicht hören, die ewig nun sind dem Tone geschlossen,
Sagen: Ach, hört, es rauschet das Feld, die Todten erwachen!
Und der Seele, wenn sie nun aus dem Leibe geflohn ist
Und zu der Hölle vielleicht, dort auch zu siegen, sich wendet,
Ruf' ich nach in furchtbarem Sturm, mit donnernder Stimme:
Eile, Du siegtest auf Erden! ja, eile Du fesseltest Götter!
Dich erwartet Triumpheinzug! die Pforten der Hölle
Thun vor Dir einladend sich auf! Dir jauchzet der Abgrund!
Gegen Dich wallen in feirenden Chören Seelen und Götter!
Gott muß entweder jetzt, da ich hier bin, eilend die Erde
Und mit der fliehenden ihn und die Menschen gen Himmel erheben,
Oder ich führ' es hinaus, was meine Weisheit mir eingab!
Oder ich thu', was ich mächtig beschloß, und ich end' und vollbring' es!
Er soll sterben! So wahr ich des Todes Erhalter und Schöpfer
Unbezwingbar durchlebe die kommenden Ewigkeiten:
Er soll sterben! Bald will ich von ihm den Staub der Verwesung
Auf dem Wege zur Hölle, vorm Antlitz des Ewigen ausstreun.
Seht den Entwurf von meinem Entschluß. So rächet sich Satan!"
Satan sprach es. Indem ging von dem Versöhner Entsetzen
Gegen ihn aus. Noch war in den einsamen Gräbern der Gottmensch.
Mit dem Laute, womit der Lästerer endigte, rauschte
Vor den Fuß des Messias ein wehendes Blatt. An dem Blatte
Hing ein sterbendes Würmchen. Der Gottmensch gab ihm das Leben.
Aber mit eben dem Blicke sandt' er Dir, Satan, Entsetzen!
Hinter dem Schritt des gesandten Gerichts versank die Hölle,
Und vor ihm ward Satan zur Nacht. So schreckt' ihn der Gottmensch.
Und die Satane sahen ihn, wurden zu Felsengestalten.
Unten am Throne saß einsiedlerisch, finster und traurig
Seraph Abdiel Abbadona. Er dachte die Zukunft
Und den Vergang voll Seelenangst. Vor seinem Gesichte,
Das in traurendes Dunkel, in schreckliches, Schwermuth hüllte,
Sah er Qualen gehäuft auf Qualen zur Ewigkeit eingehn.
Jetzo erblickt' er die vorige Zeit; da war er voll Unschuld,
Jenes erhabneren Abdiel's Freund, so den Tag der Empörung
Eine strahlende That vor Gottes Auge vollführte.
Denn er verließ die Empörer allein und unüberwindlich,
Kam zu Gott. Mit ihm, dem edelmüthigen Seraph,
War schon Abbadona dem Blick der Feinde Jehovah's
Fast entgangen; doch Satan's beflammter, rollender Wagen,
Der, zu Triumphen zurück sie zu führen, schnell um sie herkam,
Und der Drommetenden Kriegszuruf, der sie ungestüm einlud,
Und die Heerschaar, Jeder von seiner Götterschaft taumelnd,
Uebermannten sein Herz und rissen ihn hin zu der Rückkehr.
Hier noch wollt' ihn sein Freund mit Blicken drohender Liebe
Fortzueilen bewegen; allein, von künftiger Gottheit
Trunken, erkannt' Abbadona die vormals mächtigen Blicke
Seines Freundes nicht mehr. Er kam in dem Taumel zu Satan.
Jammernd denkt er und in sich verhüllt an diese Geschichte
Seiner heiligen Jugend und an den lieblichen Morgen
Seiner Schöpfung zurück. Der Ewige schuf sie auf einmal.
Damals besprachen sie sich mit angeschaffner Entzückung
Unter einander: "Ach, Seraph, was sind wir? Woher, mein Geliebter?
Sahst Du zuerst mich? Wie lange bist Du? Ach, sind wir auch wirklich?
Komm, umarme mich, göttlicher Freund, erzähle, was denkst Du?"
Und da kam aus strahlender Fern' die Herrlichkeit Gottes
Segnend einher. Sie sahen um sich unzählbare Schaaren
Neuer Unsterblicher wandeln, und wallendes Silbergewölk hob
Sie zu dem Ewigen auf. Sie sahn ihn und nannten ihn Schöpfer.
Diese Gedanken marterten Abbadona. Sein Auge
Floß von der jammernden Thräne. So floß von Bethlehem's Bergen
Rinnendes Blut, da die Säuglinge starben. Er hatte mit Schauer
Satan gehört; doch duldet' er's nicht und erhub sich, zu reden.
Dreimal seufzet' er, eh er sprach. Wie in blutigen Schlachten
Brüder, die sich erwürgten und, da sie starben, sich kennten,
Neben einander aus röchelnder Brust ohnmächtig seufzen.
Drauf begann er und sprach: "Ob mir gleich diese Versammlung
Ewig entgegen wird sein, ich will's nicht achten und reden!
Reden will ich, damit des Ewigen schweres Gericht nicht
Ueber mich auch komme, wie, Satan, es über Dich kam.
Ja, ich hasse Dich, Satan! Dich hass' ich, Du Schrecklicher! Mich, mich,
Diesen unsterblichen Geist, den Du dem Schöpfer entrissest,
Fordr' er, Dein Richter, ewig von Dir! Unendliches Wehe
Schrei' in der Abgrundskluft, in der Nacht, der Unsterblichen Heerschaar,
Satan! und laut mit dem Donnersturme sie Alle, die, Satan,
Du verführet hast! laut mit des Todes Meere sie Alle
Ueber Dich! Ich habe kein Theil an dem ewigen Sünder!
Gottesleugner! kein Theil an Deiner finstern Entschließung,
Gott den Messias zu tödten. Ha, wider wen, Du Empörer,
Hast Du gered't? Ist es wider Den nicht, der, Du bekennst es
Selber, wie sehr Du Dein Schrecken auch übertünchest, Dir furchtbar,
Mächtiger ist als Du? O, sendet den sterblichen Menschen
Gott Befreiung vom Elend und Tode, Du hältst ihr nicht Obstand!
Und Du willst des Messias Leib, den willst Du erwürgen?
Kennst Du ihn, Satan, nicht mehr? Hat Dich des Allmächtigen Donner
Nicht genug an dieser erhobnen Stirne gebrandmalt?
Oder kann Gott sich nicht vor uns Ohnmächtigen schützen?
Wir, die zum Tode die Menschen verführeten - wehe mir, wehe!
Ich that's auch! - wir wollen uns wider ihren Erlöser
Wüthend erheben? den Sohn, den Donnerer wollen wir tödten?
Ja, den Pfad zu einer vielleicht zukünftigen Rettung
Oder doch zu der Lindrung der Qual, den wollen wir ewig
Uns, so vielen vordem vollkommenen Geistern, verwüsten?
Satan! so wahr wir Alle die Qual gewaltiger fühlen,
Wenn Du diese Wohnung der Nacht und der dunkeln Verdammniß
Königlich nennst, so wahr kehrst Du mit Schande belastet,
Statt des Triumphs, zurück von Gott und seinem Messias."
Grimmiger hört' und geduldlos und droh'nd den Furchtbaren Satan,
Wollte jetzt von den Höhen des Throns der thürmenden Felsen
Einen gegen ihn schleudern; allein die schreckliche Rechte
Sank ihm zitternd in Zorne dahin; er stampft' und erbebte.
Dreimal bebt' er vor Wuth, sah dreimal Abbadona
Ungestüm an und schwieg. Vor Grimm ward dunkel sein Auge,
Ihn zu verachten ohnmächtig. Mit muthigem Ernste, nicht zornig,
Blieb Abbadona vor ihm und mit traurendem Angesicht stehen.
Aber Gottes, der Menschen und Satan's Feind, Adramelech,
Sprach: "Aus finstern Wettern will ich mit Dir reden, Verzagter,
Ha! zudonnern sollen Dir Ungewitter die Antwort!
Darfst Du die Götter schmähn? Darf einer der niedrigsten Geister
Wider Satan und mich aus seiner Tiefe sich rüsten?
Wirst Du gequält, so wirst Du von Deinen niedern Gedanken,
Sklav, gequält! Entfleuch, Kleinmüthiger, aus den Bezirken
Unserer Herrschaft, wo Könige sind! entfleuch in die Leere!
Laß Dir da vom Allmächtigen Reiche des Jammers erschaffen!
Bringe da die Unsterblichkeit zu! Doch Du stürbest wol lieber!
Stirb denn, vergeh, anbetend, Du Sklav, gen Himmel gebücket!
Der Du mitten im Himmel für einen Gott Dich erkanntest
Und dem großen Allmächtigen kühn mit flammendem Grimme
Widerstandest, künftiger Schöpfer unzählbarer Welten,
Komm, komm, Satan! wir wollen den kleinen niedrigen Geistern
Unseren furchtbaren Arm durch Unternehmungen zeigen,
Die wie ein Wetter auf einmal sie blenden und niederschlagen!
Komm! Labyrinthe verborgnerer List, verwirrt zum Verderben,
Zeigen sich mir. Der Tod ist darin. Kein öffnender Ausgang
Und kein Führer soll ihn den Labyrinthen entreißen.
Aber, entflöh' er auch unserer List, gäbst Du auf dem Throne,
Uns zu entrinnen, ihm Götterverstand, so sollen in Grimme
Feurige Wetter ihn schnell vor unseren Augen vernichten!
Wie die Wetter, womit wir einst den Geliebteren Gottes,
Seinen glücklichen Job, vor dem Antlitz des Himmels bestritten.
Fleuch, fleuch, Erde, wir kommen mit Tod und Hölle bewaffnet!
Wehe Dem, der auf unserer Welt sich wider uns auflehnt!"
Also sprach Adramelech. Nun fiel die ganze Versammlung
Satan auf einmal mit Ungestüm bei. Gleich stürzenden Felsen
Stampft' ihr gewaltiger Fuß, daß die Tiefe darunter erbebte.
Jauchzend erhuben um sich sie, und stolz auf nahe Triumphe,
Fürchterliches Stimmengetös. Das rufte vom Aufgang
Bis zu dem Niedergange. Der Satane ganze Versammlung
Williget ein, den Messias zu tödten! Seitdem Gott schuf, sah
Eine That wie diese die Ewigkeit nicht. Ihr Erfinder,
Satan, und Adramelech, voll Rache und grimmiges Tiefsinns,
Stiegen vom Thron. Aus den Stufen kracht's, wie erschüttert der Fels kracht,
Da sie wandelten. Brüllender Zuruf wälzt sich, empöret
Mehr die Empörer, begleitet sie dumpf zu der Pforte des Abgrunds.
Abbadona (nur er war unbeweglich geblieben)
Folgte von fern, entweder sie noch von der That zu erretten
Oder ihr Ende, der Ungeheuren, mit anzusehen.
Jetzo nähert' er sich mit säumendem Schritte den Engeln,
Welche die Pforte bewachten. Wie war Dir, Abbadona,
Da Du Abdiel hier, den Unüberwindlichen, sahest?
Seufzend schlug er sein Angesicht nieder. Itzt wollt' er zurückgehn,
Wollte jetzo sich nahn, dann wollt' er einsam und traurend
Ins Unermeßliche fliehn; allein noch stand er mit Zittern,
Wehmuthsvoll. Nun faßt' er sich ganz auf einmal zusammen,
Ging auf ihn zu. Ihm schlug sein Herz mit mächtigen Schlägen;
Stille, den Engeln nur weinbare Thränen bedeckten sein Antlitz;
Seufzer aus allen Tiefen des Herzens, langsame Schauer,
Sterbenden selbst unempfindbar, erschütterten Abbadona,
Als er ging. Doch Abdiel's ihn frühsehendes Auge
Schaut' unverwandt in die Welt des Schöpfers, dem er getreu blieb,
Aber auf ihn nicht. Der Sonn' in der Jugend, den Frühlingstagen
Gleich, die hinab zu der kaum erschaffenen Erde sich senkten,
Glänzte der Seraph, doch nicht dem traurenden Abbadona.
Der ging fort und seufzte bei sich verlassen und einsam:
"Abdiel, mein Bruder, Du willst Dich mir ewig entreißen!
Ewig willst Du mich ferne von Dir in der Einsamkeit lassen!
Weinet um mich, Ihr Kinder des Lichts! Er liebt mich nicht wieder,
Ewig nicht wieder, ach, weinet um mich! Verblühet, Ihr Lauben,
Wo wir mit Innigkeit sprachen von Gott und unserer Freundschaft!
Himmlische Bäche, versiegt, wo wir in süßer Umarmung
Gottes, des Ewigen, Lob mit reiner Stimme besangen!
Abdiel, mein Bruder, ist mir auf ewig gestorben!
Hölle, mein finsterer Aufenthalt, und Du Mutter der Qualen,
Ewige Nacht, beklag' ihn mit mir! Ein nächtliches Jammern
Steige, wenn Gott mich schreckt, von Deinen Bergen herunter!
Abdiel, mein Bruder, ist mir auf ewig gestorben!"
Also jammert er seitwärts gekehrt. Drauf stand er am Eingang
In die Welten. Ihn schreckte der Glanz und die fliegenden Donner
Gegen ihn wandelnder Orione. Er sahe die Welten,
Weil er sich stets, in sein Elend vertieft, in Einsamkeit einschloß,
Seit Jahrhunderten nicht. Er stand betrachtend und sagte:
"Seliger Eingang, dürft' ich durch Dich in die Welten des Schöpfers
Wiederkehren und nie das Reich der dunkeln Verdammniß
Wieder betreten! Ihr Sonnen, unzählbare Kinder der Schöpfung,
War ich nicht schon, da der Ewige rief, da Ihr glänzend hervorgingt,
Heller als Ihr, da Ihr jetzt aus der Hand des Schöpfers herabkamt?
Und nun steh' ich da, verfinstert, verworfen, ein Abscheu
Dieser herrlichen Welt! Und Du, o Himmel! Ha, jetzo
Beb' ich erst, da ich Dich erblicke! Dort ward ich ein Sünder!
Stand dort wider den Ewigen auf! Du, unsterbliche Ruhe,
Meine Gespielin im Thal des Friedens, wo bist Du geblieben?
Ach, kaum läßt für Dich mein Richter trauriges Staunen
Ueber seine Welten mir zu! O, dürft' ich es wagen,
Schöpfer ihn niedersinkend zu nennen, wie gerne wollt' ich
Dann entbehren den liebenden Vaternamen, mit dem ihn
Seine Getreuen, die hohen Engel, kindlicher nennen!
O Du Richter der Welt! Dir darf ich Verlorner nicht flehen,
Daß Du mit einem Blicke mich nur hier im Abgrund ansehst.
Finstrer Gedanke, Gedanke voll Qual! und Du, wilde Verzweiflung!
Wüthe, Tyrannin, ha, wüthe nur fort! Wie bin ich so elend!
Wär' ich nur nicht! Ich fluche Dir, Tag, da der Schaffende sagte:
"Werde!" da er von Osten mit seiner Herrlichkeit ausging!
Ja, Dir fluch' ich, o Tag, da die neuen Unsterblichen riefen:
"Unser Bruder ist auch!" Du, Mutter unendlicher Qualen,
Warum gebarest Du, Ewigkeit, ihn? Und mußt' er ja werden,
Warum ward er nicht finster und traurig, der ewigen Nacht gleich,
Welche mit Ungewitter und Tod vor dem Donnerer herzieht,
Leer von Geschöpfen, belastet vom Zorn und dem Fluche der Gottheit?
Wider wen empörst Du Dich hier vor dem Auge der Schöpfung,
Lästerer! Sonnen, fallt auf mich her! bedeckt mich, Ihr Sterne,
Vor dem grimmigen Zorn deß, der vom Throne der Rache
Ewig als Feind und Richter mich schreckt! Du in Deinen Gerichten
Unerbittlicher! ist denn in Deiner Ewigkeit künftig
Nichts von Hoffnungen übrig? Ach, wird denn, göttlicher Richter,
Schöpfer, Vater, Erbarmer! - Ach, nun verzweifl' ich von Neuem;
Denn gelästert hab' ich Jehovah! ich nannt' ihn mit Namen,
Heiligen Namen, die nennen kein Sünder darf ohne Versöhner!
Ha, ich entfliehe! Schon rauschet von ihm ein allmächtiger Donner
Durch das Unendliche furchtbar einher! Doch wohin? Ich entfliehe!"
Ruft' es und eilet' und schaute betäubt in des Leeren Abgrund.
Schaffe da Feuer, tödtende Gluth, die Geister verzehre,
Gott! Verderber! zu furchtbarer Gott in Deinen Gerichten!
Doch er flehte vergebens. Es ward kein tödtendes Feuer.
Darum wendet' er sich und floh zurück in die Welten.
Endlich stand er ermüdet auf einer erhabenen Sonne,
Schaute von da in die Tiefen hinab. Dort drängten Gestirne
Andre Gestirne wie glühende Seen. Ein irrender Erdkreis
Näherte sich, schon dampft' er, und schon war ihm sein Gericht nah.
Auf den stürzete sich Abbadona, mit ihm zu vergehen;
Doch er verging nicht und senkte, betäubt vom ewigen Kummer,
Wie ein Gebirge, weiß von Gebein, wo Menschen sich würgten,
Im Erdbeben versinkt, zu der Erde sich langsam nieder.
Unterdeß war Satan mit Adramelech der Erde
Auch schon näher gekommen. Sie gingen neben einander,
Jeder allein und in sich gekehrt. Jetzt sahe den Erdkreis
Adramelech vor sich in ferner Dunkelheit liegen.
"Sie, sie ist es," so sagt' er bei sich, "so drängten Gedanken
Andre Gedanken, wie Wogen des Meers, wie der Ocean drängte,
Als er von drei Welten Dich, fernes Amerika, losriß,
Ja, sie ist es, die ich, sobald ich Satan entfernet
Oder, besiegend den Gott, mich vor Allen habe verherrlicht,
Die ich dann, als Schöpfer des Bösen, allein beherrsche!
Aber warum nur sie? Warum nicht auch jene Gestirne,
Die, zu lange schon selig, um mich durch die Himmel dahergehn?
Ja, auch dort soll der Tod, von einem Gestirn zu dem andern,
Bis an die Grenze des Himmels - es schau' der Ewige - tödten!
Dann würg' ich die Erschaffenen Gottes, wie Satan, nicht einzeln,
Nein, zu ganzen Geschlechten! Die legen vor mir in den Staub sich
Nieder, krümmen vor mir sich entstaltet, winden sich, sterben!
Dann will ich hier oder dort oder da triumphirend und einsam
Sitzen! mich hoch umsehn! Die Du nun Deinen Geschöpfen
Wurdest durch mich zum Grabe, Natur, auf Deine Verwesten
Will, in Dein tiefes unendliches Grab, ich lachend hinabsehn!
Und gefällt es dem Ewigen dann, in dem Grabe der Welten
Neue Geschöpfe zu baun, daß ich sie von Neuem verderbe;
Auch die will ich mit eben der List, mit eben der Kühnheit,
Wieder, von einem Gestirn zu dem andern, verführen und tödten!
Adramelech, das bist Du! Geläng' es Dir endlich doch, endlich,
Daß Du auch erfändest der Geister Sterben, daß Satan,
Ha! verginge durch Dich, durch Dich zerflöss' in ein Unding!
Unter ihm vollbring' Du kein Werk, das Deiner nur werth ist!
Mächtiger Geist, der Du Adramelech beseelest, erschaffe!
Tödte die Geister, ich fluche Dir, tödte sie oder vergehe!
Ja, vergeh, sei lieber nicht mehr, eh Du lebst und nicht herrschest!
Ja, ich will gehn, gehn will ich und alle meine Gedanken,
Sie wie Götter versammeln, erfinden sollen sie! tödten!
Jetzt ist die Zeit, worauf ich seit Ewigkeiten schon dachte,
Das zu vollenden; ja, jetzt, da Gott von Neuem erwacht ist
Und, wenn sich Satan nicht täuscht, uns einen Menschenerlöser,
Unser erobertes Reich sich zu unterwerfen, herabschickt.
Aber er täusche sich nicht! Der Mensch sei der größte Prophete
Von den Propheten allen seit Adam, er sei ein Messias;
Seine Besiegung soll doch vor der ganzen Geisterversammlung
Mich, zu besteigen der Hölle Thron, zu dem Würdigsten machen!
Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte,
Was Du vielmehr, unsterblicher Adramelech, vollendest,
Wenn ich Satan vor ihm verderbe, der mächtigen That dann
Meiner Knechtschaft Ende verdanke; sei Jener der Erstling
Meiner Besiegten, durch den als der Götter Obermonarch ich
Schimmre! Satan, wie schwer wird es Dir, den Leib des Messias
Nur zu erwürgen! Erwürg' ihn denn! Ja, die kleinen Geschäfte
Lass' ich Dir, eh Du vergehst; ich aber tödte die Seele!
Die vernicht' ich; des Sterblichen Staub zerstreue Du mühsam!"
Also verlor sich sein Geist, empört vom wünschenden Herzen,
In den schwarzen Entwurf. Gott, der das Kommende schaute,
Hört' ihn und schwieg. Voll ermüdendes Tiefsinns blieb Adramelech
Unvermerkt auf einem Gewölk, das unter ihm Nacht ward,
Starr, mit glühender Stirn, die der Grimm durchfaltete, stehen.
Doch das Getös der wandelnden Erde, die jetzt mit der Nacht kam,
Weckte den wilden Empörer aus seinen schwarzen Gedanken,
Und er wandte sich wieder zu Satan. Sie gingen und stürmten
Gegen den Oelberg, dort den Versöhner mit den Vertrauten
Aufzusuchen. So stürzen sich rollende, tödtende Wagen
Nieder ins Thal, dem ruhigen Führer des Feindes entgegen.
Jetzo sendeten sie von himmelnahen Gebirgen
Eherne Krieger; sie rauschen mit eisernem, dumpfen Getöse
Ueber den Fels, und es kracht, und es donnert und tödtet von ferne.
Also kam Adramelech herab, und Satan zum Oelberg.