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Sidonia1 Hedwig Zäunemann

Die von denen Faunen gepeitschte Laster

Vorrede

Geehrter Leser!

Meine Muse, welche von dem siebenstuffigten Rohr verschiedener Wald-Götter aus ihrem fast jährigen Schlaf unverhoft erweckt worden, leget dir anjetzo eine ziemlich starcke Satyre vor, und giebt dir zugleich das Recht, darüber zu critisiren und zu richten.
Eine Satyre! wirst du sagen: Dieses ist ja ein solches Stück, das nicht allein viel Geschicklichkeit erfordert; sondern, was noch mehr ist, nach aller angewandten Mühe und Fleiß, Haß und Verdruß zum Lohn bekömmt. Du wirst meinen, ich hätte lieber ein Lob-Gedichte abfassen, zärtlich, galant und vortrefflich schmeichlen, als einen kühnen Satyr nachspielen sollen.

Du hast recht, mein Leser! daß zu einer vernünftigen Satyre viel Kunst erfordert wird. Dieses hat mich auch bisher von solchen Arbeiten abgeschreckt. Allein wer nichts wagt und versucht, der bleibt immer in seinem Irrthum, und lernet nichts. Ich habe es dahero einmahl versuchen wollen, ob meine Muse auch zu solchen Schriften geschickt sey. Ich stelle sie also, wie Apelles seine Gemählde öffentlich der Welt vor die Augen, und erwarte hierüber das Urtheil vernünftiger und ächter Kenner der Poesie, um mich, wo ich hier und da, oder allenthalben gefehlt, künftig zu bessern, und geschickter zu machen.

Es ist auch wahr, daß ein Lob-Gedicht sehr liebreich aufgenommen wird; dahingegen eine Satyre, wenn sie auch noch so schön gerathen ist, dennoch nichts als unfreundliche Gesichter nach sich zieht, und gleiches Schicksal mit einem hellen Spiegel hat, der denen eitlen Gesichtern ihre Flecken und Runzeln zeiget, und deßwegen wohl nicht selten hinweg geworffen wird; obgleich die Schuld nicht an ihm liegt, daß sich die heßliche Gestalt nicht besser in ihm vorstellt, als sie würcklich von Natur gebildet ist

Allein, ich habe bishero gelobt, ich habe gerühmt was zu rühmen war. Nun muß ich auch in Strafen eine Probe machen, und über diejenigen Stücke einen Haß bezeigen, an welchen zu allen Zeiten die tugendhafte Welt einen Abscheu gehabt hat. Ja ich glaube, daß ich hierinnen, wo nicht politischer doch tugendhafter handle, wenn ich eine Satyre schreibe, die die Häßlichkeit der Laster zum Object hat; als wenn ich ein falsches Lob-Gedichte abfaßte, von welchem man sagen könte, ich hätte über dessen Verfassung nothwendig erröthen, und der Wahrheit manchen Schwerd Stich durch ihre Seele geben müssen.

Und was wilst du denn von mir mehr haben? Mein Leser! ich lege dir ja in dieser einfachen Arbeit, ein gedoppeltes Stück, nemlich eine Satyre, da ich die Laster strafe; und ein Lob-Gedichte, da ich die guten Sitten den Lastern entgegen setze, und die Tugenden, nebst ihren Besitzern lobe und erhebe, vor die Augen!

Ich tadle die Unarten der Menschen: Dencke also nicht Mein Leser! daß ich von Personen schreiben und dieselben durchziehen, vielweniger mich an meinen Feinden oder Spöttern rächen, und sie auf den Schau Platz stellen werde. O nein! Spöttern und Feinden mache ich das Vergnügen nicht, ihren Thorheiten zu gefallen, eine niederträchtige und wieder die Religion und Philosophie streitende Seele anzunehmen, und den Character eines vernünftigen Satyrici hierdurch zu überschreiten, welcher darinne besteht, daß man nicht Personen, oder natürliche Gebrechen, davor niemand als die Natur kan, sondern lasterhafte und strafbahre Handlungen, und solche wiederum nicht etwan auf eine unhöfliche; sondern auf eine überzeugende, sinnreiche und beisende Art vorzustellen, und zu bestrafen bemüht ist. In wie weit ich dieses letztere getroffen, das werde ich zu meiner künftigen Verbesserung von Kennern hören, und mit dem grösten Danck annehmen.

Ich habe demnach zum Object meiner Satyre nichts anders als die im Schwang gehende Laster, und die unartigen Handlungen derer meisten Menschen genommen. Es sey ferne! daß ich von allen und jeden reden, und das ganze menschliche Geschlecht, wie man im Sprichwort sagt, in eine Brühe werffen solte! O nein! der Acker dieser Welt trägt auch noch guten Weizen, so häufig auch das Unkraut darzwischen wächst. Ich tadle nicht den Gebrauch verschiedener Sachen; sondern den Mißbrauch. Ich hätte auch wie bekannt, von noch weit mehrern Lastern und Mißbräuchen schreiben können; allein die Zeit, und die Betrübniß über den tödtlichen Hintrit meiner seel. Frau Mutter hat mich davon abgehalten.

Die meisten Menschen, und sonderlich das Frauenzimmer, haben den üblen Gebrauch, daß sie sich bey müsigen Stunden über anderer Menschen von beyderley Geschlecht, öfters gar geringen Schwachheiten, Moden, Geberden, Gebräuchen und Handlung aufhalten. Um nun solchen Menschen, und besonders meinem Geschlechte mich gleich zu stellen, und nur von ihnen keinen Vorwurff machen zu lassen; so will ich mich auch allhier über andere Menschen, und zwar, damit kein Geschlecht zürnen darf, so wohl über die Mannes-Personen, als über das Frauenzimmer; doch nicht auf eine pöbelhafte, niederträchtige und kindische Art; sondern so viel mir möglich, auf eine ernsthafte Weise, in nachstehenden Zeilen moquiren.

Betrachtest du also, Mein Leser! diese Schrift, und du bist tugendhaft, so wirst du mit meinen Gedancken übereinstimmen, und deßwegen keinen Haß und Zorn auf mich werfen. Bist du aber mit ein oder den andern Lastern behaftet, so zürne nicht über mich. Was wilst du über den Spiegel, der dir deine Flecken zeigt, und über den Meister, der ihn geschliffen hat, böse werden. Schäme dich deiner dir selbst gemachten Flecken, und werde über deine muthwillige Unarten böse.

Du kanst dich an mir nicht besser davor rächen, als wenn du deine Thorheiten ablegest und dich besserst, und mir hernach, wie diejenigen, die warhaft tugendhaft sind, gewogen wirst und bleibst, als warum ich dich und alle Menschen freundlich ersuche.

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