hor.de   |   Gedichtsammlung   |   Wörterlisten   |   Notizen
 

David Friedrich Strauß

An einen Freund

Du nimmst als Strebenden
den kranken Mann,
siehst als noch Lebenden
den Toten an.
O rufe nicht zur Wehr,
mich nicht zum Tun;
mir ziemt kein Kämpfen mehr,
mir ziemt nur Ruhn.

Lieg ich im Bette hier
wie in der Gruft,
steigt der Gedanke mir
hoch in die Luft;
ich überschau als Schwan
mit Vogelblick
des Lebens wirre Bahn
und mein Geschick.

Nicht war, was ich geschafft,
allwege gut.
Ach, bald gebrach's an Kraft
und bald an Mut.
Hier von des Glückes Huld
ward ich begrüßt;
dort hab' ich eigne Schuld
wie schwer gebüßt.

Das, halb im Traume, geht
an mir vorbei,
mein Leben ist verweht,
und ich bin frei.
Was blieb dir, Seele, nun,
als daß mit Ernst
du in dir selber ruhn,
du sterben lernst?