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Walther von der Vogelweide

Muget ir schouwen...

Muget ir schouwen was dem meien
wunders ist beschert?
seht an pfaffen, seht an leien,
wie daz allez vert.
grôz ist sîn gewalt:
ich enweiz obe er zouber künne:
swar er vert in sîner wünne,
dâ enist niemen alt.

Uns will schiere wol gelingen.
wir suln sîn gemeit,
tanzen lachen unde singen,
âne dörperheit.
wê wer wære unfrô?
sît di vogele alsô schône
singent in ir besten dône,
tuon wir ouch alsô!

Wol dir , meie, wie dû scheidest
allez âne haz!
wie dû walt und ouwe kleidest,
und die heide baz!
diu hât varwe mê.
"dû bist kurzer, ich bin langer",
alsô strîtents ûf dem anger,
bluomen unde klê.

Rôter munt, wie dû dich swachest!
lâ dîn lachen sîn.
scham dich daz dû mich an lachest
nâch dem schaden mîn.
ist daz wol getân?
owê sô verlorner stunde,
sol von minneclîchem munde
solch unminne ergân!

Daz mich, frouwe, an fröiden irret,
daz ist iuwer lîp.
an iu einer ez mir wirret,
ungenædic wîp.
wâ nemt ir den muot?
ir sît doch genâden rîche:
tuot ir mir ungnædeclîche,
sô sît ir niht guot.

Scheidet, vrouwe, mich von sorgen,
liebet mir die zît:
oder ich muoz an vreuden borgen.
daz ir sælic sît!
muget ir umbe sehen?
sich vreut al diu welt gemeine;
möhte mir von iu ein kleine
vreudelîn geschehen!