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Carmen Sylva

Halbgötter

Sogar die Prinzen können reimen,
Das ist sehr sonderbar,
Da sie von anderm Holze keimen,
Und wunschlos, ganz und gar.

Sie haben auch nicht Leidenschaften,
Da Speise nicht gebricht;
Gefühllos sind die Vielbegafften,
Da ruhig ihr Gesicht.

Nur merkwürdig, dass sie unpässlich
Zuweilen sind, und krank,
Verwachsen, witzig, taub und hässlich,
Und fett und breit und schlank,

So menschenhaft in allen Stücken!
Nur Sorgen gibt es nie,
Für lahme Denker Eselsbrücken,
Da spielt man dann Genie.

Nur sonderbar: es furchen Falten
Die Stirne doch; der Mund,
Trotz allem Lächeln, Ruhighalten,
Er zuckt, wie seelenwund.

Und eigen, dass ergraut die Haare,
Die Kummer nicht gebleicht,
Und dass die schlimme Totenbahre
Vor ihnen nicht entweicht.

Daß sie sogar die Farbe ändern,
Als hätten sie gefühlt,
Und dass noch unter Prachtgewändern
Blut in den Adern spült;

Wenngleich von anderm Holz entsprossen,
Und aller Schmerzen bar -
Warum ist, was ins Lied sie gossen,
Meist traurig? - Sonderbar!