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Alfred Wolfenstein

Tanz

Sie wirbelt weich
Die Hände schwingend vor...
Sie rollt auf Zehen starr zurück:
Steht gipfelnd von Musik umflossen,
Silbern sichtbar in die Luft gegossen!

Sie schmilzt hinab
Und hebt zu kreisen an
Um ihrer Seele stillsten Punkt,
Wie Schnee, um sein Gebirge fließend,
In immer weichere Hand sich gießend,

Wie Wasser weiß...
Dick schwellen aus der Wand
Der Lampen blutige Fäden an
Und sinken plötzlich...: Sie steht funkelnd
Da, steil gezackt, geprägt im Dunkeln!

Sie schweift den Fuß wie Pfaunrad aus, zum Blumenkreis,
Sie spitzt den Fuß wie Sterne zu, Zeh'nstrahlen spitz,
Sie gleitet der Bewegung ungebundnes Gleis
Im Saale lagern Tiere stier auf wuchtigem Sitz.

Von Säulen schielt das Breitgesicht der Decke weiß
Herab auf ihrer schnellen Brüste Blitz und Blitz,
Aus vorgewölbten Mäulern bläst es gelb und heiß,
Ihr Lichtknie schluckt der ungerührten Augen Schlitz!

Da schüttelt sie sich zagender: O falle, Gier!
Da wirft sie sich in Lüfte fort - Doch immer schwingt
Die Schönheit wie ein Bumerang zurück zu ihr,
Dass jedem Sprung nur stachelndere Glut entspringt.

Rot hängt des Vorhangs offner Wundrand über ihr,
Rauch höhnt als Vorhang, den doch jeder Blick durchdringt,
Ihr Tanz verlöscht nicht, angespritzt von Staub und Bier,
Noch immer klatschen Fäuste, bis Musik noch klingt.

So flieh, enttanze
In dich! du Unsichtbare!
Wie ein rasendes Rad innen schwindet
Schon hüllen Wellen dich und bleichen
Die Gier, im Saale sitzen Leichen

Du, neu geboren
Auf einen andern Stern hin!
In eignen immer wildren Sturmleib,
In Fuß und Brust und Stirn verflogen,
Vom Geistermund des Umschwungs ausgesogen.

Und fließt zusammen
Mit sich - und fühlt nur Tanzen,
Luft, Atmen, Aufatmen von Flammen
Es hebt sie einsames Gefieder
Und Sammetvorhang senkt sich nun auch nieder.